Kolumne Denkanstoß Suchet der Stadt Bestes

Mönchengladbach · Die Synode des evangelischen Kirchenkreises Gladbach-Neuss beschäftigt sich am Samstag mit Fragen zu Europa.

 Die Europa-Fahne.

Die Europa-Fahne.

Foto: dpa/Frank Augstein

„Für den Christen gehört neben die Bibel immer die Zeitung auf den Tisch.“ Der Schweizer evangelische Theologe Karl Barth hat mit diesem Satz eine Forderung aufgestellt, die erst einmal zu Denken gibt. Wieso die Zeitung? Für Karl Barth war klar: Christen sind Teil der Welt und deshalb müssen sie auch mitmachen, wenn es um die Welt geht.

Wenn wir heute manche politische Entwicklung sehen, dann wird deutlich: Kirche soll zwar nicht Politik treiben, aber politisch ist sie dennoch. Denn die Menschen in der Kirche sind politisch, und wenn auch heute zum Glück keiner mehr von der Kanzel sagen würde: „Wer nicht diese oder jene Partei wählt, ist kein guter Christ“, so kann man aber sehr wohl sagen „Wer überhaupt nicht wählt, ist kein guter Christ!“ Weil er oder sie nicht Verantwortung übernimmt und seinen oder ihren Beitrag zu einer friedlichen Gemeinschaft nicht leistet. Christen stehen nämlich nicht irgendwo außerhalb der „normalen“ Gesellschaft, sondern sie sind Teil der Gesellschaft – mittendrin. Sie tragen mit ihren christlichen Überzeugungen dazu bei, dass der Staat in seinem Handeln Prioritäten setzt – auch wenn das immer mal wieder in Zweifel gezogen wird. Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung – alles christliche Werte. Welche Gesellschaft könnte wohl finden, dass sie ohne diese Werte gut auskommen kann? Natürlich gibt es auch andere Gruppen in der Gesellschaft, Menschen, die keiner Kirche angehören, Menschen, die anderen Religionen angehören, die diese Werte vertreten. Unser Staat lebt davon, dass alle verschiedenen Gruppen und Verbände dazu beitragen, dass demokratische Werte nicht nur auf dem Papier stehen, sondern gelebt werden können. Nur alle gemeinsam können diese Werte stark machen, so dass sie Grundkonsens des Miteinanders sind. Die Synode des Evangelischen Kirchenkreises Gladbach-Neuss beschäftigt sich aus diesem Grund am kommenden Samstag mit dem Thema „Suchet der Stadt Bestes – Europa für alle!“

Europa ist nicht mehr der ferne, fremde Zusammenschluss derer, die wir nicht so genau kennen, sondern „Suchet der Stadt Bestes“ steht für „Wir alle in Europa für Europa“. Das ist etwas ganz anderes als „fern und fremd“.

Genau deshalb werden die Synodalen am Samstag darüber sprechen, welche Träume sie haben, wenn sie an das gemeinsame Europa denken. Da wird es nicht um Traumtänzerei gehen, denn dass an allem Guten immer auch noch etwas besser zu machen ist, das ist klar. Seenotrettung, Migration, „Festung Europa“ – das sind Realitäten, die einen europakritischen Blick brauchen.

Natürlich wird am Samstag konsequent „evangelisch“ danach gefragt werden, was man denn beten kann, wenn es um Europa geht. Ungefähr so, wie Karl Barth es gemeint hat, als er sagte: „Hände zum Gebet falten ist der Anfang eines Aufstandes gegen die Unordnung der Welt.“ Und so kann man anfügen: Am 26. Mai Europa wählen ist der nächste Schritt!

Die Autorin ist Leiterin der evangelischen Philippus-Akademie.

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