Serie Was macht eigentlich? Bomben, Wiederaufbau und noch mal ein Neubeginn mit 54 Jahren

Ortsmarke · Als Neunjähriger kam Rolf Heilmann nach Sachsen-Anhalt, seine Heimatstadt Rheydt wurde evakuiert. Nach Kriegsende kehrte er zurück und erlebte den Wiederaufbau mit.

 Rolf Heilmann als kleines Kind.

Rolf Heilmann als kleines Kind.

Foto: RH

Bombennächte, Fliegeralarm, brennende Straßen und Häuser: Margarete Heilmann ist unendlich viele Nächte mit den fünf Kindern von ihrem Haus zum Bunker an der Hüttenstraße gerannt. Im Oktober 1944 nach einem großen Bombenangriff auf Rheydt fanden sie ihr Haus brennend und zerstört wieder. „Nicht viel später wurden wir nach Sachsen-Anhalt evakuiert, landeten dort in Oschersleben“, erzählt Rolf Heilmann, damals neun Jahre alt. Am 8. April 1945 wurde das 25 Kilometer entfernte Halberstadt von Bomben zu Dreiviertel zerstört. Es gab 3000 Tote. Einen Monat später war der Zweite Weltkrieg vorbei. „Zuerst kamen die Amerikaner, dann die Engländer und schließlich die Russen“, erzählt Rolf Heilmann. „Wir haben immer wieder versucht, über die Grenze zu kommen, sind aber immer wieder gestoppt worden. Im Herbst 1945 wurden wir schließlich in einem großen Treck mit offenen Eisenbahn-Waggons in Richtung Heimat gebracht – in die fast völlig zerstörte Rheydter Innenstadt.“

Der Wiederaufbau begann, Großvater Ernst Heilmann baute seinen Kohlenhandel an der Römerstraße (gegründet 1901) wieder auf. Dort stieg Rolf 1965 nach seiner Schlosser-Lehre in der Textilmaschinen-Fabrik Jennes ein. Nach der Arbeit ging er abends zur Volkshochschule, schloss den Kurs „Kaufmännisches Grundwissen“ mit der Prüfung bei der Industrie- und Handelskammer erfolgreich ab. Nach dem Tod des Großvaters übernahm er 1965 das Geschäft, erweiterte es später zum „Kohlenhandel und Transport Heilmann“ und verkaufte es 1989 an die Ruhrkohle AG: „Als kleiner Kohlenhändler hatte man gegen die Großen einfach keine Chance mehr.“

Mit 54 Jahren begann er so noch einmal neu: kaufmännischer Angestellter in der Bau- und Liegenschaftsverwaltung der evangelischen Kirchengemeinde Rheydt, der größten Gemeinde der Rheinischen Landeskirche. Rolf Deußen, ein Freund aus Handballertagen beim RTV, brauchte einen Mann, der anpacken und vieles erledigen konnte, kaufmännisch wie praktisch. Ein Job, der Rolf Heilmann wie auf den Leib geschneidert ist. Bis zur Rente im Jahr 2000 blieb er dort. Und hat nun seit 19 Jahren viel Zeit und Lust für den Rheydter Turnverein, sein Haus an der Schlossstraße mit großem Garten, wo immer etwas zu tun ist.

Nicht erst als Rentner nahm er sich Zeit für viele Unternehmungen, ob am Niederrhein oder in der Ferne: „Meine Frau Brigitte und ich haben auf Radtouren fast ganz Deutschland erforscht, heute sind die Fahrten natürlich kürzer.“ Es ging in die Berge nach Österreich oder Südtirol, mit dem Rucksack von Hütte zu Hütte. Für ihn stand Jahr für Jahr mindestens ein großer Gipfel auf dem Plan: „Immer etwas Neues machen, Herausforderungen suchen, statt in Trott zu verfallen.“ Nicht nur reden, sondern anpacken: Das hat Rolf Heilmann nicht verlernt, will es tun, solange er gesund ist.

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