Kolumne Denkanstoß St. Martin als Vorbild für uns alle

Mönchengladbach · Das Martinsfest ist weit mehr als nur Brauchtum für Kinder, findet unsere Autorin. Not sehen und handeln, das tat der Heilige, und so machen es auch viele Menschen in unserer Stadt.

 Der Legende nach teilte Sankt Martin seinen Mantel mit einem armen Mann.

Der Legende nach teilte Sankt Martin seinen Mantel mit einem armen Mann.

Foto: dpa/Felix Kästle

Es war an einem kalten Wintertag vor zwei Jahren auf der Hauptstraße in Rheydt. Anneliese K. wollte vor dem Besuch auf dem Wochenmarkt noch ein paar weitere Besorgungen tätigen. Sie trug Handschuhe, ihren warmen Wollmantel und dazu den farblich passenden Schal. Ganz in Gedanken hatte sie ihren Blick auf das Straßenpflaster gerichtet. Vor ihr in Richtung Markt schlurfte ein älterer Mann in Lederschuhen mit recht abgetretenen Absätzen. Frau K. schaute hoch und sah, dass er bei diesem kalten windigen Wetter nur einen dünnen Trenchcoat trug, der auch schon bessere Tage gesehen hatte. Da gibt es tatsächlich Leute in unserer Stadt, die bei dem Wetter so dünn bekleidet draußen herumlaufen – kam es ihr in den Sinn, das darf doch eigentlich nicht sein.

Dieses scheinbar recht belanglose Erlebnis ließ sie nicht mehr los. Frau K. machte sich abends und die Tage danach Gedanken. Sie überlegte, ob und wie sie helfen könnte. Ein paar Tage später fand sie im Pfarrbrief einen Artikel über die Kleiderkammer. Neben Sachspenden wurden auch helfende Hände gesucht, Menschen, die bei der Ausgabe der Kleidung zur Hand gehen. Auch dieser kleine Zeitungsartikel ließ sie nicht mehr los; der Aufruf brachte ihr Gewissen in Bewegung. Sie ging zwar nicht so oft sonntags in die Kirche, aber sie würde sich dennoch als christlich bezeichnen. Und Christen beten nicht nur, sondern sie handeln auch. Und das tat Frau K.: Sie rief im Pfarrbüro an und meldete sich für einen unverbindlichen Helfernachmittag in der Kleiderstube. An dem Nachmittag kam nicht nur einer, der warme Kleidung suchte, es waren viele, die Frau K. dort begegneten. Aus dem unverbindlichen Nachmittag wurde ein regelmäßig ehrenamtliches Engagement im Rahmen ihrer Möglichkeiten.

In unserer Stadt sind viele Menschen, Männer und Frauen helfend tätig. Eines der großen Vorbilder zum Helfen, zum Teilen von dem, was man zu viel hat, ist der Heilige Martin, an den wir in diesen Tagen wieder erinnern. Man kann es als Brauchtum für Kinder abtun, es wird am Feuer die Erzählung der Mantelteilung gespielt. Martin aber war römischer Soldat, und es war für ihn nicht ganz ungefährlich, seinen Soldatenmantel zu teilen; die Legende sagt, dass er dennoch keinen Moment zögerte. Er fragte nicht, ob sein Handeln nachhaltig ist, ob der Bettler dadurch aus seiner aktuellen Lebenssituation heraus kommen kann, was an Armutsstrukturen geändert wird usw. Er hat die Not dieses einzelnen Menschen gesehen und not-wendend gehandelt. Not sehen und handeln, so sagt es auch das Motto der Caritas, so machen es viele Menschen in unserer Stadt, die einfach da sind und helfen nach ihren Möglichkeiten. Das ist beeindruckend und sollte immer wertgeschätzt werden.

Ulrike Wellens ist Pastoralreferentin im Regionalteam der katholischen Region Mönchengladbach.

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