Elektronikhandel Gottschalk Von Fernsehern und königlichen Truhen

Mönchengladbach · Die ersten Radios, die über die Ladentheke gingen, hat Erwin Gottschalk 1946 noch selbst gebaut. Mehr als 70 Jahre war das Elektronikgeschäft in Familienhand. Nun haben es die Söhne Joachim und Rudolf Gottschalk weitergegeben.

 Bei so vielen Fernsehgeräten und Radios platze der Anfang der 1950er Jahre eröffnete Gottschalk-Laden an der Hauptstraße nach einigen Jahren aus allen Nähten.

Bei so vielen Fernsehgeräten und Radios platze der Anfang der 1950er Jahre eröffnete Gottschalk-Laden an der Hauptstraße nach einigen Jahren aus allen Nähten.

Foto: Gottschalk Electronic

Ob die Geschichte hundertprozentig stimmt, weiß Joachim Gottschalk nicht. Aber selbst wenn es in den Bereich einer Legende gehört, wie sein Vater Erwin unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg an die ersten Röhren für den Bau von Radios gelangt ist – die Geschichte ist zu schön, um verschwiegen zu werden. Denn sie besagt, dass Erwin Gottschalk, der im Krieg als Funker in Flugzeugen gedient hatte, nach Nürnberg zu Max Grundig gefahren ist und dort Röhren erhalten hat. Im Tausch gegen Schuhe, die Joachims Mutter Erika Gottschalk als Naturallohn in einer Schuhfabrik verdient hatte.

Wie auch immer es war: 1946 hat Erwin Gottschalk einen Laden an der Odenkirchener Straße gegenüber der Post eröffnet. Ein kleiner Flachbau mit einem Schaufenster und den schlichten Schriftzügen „Gottschalk“, „Radio“ und „Elektro“ auf der Putzfassade. Nachkriegsambiente in Zeiten der Knappheit und Not – und kein Vergleich zu dem großflächigen Geschäft an der Limitenstraße, das Joachim Gottschalk (70) und sein Bruder Rudolf (65) kürzlich an Björn Schmitz und die vom Elektrogroßhändler unterstützte Elektro TV Schmitz GmbH übergeben haben.

 Mehr als 70 Jahre als Fachgeschäft in Rheydt verwurzelt, da ist es kein Wunder, dass der Name Gottschalk nicht völlig verschwindet. In dem Slogan „Wir lieben Technik – Gottschalk & Schmitz“ prangt er weiter an der Fassade. Die ist nicht weit entfernt vom 1946er Stammhaus, das aber schon bald zu klein wurde. Anfang der 1950er Jahre zog das Unternehmen an die Hauptstraße, gleich gegenüber dem Marktplatz. In dem schon wesentlich größeren Schaufenster konnten Passanten im Laufe der Zeit die Produkte des Wirtschaftswunders und den Fortschritt der Unterhaltungselektronik begutachten. „Bei Radios standen vorne die Namen von Städten, aus den gesendet wurde“, sagt Joachim Gottschalk, „und das hatte eine magische Aura.“ Die weite, in den Nachkriegsjahren vielen noch verschlossene Welt holten dann in den Fünfzigern die Fernsehgeräte in die immer schicker möblierten Wohnzimmer. Klar, dass auch Gottschalk die neuen Wunderkisten anbot. Das dokumentiert ein altes Schwarz-Weiß-Foto, das ein gutes Dutzend TV-Oldtimer und ein stattliches Sortiment von Radios im Schaufenster an der Hauptstraße zeigt. Klar, dass nun „Gottschalk Fernsehen“ über der Ladenfront stand, und zwar abends in Leuchtschrift.

 So machte Erwin Gottschalk Werbung für seinen ersten Laden.

So machte Erwin Gottschalk Werbung für seinen ersten Laden.

Foto: Gottschalk Electronic

Musiktruhen, Tonbandgeräte, Schallplatten, Hifi-Anlage, Flachbild-TV – Joachim und Rudolf Gottschalk haben die gesamte Entwicklung der Unterhaltungselektronik mitgemacht. Beide haben ihr Abitur am Hugo-Junkers-Gymnasium gemacht und schon während der Schulzeit gelegentlich im Laden ausgeholfen. An Musiktruhen mit so klangvollen Namen wie „Die Königin von Saba“ können sie sich ebenso erinnern, wie an den Schallplattenhandel in den 1960er und 70er Jahren. „Wir hatten in Rheydt die erste Schallplattenbar“, erzählt Joachim Gottschalk. Im vorderen Ladenbereich gab es ein Theke, an denen sich Kunden eine Scheibe auflegen lassen und ihr mit einem Hörer am Ohr lauschen konnten. Für anspruchsvollere Klassikliebhaber gab es hinten im Laden eine schallisolierte Kabine für den entspannten oder konzentrierten Hörgenuss auf einem Ledersofa.

Für die jungen Gottschalk-Brüder war die große Plattenabteilung natürlich auch interessant. „Ich habe mir die Platten mit dem Woodstock-Konzert für Zuhause auf Tonband überspielt“, erinnert sich Joachim Gottschalk. Seinem Bruder Rudolf sind auch Live-Darbietungen von Kunden im Laden in Erinnerung geblieben, die mithin von eindrücklicher Qualität gewesen sein müssen: „Manchmal kamen Leute in den Laden und wollten ein Stück, dessen Titel sie aber nicht kannten. Dann fingen sie an, die Melodie zu summen oder zu singen.“ Als Vater Erwin mit nur 49 Jahren starb, war es für die Gebrüder Gottschalk klar, dass sie ihre Mutter ab Mitte der 1970er Jahre beim Führen des Geschäfts unterstützen würden.

 Björn Schmitz (links) führt nun das Geschäft, in dem früher Joachim Gottschalk (Mitte) und Rudolf Gottschalk (rechts) das Sagen hatten.

Björn Schmitz (links) führt nun das Geschäft, in dem früher Joachim Gottschalk (Mitte) und Rudolf Gottschalk (rechts) das Sagen hatten.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Das bestand für einige Jahre sogar an zwei Standorten, dem langsam aus allen Nähten platzenden an der Hauptstraße und einem neuen an der Limitenstraße, an dem schließlich das gesamte, inzwischen um Haushaltsgeräte erweiterte Geschäft gebündelt wurde.

„Der Handel der Sechziger und Siebziger Jahre war der klassische Facheinzelhandel“, sagt Rudolf Gottschalk. „Wir haben immer großen Wert auf Beratung und Service gelegt. Wir sind zu den Leuten nach Hause gefahren, haben Geräte aufgestellt.“ Für Reparaturen gab es eine hauseigene Werkstatt. Diese Strategie und zumindest anfangs auch noch exklusive Vertriebsmöglichkeit für Fabrikate bestimmter Marken halfen auch, neben den immer stärker werdenden Handelsketten der Branche und später auch gegen den Online-Handel zu bestehen.

Und dieses Konzept will auch der neue Geschäftsführer Björn Schmitz weiterverfolgen. Er ist seit 30 Jahren in der Branche und hat lange ein Elektronik-Fachgeschäft in Viersen geführt. Seine Erfahrung nach den ersten Wochen in Rheydt: „Hierhin kommen viele Kunden, die das gesamte Paket von der Kaufberatung bis zur Nachsorge haben wollen.“ Dazu gehört auch, dass es weiterhin eine eigene Werkstatt gibt. Die schaut sich bei Bedarf aber nicht nur die moderne Gerätschaft an. Auch notleidende historische Musiktruhen wie „Die Königin von Saba“ haben dort vielleicht noch eine Chance auf Heilung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort