Führung durch Rheydt Auf den Spuren der Rheydter Stadtgeschichte

Mönchengladbach · Die Stadttour durch Rheydt soll 90 Minuten dauern – es werden 135. Stadtführer Hans-Peter Steffens hat einfach viel zu erzählen.

 Hauptkirche frontal am Markt Rheydt Marktplatz

Hauptkirche frontal am Markt Rheydt Marktplatz

Foto: Nina Jedrychowski

„Ich bin gespannt, was ich in 90 Minuten alles Neues über Rheydt erfahre“, sagt Mona Ziems zu Beginn der Stadttour „Rundgang durch Rheydt“. Elf interessierte Teilnehmer begleiten Stadtführer Hans-Peter Steffens durch Mönchengladbachs Stadtteil Rheydt.

Los geht es um 15.30 Uhr am Rheydter Marktplatz. „Die Gladbacher bekamen das Minto, die Rheydter den Marktplatz – so gleicht sich das aus“, sagt Steffens zu Beginn. Gestartet wird der Rundgang mit der Geschichte über die Trennungen und Vereinigungen der zwei Stadtteile Mönchengladbachs. „1929 war die erste Zusammenführung von Rheydt und Gladbach. Den zweiten Versuch startete man 1975. Daran arbeiten wir heute noch“, sagt Hans-Peter Steffens lachend.

Darauf folgt eine Schilderung zur Entstehung des Marktplatzes, der im 10. Jahrhundert seinen Ursprung hat. „Zunächst stand hier ein Kloster auf dem Platz, das zur Zeit von Napoleon geschlossen wurde“, sagt der Stadtführer. Dann spricht Hans-Peter Steffens über die Geschichte des Rathauses: „Alle bedeutenden Gebäude – wie der Wasserturm, die Kaiser-Friedrich-Halle und das Rheydter Rathaus – sind um 1900 entstanden.“ Was ehemals die alte Scheune des damaligen Klosters war, wurde 1897 zum neuen Rathaus der dörflichen Stadt. „Während Gladbach immer als städtisch galt, war Rheydt der dörfliche Teil Mönchengladbachs. Doch seit 1968 gilt Rheydt offiziell mit mehr als 100.000 Einwohnern als Großstadt“, sagt Steffens. Über den Übergang zwischen dem heutigen Karstadt-Gebäude und dem Rathaus sagt Steffens kurz: „Wie die Rheydter so schön sagen, war der schon immer da.“

 Unter dem Rathaus befindet sich der Rheydter Ratskeller.

Unter dem Rathaus befindet sich der Rheydter Ratskeller.

Foto: Nina Jedrychowski

Ähnlich beschreibt Steffens die alljährliche Rheydter Kirmes: „1837 fand der erste Jahrmarkt in Rheydt statt. Aus heutiger Sicht die Gründungsveranstaltung der Rheydter Kirmes – das war also auch schon immer so.“ Historisch geht es mit der Architektur des Rathauses weiter. Das Gebäude mit dem 56 Meter hohem Turm weist in seiner Bauart sowohl Merkmale aus der Gotik als auch aus der Renaissance auf. Das alljährliche Turmfest in Rheydt findet seinen Ursprung 1977, als die im Zweiten Weltkrieg zerstörte die Kuppel wieder aufgesetzt wurde.

Doch nicht nur der Turm des Rathauses kommt bei der Stadtführung zur Sprache, auch auf das Rheydter Wappen und die zwei Statuen, die die Fassade des Gebäudes schmücken, bringt Steffens zur Sprache. „Die linke Figur symbolisiert die Stadtverwaltung, und die rechte steht für das Bürgerturm. Sie zeigen, dass Stadt und Bürger nicht gegeneinander, sondern miteinander arbeiten“, sagt Hans-Peter Steffens.

 Als das Alte Postamt in Rheydt errichtet wurde, gab es gerade einmal 50 Telefonanschlüsse in Rheydt. Das Gebäude ist ein Muss bei jeder Stadtführung.

Als das Alte Postamt in Rheydt errichtet wurde, gab es gerade einmal 50 Telefonanschlüsse in Rheydt. Das Gebäude ist ein Muss bei jeder Stadtführung.

Foto: Nina Jedrychowski

Zuletzt kommt er auf die evangelische Hauptkirche zu sprechen, die 1902 eingeweiht wurde. „Der Turm der Kirche musste stets höher sein als der Turm des Rathauses, er ragt nun 72 Meter in die Höhe“, sagt Steffens. Rund 1200 Menschen passen in die Kirche, und wegen ihrer besonderen Akustik ist es möglich, die Redner in der Kirche auch ohne Mikrophon zu verstehen.

Weiter geht die Rheydter Stadttour über die Brucknerallee Richtung Hugo-Junkers-Gymnasium und Maria-Lenssen-Kolleg. Auf dem Weg in Richtung Fischerturm, den der ehemalige Stadtbaumeister Walter Fischer errichten ließ, macht Steffens die Stadttour-Teilnehmer auf die Junkers-Villa aufmerksam. „Die Brucknerallee ist mit den Ulmen und Kastanien am Straßenrand einer der schönsten Straßen Rheydts“, sagt er.

 Schöner Blick in das Maria-Lenssen-Berufskolleg.

Schöner Blick in das Maria-Lenssen-Berufskolleg.

Foto: Nina Jedrychowski

Am Hugo-Junkers-Gymnasium angekommen, erfahren die Teilnehmenden Wissenswertes über den Ingenieur Hugo Junkers, der besonders mit seiner Erfindung des Flugzeuges Ju-52 bekannt wurde. „Junkers entwickelte aber nicht nur dieses berühmte Flugzeug, er war auch sonst ein begnadeter Ingenieur, der mehr als 170 Patente besaß“, sagt Hans-Peter Steffens. Das Gymnasium an sich wurde erst 1959 nach dem berühmten Erfinder benannt.

Gegenüber vom Gymnasium befindet sich das Maria-Lenssen-Kolleg. „Mit einem Tisch und sieben Stühlen fing Maria Lenssen mit dem Unterrichten der Mädchen und Frauen an. Das einzige Fach war Hauswirtschaft“, sagt der Stadtführer weiter. Heute wird nicht nur Hauswirtschaft, sondern auch Sozialwesen im Maria-Lenssen-Kolleg unterrichtet. Außerdem befindet sich die Düsseldorfer Modeschule und eine Kosmetikschule in den Räumlichkeiten des Rheytder Kollegs.

 Die Kammbauten sind ganz typisch für die Bebauung der Hauptstraße.

Die Kammbauten sind ganz typisch für die Bebauung der Hauptstraße.

Foto: Nina Jedrychowski

Die nächste Station auf dem Rundgang durch Rheydt ist ein Denkmal, das an die ehemalige Synagoge erinnert, die 1938 von den Nazis zerstört wurde. Auf der Hauptstraße geht es weiter in die Innenstadt. „Mönchengladbach steht im Guinness-Buch der Rekorde – unter anderem wegen unseren zwei Bahnhöfen und den zwei Innenstädten“, sagt Steffens. In der Innenstadt macht er die Teilnehmer auf die Kammbauten aufmerksam. Diese kompakte Bebauungsart ist durch systematische Vorbauten gekennzeichnet, die den Betrachter an einen Kamm erinnern, und zu ihrer Entstehungszeit in den 1960er Jahren als Vorzeigemodell für andere Städte galt. „Dass diese Vorbauten in der Innenstadt regelmäßig auftauchen, ist mir zuvor nie aufgefallen. Dabei laufe ich täglich durch die City“, sagt Mona Ziems.

Von der Innenstadt geht es weiter zum Marienplatz, welcher seinen Namen der zugehörigen Marienkirche schuldet. „Dies ist der Knotenpunkt in Rheydt“, sagt der Stadtführer. „Hier entlang fuhren die ersten Straßenbahnen zwischen Gladbach und Rheydt.“ 1968 ratterte die letzte Straßenbahn über den Marienplatz. Vier Jahre zuvor wurde ein neues, markantes Gebäude auf dem Marienplatz errichtet – der sogenannte „Kuchenteller“. Nach seinem Abriss wurde später an gleicher Stelle das runde Gebäude errichtet, das heute dort zu sehen ist.

An der zweitältesten Apotheke – der „Hirsch -Apotheke“ – vorbei, ist der Rheydter Bahnhof die nächste Station auf der Route. „Heute gilt der Bahnhof als hässlich. Dabei war es vor seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg ein wahrer Prachtbau, das dem Mönchengladbacher Bahnhof sehr ähnelte. Nach dem Krieg wurde das jetzige Gebäude in Schnellbauweise errichtet“, sagt Steffens. Zur Zeit der Entwicklung Mönchengladbachs zur Textilstadt war der Bahnhof in Rheydt wichtig. Die Kohle, die über den Rhein und die Schiene kam, kam am Bahnhof an und wurde zu den Webereien gebracht. Den gleichen Weg nahmen die Stoffballen, die zum Verkauf angeboten wurden.

Vom Bahnhof aus geht es über die Moses-Stern-Straße zum Theater. 1930 ebenfalls von Stadtbaumeister Walter Fischer erbaut und ganz in seinem Stil durch klare Formen gekennzeichnet, ist das Gebäude die nächste Station auf der Route durch Rheydt.

Auf der letzten Strecke, bevor die Tour am Ausgangspunkt – dem Marktplatz – zu Ende geht, führt Hans-Peter Steffens die Truppe am Postamt vorbei: „Als man das Gebäude errichtete, verzeichnete man rund 50 Telefonanschlüsse in Rheydt.“ Am Karstadt-Gebäude vorbei endete die eigentlich auf 90 Minuten getaktete Stadttour nach 135 Minuten am Ausgangspunkt – dem neu gestaltetem Rheydter Marktplatz.

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