Studierende ermitteln Gemeinwohl-Bilanz Studenten ziehen Bilanz beim Volksverein

Mönchengladbach · Ist ein gemeinnütziger Verein automatisch perfekt und das in jedem Bereich? Eine Gruppe Studierender der Hochschule ist der Frage nachgegangen und hat den Volksverein überprüft, auf Basis von objektiven Kriterien.

Wie stark wirkt sich ein Unternehmen wie der Volksverein eigentlich tatsächlich auf das Gemeinwohl aus? 32 Studierende des Wirtschaftsethik-Kurses der Hochschule Niederrhein sind dieser Frage im vergangenen Semester auf den Grund gegangen. Ihre durchaus positive Antwort präsentierten sie nun dem versammelten Kollegium des Volksvereins.

Als gemeinnütziges Unternehmen ist der Volksverein in Mönchengladbach bereits eine feste Größe. „Wir erzählen gern, was wir machen“, resümiert Geschäftsführer Matthias Merbecks. „Aber sind auch unsere wirtschaftlichen Tätigkeiten gemeinnützig?“, fragt er. Die Tatsache, dass die Gemeinnützigkeit in den Grundsätzen des Volksvereins verankert sei, mache einen Vergleich mit anderen Unternehmen schwierig. Eine objektive Beurteilung anhand eines bewährten Maßstabes fehlte bislang.

Dieser Aufgabe widmeten sich drei Monate lang die Studierenden von Markus Profijt, Lehrbeauftragter für Wirtschaftsethik am Fachbereich für Wirtschaftswissenschaften in Mönchengladbach. Grundlage für ihre Arbeit sind die Vorgaben der „International Federation for the Economy for the Common Good“, mit Sitz in Hamburg. Dieser Verein hat einen umfangreichen und frei im Internet verfügbaren Kriterienkatalog erarbeitet, mit dem die Auswirkungen eines Unternehmens auf das Gemeinwohl eingeschätzt und mit Punkten bewertet werden kann.

Die Punkteskala reicht von minus 3600 bis plus 1000 Punkte. „Ein Unternehmen, das nichts Gutes, aber auch nichts Schlechtes zum Gemeinwohl beiträgt, erhält null Punkte“, erklärt Profijt. Der Volksverein erhält von den Studierenden ganze 805 Punkte, aber unter der Einschränkung, dass dies kein offiziell zertifiziertes Ergebnis ist. Für die angehenden Wirtschaftsprüfer ist das eine praktische Übung mit Blick über den Tellerrand zugleich. „Die meisten von Ihnen werden im späteren Berufsleben kaum wieder mit einem solchen Unternehmen zu tun haben“, sagt Profijt an die Studierenden gewandt.

In insgesamt 20 Kategorien konnten die Studierenden bis zu 50 Punkte vergeben. Besonders gut schneidet der Volksverein etwa bei „Menschenwürde am Arbeitsplatz“ und „Beitrag zum Gemeinwesen“ ab. Zu ersterem zählen Mitarbeiterentwicklung und menschenwürdige Arbeitsbedingungen, zu letzterem gehört die Verwendung der Erträge für gemeinnützige Zwecke und eine kooperative Zusammenarbeit mit anderen Sozialunternehmen und Vereinen.

Verbesserungspotenzial sehen die Studierenden bei der Reduktion ökologischer Auswirkungen. Auch wenn der Umgang mit Kleiderspenden, eine separate Schrottsammlung, ein Blockheizkraftwerk und möglichst kurze Fahrtouren Punkte bringen, könne eine erneute Energieberatung, die Anschaffung strombetriebener Fahrzeuge und eine Veröffentlichung von Umweltdaten die Bilanz noch weiter verbessern.

Die 20 Kriterien der Gemeinwohl-Bilanz fordern viel von einem Unternehmen, erst recht, wenn es – anders als der Volksverein – nicht in erster Linie gemeinnützig ist. Entlässt es etwa Mitarbeiter, obwohl stabile Gewinne erwirtschaftet werden oder schließt einen Standort, hagelt es Minuspunkte. Ebenso gibt es Abzug, wenn ein Unternehmen seine Marktmacht gegenüber Lieferanten oder Mitbewerbern ausnutzt. Klauseln im Arbeitsvertrag, mit denen Überstunden als automatisch abgegolten betrachtet werden, sind ebenfalls ein Grund für Minuspunkte.

Pluspunkte gibt es hingegen, wenn erwirtschaftete Gewinne zurück in die Entwicklung des Unternehmens fließen und das Verhältnis zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Gehalt nicht mehr als fünf zu eins beträgt. Spendet das Unternehmen für wohltätige Zwecke und überprüft auch deren Wirksamkeit, hält es Transportwege kurz und setzt auf erneuerbare Energien, bietet es barrierefreien Zugang für Mitarbeiter und Kunden und fordert es all diese Maßnahmen auch bei seinen Lieferanten ein, landet es entsprechend weiter oben auf der Punkteleiter.

Die Bewertung war für die Mitarbeiter des Volksvereins eine gänzlich andere und neue Herausforderung. Wenn etwa die Zulieferkette überprüft wird, ob Menschenrechte, Nachhaltigkeit und Ökologie ausreichend be- und geachtet werden, wie passen da dann gespendete Waren für den Second-Hand-Verkauf hinein? Dass die Gemeinwohlbilanz Fragen aufwirft, ist daher durchaus gewollt. Sie soll dem Bewerteten aufzeigen, worüber er sich womöglich bisher noch keine Gedanken gemacht hat.

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