Elektroautos Mobilität unter Strom

Mönchengladbach · Erst 86 Elektrofahrzeuge gibt es in Mönchengladbach, doch das wird sich in wenigen Jahren ändern. Der Masterplan Elektromobilität soll die Stadt darauf vorbereiten. Den Beginn macht die NEW noch im Sommer mit Carsharing für alle.

 Ein Elektroauto und ein E-Fahrrad der NEW mit (v.l.) Jörg Lachmann, Karsten Meier (beide NEW), Carsten Knoch (Mobilitätsbeauftragter), Jan Herting (WFMG), Caprice Mathar (Mobilitätsmanagement Stadt) und Rafael Lendzion (WFMG).

Ein Elektroauto und ein E-Fahrrad der NEW mit (v.l.) Jörg Lachmann, Karsten Meier (beide NEW), Carsten Knoch (Mobilitätsbeauftragter), Jan Herting (WFMG), Caprice Mathar (Mobilitätsmanagement Stadt) und Rafael Lendzion (WFMG).

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Die Zahl ist durchaus beeindruckend, und sie belegt, dass Mönchengladbacher eine Stadt der Autofahrer ist: 135.634 Fahrzeuge gibt es in Mönchengladbach. So viele Autos waren nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes zum Stichtag 1. Januar 2018 in der Stadt zugelassen. Also hat statistisch gesehen jeder zweite Einwohner ein eigenes Fahrzeug zur Verfügung. Es gibt in dieser Aufstellung aber noch eine zweite Zahl, die im Grunde noch interessanter ist: Sie lautet 86. Und sie gibt die Zahl der Fahrzeuge mit Elektroantrieb an. 86 Elektroautos. Bei 135.634 Fahrzeugen insgesamt. Im Vergleich dazu fahren immer noch fast doppelt so viele Dieselautos durch die Stadt, die gerade einmal die Euronorm 1 erfüllen – die dreckigsten aller Fahrzeuge.

Spätestens nach dem Genuss dieser Zahlen könnte man es für eine gute Idee halten, dass die Stadt gerade einen Masterplan Elektromobilität aufstellt. Dem schloss sich auch die Bundesregierung an und überweist der Stadt ohne viel Aufhebens das Geld, das für diesen Plan nötig ist. Bis August soll der Plan fertig sein und darlegen, was die Stadt tun kann, um attraktiver für Fahrzeuge mit Elektroantrieb zu werden. „Deutschland ist Entwicklungsland, was den Elektroantrieb und die damit verbundene Ladeinfrastruktur angeht“, sagte Volker Gillessen vom Planungsbüro EcoLibro, das den Plan zusammen mit Partner erarbeitet. Und er fügte an: „Mönchengladbach steht in Deutschland auch nicht in der ersten Reihe.“ Zieht man nämlich von den 86 E-Autos in der Stadt die ab, die im Fuhrpark der NEW in Betrieb sind, dann bleiben gar nicht mehr so viele übrig. Selbst in der Stadtverwaltung gibt es bisher genau ein Elektroauto: das des Oberbürgermeisters Hans Wilhelm Reiners.

Gillessen war auf Einladung der Wirtschaftsförderung und der NEW einer der Experten, die sich mit Unternehmen aus der Stadt im Blauhaus zu einem Workshop trafen. Ein wesentlicher Kernpunkt des Masterplans Elektromobilität ist (neben Digitalisierung des Verkehrs, vernetzte Mobilität, Verkehrsmanagement und Logistik) die Elektrifizierung des Verkehrs selbst. Gillessen glaubt, dass spätestens 2020/21 eine Vielzahl von E-Autos auf den Markt kommen wird: „Die Automobilindustrie hat den Paradigmenwechsel eingeleitet.“

Die NEW betreibt in ihrem Fuhrpark 18 Fahrzeuge, die fürs Carsharing eingesetzt werden. Davon sind zehn reine Elektroautos, zwei Hybrid-Fahzeuge, ein Erdgasauto und vier konventionelle. jDie Fahrzeuge sind in Viersen und Erkelenz stationiert, der Rest in Mönchengladbach an den Standorten Odenkirchener Straße, am Blauhaus und an der Voltastraße. Bisher ist das Carsharing in der Pilotphase nur nutzbar von NEW-Mitarbeitern und Angestellten und Studenten der Hochschule Niederrhein. Das soll sich jetzt ändern. „Wir werden das Carsharing im Laufe des Sommers für jeden Bürger öffnen“, sagt Tafil Pufja, Leiter Vorstandskoordination der NEW. „Wir haben in den zwei Jahren Pilotphase sehr gute Erfahrungen gemacht. Und Sharing ist ein wachsender Markt.“ Nutzer müssen sich dafür registrieren, erhalten eine Karte, und schalten damit eines der Fahrzeuge frei. „Wir liegen bei über 1000 Buchungen und mehr als 100.000 gefahrenen Kilometern. Die Steigerungsrate pro Monat liegt bei drei Prozent“, sagt Pufja. 20 Prozent der Laufleistung kam über die Hochschule zustande, die ja nur ab 16 Uhr Zugriff auf die Fahrzeuge hat. „Unser Ziel ist, weitere eigene Carsharing-Stützpunkte aufzubauen und die konventionellen Fahrzeuge durch E-Fahrzeuge auszutauschen“, sagt Pufja.

Das Problem ist allerdings, dass viele Autos Stand heute gar nicht in der Stadt Strom tanken können. Denn es gibt so gut wie gar keine öffentlichen Ladesäulen. Die Seite „Chargemap.com“ verzeichnet für die gesamte Stadt gerade einmal acht öffentliche Ladestationen. „Wir stimmen im Moment mit der Stadt ab, wo wir weitere öffentliche Ladesäulen einrichten können“, sagte Karsten Meier, bei der NEW konzernweit zuständig für Elektromobilität, bei dem Workshop. Die Zielgröße für Mönchengladbach wären fürs erste etwa 40 Ladesäulen, die rund um die Uhr zugänglich sind. Im gesamten Netzgebiet, zu dem ja auch etwa Viersen, die Region Heinsberg und Teile des Rhein-Kreises Neuss gehören, seien 130 Ladesäulen geplant.

Aber wie viele Ladeeinrichtungen und wo genau braucht Mönchengladbach eigentlich? Genau das legt unter anderem der Masterplan Elektromobilität fest. Es geht nicht um eine lückenlose Ladeinfrastruktur, die im Grunde auch gar nicht in absehbarer Zeit realistisch ist. Sondern um eine bedarfsorientierte Infrastruktur. „Wir analysieren jetzt: Wo wohnen die Menschen? Wo parken sie? Wie viele Autos gibt es eigentlich pro Straßenzug?“, erklärt Gillessen. Diese Daten liegen schließlich vor. „Auf dieser Grundlage und mit Gewerbedaten, Pendlerströmen und sozialdemographischen Analysen der Milieus können wir genau kartieren: Wo werden künftig wie viele Ladeplätze gebraucht?“

Auch das Reichweiten-Problem von E-Fahrzeugen ist inzwischen keines mehr. Die Batterien werden leichter, besser, und billiger. Gillessen rechnet vor: Bei 14.000 Kilometer Laufleistung im Jahr, bei einer reichweite von 400 Kilometern pro Ladung, da bräuchte ein E-Fahrzeug nur einmal in der Woche betankt zu werden. Am besten natürlich zu Hause oder am Arbeitsplatz. Aber längst nicht alle Fahrzeuge haben eine eigene Garage. Deshalb sind halböffentliche Ladeplätze, also Parkhäuser und Parkplätze beispielsweise von Supermärkten, besonders interessant. Warum sollen Supermärkte ihre Stellplätze nicht nachts vermieten als Stromtankstelle und damit Geld verdienen? „Charging-Plazas“, nennt Gillessen dieses Modell, sie sind in Innenstädten eine denkbare Lösung. Dafür sei autonomes Fahren bei E-Autos besonders interessant: Das Auto wird normal am Straßenrand geparkt, fährt irgendwann nach Mitternacht, wenn die Netzbelastung nicht so groß ist, zur nächsten Ladesäule und tankt auf. Das ist keine Zukunftsvision, wie Volker Gillessen den Unternehmern verdeutlicht: „Ihre Rasenmäher-Roboter machen genau das heute schon.“

(angr)
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