Großprojekt in Mönchengladbach Stadt stoppt Pläne für neues Rathaus in Rheydt
Mönchengladbach · Ein moderner Neubau für die Stadtverwaltung am Marktplatz soll mehrere sanierungsbedürftige Standorte ersetzen. Doch steigende Zinsen und Baukosten schlagen sich nieder. Oberbürgermeister Felix Heinrichs zieht deshalb Konsequenzen. Wie es nun weitergeht.
Zu hören waren die Zweifel bereits seit Längerem, jetzt ist es Gewissheit, dass die Stadt ihr größtes Bauvorhaben auf Eis legt: Oberbürgermeister Felix Heinrichs stoppt die Pläne für den Bau eines neuen Rathauses in Rheydt. „Das ist bitter, aber finanziell bei der aktuellen Situation nicht zu verantworten“, sagte Heinrichs im Gespräch mit unserer Redaktion. Die Abschreibung auf 50 Jahre wäre zwar noch zu vertreten. Bei einem Zinssatz von vier Prozent müssten bei den nun konkret kalkulierten Kosten für das Großprojekt aber jährlich mehr als 20 Millionen Euro im städtischen Haushalt eingestellt werden.
„Vor dem Hintergrund der Kostenentwicklung des Projekts und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Haushalts wird die Planung bis zum Ende der Leistungsphase 3 fortgesetzt und dann trotz weiterhin vorhandener Wirtschaftlichkeit vorläufig beendet“, teilten Heinrichs, Planungsdezernent Gregor Bonin und Kämmerer Michael Heck gemeinsam allen Beschäftigten der Stadtverwaltung, den Projektpartnern sowie den Ratsfraktionen mit. Bis zum Sommer werden demnach noch die laufenden Verträge erfüllt und damit die detaillierte Kostenberechnung vervollständigt sowie die Ergebnisse der aktuell laufenden Probebohrungen der im neuen Rathaus vorgesehenen Geothermie vorgenommen. Danach wird das Projekt mit allen Berechnungen versehen und einer Empfehlung, es zu stoppen, der Politik zur Entscheidung vorgelegt.
Wie die Zahlen sind
Aktuell wird das nötige Kreditvolumen für den Neubau mit etwa 379 Millionen Euro veranschlagt. Das liegt weit über der zuletzt genannten Summe von 245 Millionen Euro. Auch die war bereits um 75 Millionen Euro höher als die Kostenschätzung zu Beginn der Planungen vor rund vier Jahren.Kostenpflichtiger Inhalt Die war mit 161 Millionen Euro beziffert worden. Dass es sich nur um eine Schätzung handelte, war stets betont worden. Die konkrete Berechnung der Wirtschaftlichkeit mit allen Aspekten sollte folgen, davon sollte abhängen, ob das Projekt umgesetzt wird oder nicht. Die nun ermittelte Summe liegt 235 Prozent über dem anfangs geschätzten Betrag.
Was der Knackpunkt ist
Dennoch wird der Neubau am Marktplatz in Rheydt, in dem ein großer Teil der Stadtverwaltung konzentriert werden sollte, Kostenpflichtiger Inhalt als wirtschaftlicher eingeschätzt, als in den aktuell 26 über die Stadt verteilten Standorten zu bleiben. Viele davon sind nämlich sanierungsbedürftig, beim Energieverbrauch wahre Kostenfresser und bezüglich der Arbeitsbedingungen nicht verantwortbar. Der Verbleib in den Außenstellen und deren Sanierung wurden von den Verantwortlichen im Rathaus als bis zu 122 Millionen Euro teurer bezeichnet als der – energetisch sparsame – Neubau.
Wie es weiter geht
Der nun von Heinrichs verhängte Stopp ist erst einmal ein Vorschlag, unterfüttert mit Zahlen. Ob das Projekt tatsächlich auf Eis gelegt oder gar endgültig verabschiedet wird, entscheiden die Politiker im Stadtrat. Vor dem Hauptausschuss am Donnerstag, 23. März, hatte Heinrichs die Spitzen der Fraktionen informiert. Nächste Woche wird eine entsprechende Vorlage in den Stadtrat eingebracht. Im September folgt die Endzusammenstellung und die Entscheidung, ob das Rathaus der Zukunft überhaupt noch eine Zukunft hat. „Jetzt ist der Zeitpunkt der Wahrheit gekommen“, betont Heinrichs. Denn der Haushaltsplan für 2024 wird vorbereitet und enthält auch die mittelfristige Planung für die Folgejahre. „Wir müssen entscheiden, ob 20 Millionen Euro für den Rathaus-Neubau eingestellt werden sollen oder nicht.“
Wie es begann
Der Rathaus-Neubau in Rheydt, intern „Rathaus der Zukunft“ genannt, war ein zentrales Vorhaben der Groko aus CDU und SPD, die von 2014 bis 2020 die Mehrheit im Stadtrat bildete, bevor sie von der Ampel aus SPD, Grünen und FDP abgelöst wurde. Seit 2016 laufen die Planungen für die Zentrierung der Stadtverwaltung. In Rheydt sollten dann 1500 städtische Beschäftigte arbeiten, rund 600 mehr als heute. Die zusätzliche Frequenz sollte auch die dort darbende Innenstadt stärken. Vorbild sollte das Rathaus in Venlo sein, das zeitgemäße Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten, einen modernen, weitgehend digitalen Bürgerservice anbietet und kaum Energie verbraucht.
Was geplant war
Aus einem mehrstufigen Wettbewerb ging als Sieger ein Entwurf des Düsseldorfer Architekturbüros SOP hervor, das in Mönchengladbach unter anderem bereits mit dem Borussia-Hotel und der Textilakademie architektonische Marken gesetzt hat. Vorgesehen ist dabei, das historische Rathaus und die Kommandatur zu erhalten, ansonsten vom Marktplatz bis zur Harmoniestraße einen verbindenden modernen Glasriegel zu ziehen und in drei Baufeldern, die Bereiche dahinter in Richtung Stresemannstraße neu zu bebauen beziehungsweise beim Karstadt-Komplex den Block zu entkernen und zu sanieren.
Die Folgen für die Stadtsparkasse
Das dritte Baufeld ist das an der Harmoniestraße mit der Filiale der Stadtsparkasse. Das Ensemble aus den 1950er Jahren sollte an die Stadt verkauft, abgerissen und mit einem bis an die Marktstraße reichenden Riegel neu bebaut werden. Die Stadtsparkasse wäre mit ihrer Filiale als Mieterin wieder eingezogen. Von diesem Areal aus sollte auch die geothermische Versorgung für das komplette neue Rathaus erfolgen. Da das Grundstück samt der Immobilie der Stadtsparkasse selbst gehört, könnte sie im Bestand sanieren und dort bleiben. Mit der Stadtverwaltung gibt es aktuell und vermutlich auch künftig eine zuverlässige Mieterin.
Was Alternativen sein können
Offen ist noch die Frage, wie und wo die Stadtverwaltung ihr Raumproblem löst, falls der Rathaus-Neubau in der bisherigen Dimension tatsächlich abgeblasen wird. Dass angesichts der maroden Zustände mancher Standorte dringender Handlungsbedarf besteht, ist ohne Zweifel. Da der geplante Rathaus-Neubau von einigen kritisch gesehen worden war, kursieren bereits viele Ideen: Das Rathaus solle ins Haus Westland einziehen, fordern manche, nachdem auch dessen seit langem geplanter Abriss Kostenpflichtiger Inhalt nun in der Schwebe hängt. Allerdings gehört das Gebäude nicht der Stadt, die Sanierung würde zudem vermutlich sehr teuer werden. Umgebaut werden müssten auch das seit Jahren leer stehende C&A-Gebäude in Rheydt oder Galeria Kostenpflichtiger Inhalt Kaufhof in Gladbach (falls die Filiale tatsächlich geschlossen wird). Auch diese Immobilien sind nicht in städtischem Besitz. Anders ist das beim Karstadt-Gebäude in Rheydt, das auf dem mittleren der drei Baufelder liegt: Das befindet sich im Besitz der Stadttochter EWMG, wäre also für Zwischen- oder dauerhafte Nutzung denkbar. Auch die Zentrale von Santander an der Aachener Straße in Gladbach wird immer wieder als potenzieller Standort für eine konzentrierte Stadtverwaltung genannt.
Was das für Rheydt bedeutet
Zieht das große Rathaus-Projekt nach Gladbach, wäre der Effekt zur Stärkung der Rheydter Innenstadt dahin. Über all das werde diskutiert, falls sich die Politik im September tatsächlich dafür entscheidet, sich vom „Rathaus der Zukunft“ zu verabschieden, sagt Heinrichs. Die Ziele, die damit verbunden seien, blieben aber weiterhin gültig: Stärkung von Rheydt, besser Bedingungen für die Beschäftigten und mehr Bürgerservice.