Crashkurs „Im Grunde war mein Leben zu Ende“

Mönchengladbach · Mark Pesch hat vor 14 Jahren bei einem Unfall ein Bein verloren. Nun erzählt er jungen Menschen im „Crashkurs“ von seinen Erfahrungen.

 Bei der Präventionsveranstaltung zeigt die Polizei den Zehntklässlern auch drastische Bilder von Unfällen und sogar Leichen.

Bei der Präventionsveranstaltung zeigt die Polizei den Zehntklässlern auch drastische Bilder von Unfällen und sogar Leichen.

Foto: Jens Büttner/dpa

Etwa 120 Zehntklässler der Realschule an der Niers waren zu einer hoch emotionalen Veranstaltung ins Polizeipräsidium eingeladen. Der landesweit bekannte „Crashkurs“ sorgte bei den Schülern für Bestürzung, Erstaunen und den einen oder anderen geschockten Blick. Ein Team aus Notarzt, Notfallseelsorgern, Polizisten und einem Unfallopfer berichtete von Erfahrungen aus dem Unfallgeschehen. Mark Pesch hat im Jahr 2004 bei einem tragischen Unglück ein Bein verloren. Der frühere Hobby-Fußballspieler sprach davon, wie sich sein Leben von einem Tag auf den anderen änderte. Selbst die ersten Schritte seines Sohnes habe er nicht miterleben können, er lag im Koma. Jetzt ruft er junge Menschen zu Achtsamkeit auf.

„Verkehrsunfälle passieren nicht einfach so, sie werden verursacht“, leitete Polizist Bernhard Cremer ein. Häufige Gründe: Alkohol, Unachtsamkeit, Übermut. Auch in der Region seien Unfälle ein „Riesenproblem“. Alleine 2017 habe es 9882 Verkehrsunfälle gegeben, von denen sechs tödlich endeten. Bleibende Schäden haben 203 Verkehrsteilnehmer davongetragen. Diese enormen Ausmaße seien „nicht hinnehmbar“, sagte Cremer: „Jeder Verletzte ist einer zu viel. Besonders in eurer Altersklasse.“

Um das zu untermalen, zeigte das Team einen Kurzfilm. Vollständig zerstörte Fahrzeuge, verunstaltete Unfallopfer und tragische Szenen, die in Mönchengladbach in den letzten Jahren passiert waren, blieben den Schülern nicht erspart. Nach dem Film war es still im Raum - kein Schüler oder Lehrer sagte ein Wort, bis Polizist Stefan Huppertz die Ruhe brach. Er erzählte von einem Unfall, bei dem eine Beifahrerin nach einer Kollision mit einem Baum lebenslang auf einen Rollstuhl angewiesen ist - weil ihr Partner zu schnell gefahren war. „Da spielen sich grauenhafte Szenen ab“, sagte er. Es habe psychologische Gründe, warum häufig Beifahrer die schwereren Verletzungen davontragen: Die Fahrer schützten sich durch natürliche Instinkte selbst - auch auf Kosten anderer Menschen.

Wenn der Ernstfall eintritt, treffen Rettungskräfte innerhalb kürzester Zeit am Einsatzort ein. Oft ist Ulrich Meihsner, Notfall- und Krankenhausseelsorger, mit dabei. Meihsner ist vor allem für die Unterstützung der Rettungskräfte vor Ort zuständig – Überreste eines Menschen nach einem Unfall „in den Gulli zu spülen“ sei emotional hoch aufwühlend, sagte er.

Das findet auch Notarzt Daniel Crnkovic, der aus Erfahrung spricht. Oft werde unterschätzt, wie schwierig der Transport von Verletzten in Krankenhäuser sei – obwohl nach der Faustregel 60 Minuten Zeit dafür blieben. „Das hört sich erst mal viel an“, sagte er. Der Schein trüge jedoch: Selbst Hubschrauber würden bei Regen und Dunkelheit nicht immer fliegen.

Doch trotz aller Schwierigkeiten gelingt es immer wieder, Schwerverletzte ins Leben zurückzuholen. So war es auch bei Mark Pesch. Der zweifache Vater erinnert sich noch gut an den 4. April 2004, als er einen schweren Unfall miterleben musste. Nach einem langen Arbeitstag sei er bei 140 km/h auf der Autobahn eingeschlafen - und ohne Gurt von der Fahrbahn abgekommen. „Im Grunde genommen war mein Leben zu Ende“, sagte er. Seine Beine seien „zerbrochen wie Streichhölzer“ und eine ganze Reihe innerer Verletzungen nicht ausgeblieben, als er mit seinem Wagen auf dem Feld aufgeschlagen war. Doch ein Schutzengel schien ihn begleitet zu haben.

 Mark Pesch (vorne) hat 2004 bei einem Unfall ein Bein verloren. Nun sensibilisiert er mit Rettungskräften Fahranfänger für Gefahren.

Mark Pesch (vorne) hat 2004 bei einem Unfall ein Bein verloren. Nun sensibilisiert er mit Rettungskräften Fahranfänger für Gefahren.

Foto: Luca Samlidis

Trotz schwerster Verletzungen habe er „selbstständig den Notruf abgesetzt“ und im Anschluss noch seine Frau und seinen Bruder angerufen. Während die Polizei zwei Mal am Unglücksort vorbeigefahren war, habe sein Bruder ihn telefonisch am Leben gehalten. Nach Hause kam er erst nach acht Wochen, die er im Koma gelegen habe. „Ich habe alles mitbekommen“, sagte er: „Sogar die Amputation.“ Arbeiten kann er nicht mehr, er ist mittlerweile Rentner. Auto darf er wieder fahren, und er nutzt den Crashkurs dafür, jungen Menschen Achtsamkeit ans Herz zu legen. Robin Siewert (17), Schülersprecher der Realschule, war zufrieden mit der Veranstaltung: „Durch diesen Crashkurs wird mehr über das Thema gesprochen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort