Unterricht in Zeiten von Corona Reden, Tippen, Hausaufgaben hochladen

Mönchengladbach · Die Schulklassen sind leer, der Unterricht muss weitergehen. Unser Redakteur hat sich in den Online-Unterricht des Gymnasiums am Geroweiher eingeloggt. Dort standen Prozentrechnung und exponentielles Wachstum auf dem Plan.

 Lehrer Felix Nattermann an seinem heimischen Arbeitsplatz. Von hier aus unterrichtet er derzeit seine Schüler. Per Video-Chat und mit einer digitalen Pinnwand.

Lehrer Felix Nattermann an seinem heimischen Arbeitsplatz. Von hier aus unterrichtet er derzeit seine Schüler. Per Video-Chat und mit einer digitalen Pinnwand.

Foto: Ilgner,Detlef (ilg)/Ilgner Detlef (ilg)

Es geht los wie scheinbar immer. „Einer fehlt, einer ist entschuldigt. Wo ist Nele?“, fragt Lehrer Felix Nattermann seine Schüler. Die Klasse 7d des Gymnasiums am Geroweiher hat die letzte Stunde Mathe vor den  Osterferien. Doch statt im Klassenzimmer versammeln sich die Schüler im Chat-Programm Discord. Die Corona-Krise hat die Schulen erfinderisch werden lassen.

Die Unterrichtseinheit geht 90 Minuten, von 9 Uhr bis 10.30 Uhr. Am Anfang werden die Hausaufgaben besprochen, ganz wie gewohnt. Die Schüler, die das Programm auf ihrem Handy laufen haben, fotografieren in wenigen Sekunden ihre handschriftlichen Hausaufgaben ab und laden sie in den Chat-Verlauf. Die Schüler mussten verschiedene prozentuale Wachstumsraten berechnen. Als praktisches Beispiel hielt die Ausbreitung des Coronavirus her.

Im Textfenster kann jeder Schüler  die Lösungen der anderen sehen. Jeder kann schriftlich seine Einschätzung abgeben. Als es um das korrekte Versetzen des Kommas entlang der Nullstellen geht, entbrennt kurz eine heiße Diskussion. Das ist der Vorteil am Textfenster. Jeder kann gleichzeitig etwas tippen, ohne seinen Mitschülern dabei ins Wort zu fallen. Was aber nicht heißt, dass nicht gesprochen wird. Felix Nattermann nimmt der Reihe nach Schüler dran, die ihre Lösungen vorstellen. Er verbessert, wenn nötig – erklärt für die ganze Klasse, wenn etwas unklar ist. Die Schüler haben sich an das parallele Schreiben, Zuhören und Reden gewöhnt.

Nach etwa der Hälfte der Doppelstunde verteilen sich die Schüler in separate Chat-Räume, um den Fortschritt ihrer Arbeitsgruppen abzugleichen. Sie besprechen dort auch, welche Aufgaben sie sich für die nächste Woche vornehmen. Auf einer digitalen Pinwand namens EduScrub können sie gelbe Klebezettel mit Themen anbringen und verschieben. Diese Pinnwand ist nicht teil des Chat-Programms, aber eine praktische Ergänzung, um den Überblick zu behalten.

Gefragt, wie effizent der Unterricht fernab der Klasse sei, sagt Nattermann: „Ich würde sagen, der Online-Unterricht erreicht etwa 95 Prozent.“ Es funktioniere gut genug, dass es auch nach den Osterferien noch ein Weilchen so weitergehn könne. Die Schüler sehen das interessanterweise leicht anders. Sie attestierem dem Online-Unterricht nur 75 Prozent. „Es ist leichter, einem Mitschüler etwas zu erklären, wenn man in der Klasse ist“, sagt etwa Nele, die eine der Arbeitsgruppen in einem separaten Chat-Fenster leitet. Ein anderer Schüler merkt an, dass es etwas anderes sei, jeweils die Hälfte der Aufgaben in der Schule und zu Hause zu machen. Jetzt sei die ganze Aufgabenlast zu Hause.

Um das Problem mit den Nachkommastellen besser erklären zu können, greift Nattermann auf eine weitere Funktion des Chat-Programms zurück. Er lässt die Schüler sehen, was er auf seinem Bildschirm sieht. Dadurch kann er mit einem digitalen Stift auf einem Grafik-Tablet die Rechnung aufschreiben, die Zahlen erscheinen auf dem Bildschirm. Parallel dazu erklärt er die einzelnen Rechenschritte. Ganz so, als würde er es an der Tafel vorrechnen.

Auch wenn nicht alle Lehrer auf diese Weise unterrichten, die Hauptfächer der Klasse 7d sind abgedeckt. Jedes Fach hat einen eigenen Kanal im Chat-Programm. So kommen die hochgeladenen Hausaufgaben und Beiträge der Schüler nicht durcheinander. Für Arbeits- und Lerngruppen stehen ebenfalls mehrere virtuelle Räume parat.

 Online-Unterricht mit Felix Nattermann vom Gymnasium am Geroweiher in Mönchengladbach: Im Chatprogramm Discord rechnet Nattermann seinen Schülern eine Aufgabe vor.

Online-Unterricht mit Felix Nattermann vom Gymnasium am Geroweiher in Mönchengladbach: Im Chatprogramm Discord rechnet Nattermann seinen Schülern eine Aufgabe vor.

Foto: Screenshot/Discord

Nach der Mathestunde steht eine kurze Pause an, dann übernimmt der Chemielehrer. Denn auch Experimente sind mit etwas Einfallsreichtum zu Hause möglich. „Zuletzt hatten wir die Aufgabe, zwei Cola Dosen – eine light, eine normal – in einen Eimer mit Wasser zu stellen“, erklärt Marius unserem Redakteur. Es galt, zu beobachten, welche der beiden Dosen schwimmt und welche untergeht. Die Ergebnisse wurden dann im Online-Unterricht besprochen. Im Anschluss daran lernten die Schüler, die Dichte der Cola zu berechnen und wieso die Dose mit der normalen Cola untergeht.

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