Mönchengladbach „2025 wollen wir digitales Vorbild sein“

Mönchengladbach · NEW-Vorstand Frank Kindervatter über E-Mobilität, den Nutzen der Digitalisierung für Kunden und autonom fahrende Busse.

 NEW-Vorstand Frank Kindervatter war zu Gast in der Mönchengladbacher Lokalredaktion der Rheinischen Post. Er sprach über das große Thema Digitalisierung.

NEW-Vorstand Frank Kindervatter war zu Gast in der Mönchengladbacher Lokalredaktion der Rheinischen Post. Er sprach über das große Thema Digitalisierung.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Herr Kindervatter, was ist Ihre meistgenutzte Fortbewegungsart?

Kindervatter Ich habe dieses Jahr zu meinem persönlichen Jahr der Bahn gemacht. Ich bin früher immer viel geflogen, jetzt mache ich das alles mit der Bahn. Dabei kann ich auch sehr viel besser arbeiten. Die Bahn könnte einen Relaunch allerdings wirklich gut vertragen. Im Urlaub brauche ich auch kein Auto, da fahre ich drei Wochen lang nur Rad. Die Mobilität verändert sich gerade sehr. Ich bin in Willich-Schiefbahn aufgewachsen. Damals bedeutete ein eigenes Mofa Freiheit. Das ist vorbei: Die jungen Leute wollen Sharing-Modelle. Außerdem gehört der E-Mobilität die Zukunft, das ist meine feste Überzeugung.

Sie haben Ende März die Vision der NEW von der Mobilität der Zukunft vorgestellt. Warum glauben Sie, dass Carsharing erfolgversprechend ist? Passt das zu Mönchengladbach?

Kindervatter Es gibt in Mönchengladbach sehr viel Individualverkehr, das hängt mit der Größe und Struktur der Stadt zusammen. Ganz konsequentes Carsharing ist hier wahrscheinlich schwierig. Aber als NEW bieten wir Bausteine an, die die verschiedenen Aspekte der Mobilität der Zukunft abdecken. Dazu gehört zum Beispiel Wheesy. Wir haben eine Plattform entwickelt, die es Firmen ermöglicht, ihren Pool an E-Fahrzeugen für die Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Unsere Wheesy-Technologie erleichtert auch die Verwaltung des Fahrzeugparks. Mitarbeiter buchen die Firmenfahrzeuge über eine App und können losfahren, ohne sich irgendwo einen Schlüssel abholen zu müssen. Wir nutzen die Plattform selbst, bieten sie aber auch anderen Unternehmen an. Dass ein Hamburger Sharing-Anbieter unsere Wheesy-Plattform statt seiner eigenen Entwicklung übernommen hat, bestätigt uns auf unserem Weg.

Die NEW beteiligt sich auch an der Entwicklung des Elektro-Autos Sven. Warum?

Kindervatter Auch Sven gehört zu den Mobilitätsbausteinen. Der Wagen ist klein, kann quer eingeparkt werden und kehrt so zu den Anfängen des Smart zurück. Er soll einfach zu nutzen und leicht zu reinigen sein. Sven könnte das Sharing-Modell revolutionieren. Er könnte in ganz Deutschland an Verkehrsknotenpunkten bereitstehen, die Nutzer wissen, wie er funktioniert, können ihre Endgeräte problemlos koppeln und fahren einfach los. Der Wagen bietet auch Möglichkeiten der Information: die jetzigen Monitore können durch ein LED-Band ersetzt werden, das den Terminkalender einblendet oder Informationen über Restaurants in der Nähe.

Die Bezirksregierung Düsseldorf prüft derzeit, ob die Beteiligung an Sven überhaupt zu den Aufgaben eines kommunalen Unternehmens gehört.

Kindervatter Ja, es ist sicher auch nicht Aufgabe von kommunalen Unternehmen, private Wettbewerber zu verdrängen. Doch das tun wir auch nicht, unsere Wettbewerber sind große Dax-Unternehmen. Dagegen sind wir klein. Dennoch ist es gut, dass die Diskussion jetzt geführt wird. Woran dürfen wir uns beteiligen? An der Entwicklung von E-Fahrzeugen? An Unternehmen, die Ladesäulen herstellen? Auf solche Fragen brauchen wir Antworten. Die Energiebranche ist im Wandel, wir müssen uns für die Zukunft aufstellen. Was soll ein Energieversorger anbieten, wenn erst die ersten autarken Häuser stehen, die ihre eigenen Energie erzeugen und nur noch einen Wasseranschluss benötigen? Wir müssen wissen, wohin wir uns bewegen können. Es geht um Zulässigkeit, faktisch aber auch um Wirtschaftlichkeit und Zukunftsfähigkeit.

Bleiben wir bei der E-Mobilität. Wie viele Ladesäulen gibt es in der Stadt?

Kindervatter Am Niederrhein errichten wir bis zum Sommer 130 E-Ladesäulen. In Mönchengladbach werden es 31 E-Ladesäulen sein.

Reicht das?

Kindervatter Nein, das ist für Deutschland zwar ein guter Wert, aber wir brauchen noch mehr. Am besten auch private Ladestationen oder solche bei Unternehmen, die ins System eingebunden werden, so dass der Kunde einen Kickback, eine Rückzahlung bekommt, wenn er seine Station auch anderen zur Verfügung stellt. Wir brauchen eine Schwarm-Ladeinfrastruktur.

Können Sie überhaupt genügend Energie bereitstellen, falls von heute auf morgen 20.000 E-Autos durch Gladbach fahren und „betankt“ werden müssen?

Kindervatter Das ist für jede Stadt ein Anpassungsprozess. Wir haben die Bereitschaft zum Netzausbau. Außerdem gibt es intelligente Lademöglichkeiten, um die Netzlast zu steuern. Von heute auf morgen geht das nicht, aber perspektivisch schon.

Sie haben vier E-Busse für die Linie 033 bestellt. Es gibt aber Verzögerungen. Woran liegt das?

Kindervatter Wir möchten, so schnell es geht, umstellen, aber es gab Produktions- und Lieferschwierigkeiten bei den E-Bussen Wir werden sie aber noch dieses Jahr einsetzen.

Die meistdiskutierte Busstrecke in der Stadt ist die Hindenburgstraße. Gibt es Pläne für autonom fahrende Busse?

Kindervatter Ja, wir wollen die autonome Busstrecke auf der Hindenburgstraße. Wir könnten in Zukunft dort kleine Busse einsetzen, die langsam fahren. Das wäre sehr attraktiv. Es muss aber bedacht werden, dass es Anknüpfungspunkte geben muss. Die Fahrgäste müssen in die anderen Linien umsteigen können. Dazu brauchen wir Platz etwa auf der Sandradstraße oder auch auf dem Gelände des ehemaligen Maria-Hilf-Krankenhauses.

Die Digitalisierung ist ein anderes großes Zukunftsthema. Wie ist die NEW hier aufgestellt?

Kindervatter Die Digitalisierung bietet große Chancen, was Kundennutzen, Wachstum und Effizienzgewinn angeht. Für die Mitarbeiter bietet die Digitalisierung zum Beispiel die Möglichkeit von mobilen Arbeitsplätzen. Wir haben jetzt schon keine Telefone mehr, sondern telefonieren über den Computer. Wir sind immer unter der gleichen Nummer erreichbar, egal ob im Büro oder bei der mobilen Arbeit. Bis Ende des Jahres wollen wir papierlos sein. Für die Mitarbeiter ist vieles bequemer. Sie können zum Beispiel die Krankmeldung abfotografieren und über eine App verschicken. Die Digitalisierung des Fahrbetriebs wird auch vieles einfacher machen. Wenn ein Busfahrer vor Fahrtantritt einen Schaden am Fahrzeug entdeckt, muss er nur ein Foto schicken und entscheiden, ob der Bus fahrtüchtig ist. Es muss niemand mehr dazukommen. Informationen über das Fahrzeug, das ihm zugeteilt wird, bekommt er per Push-Nachricht. Das geht alles viel schneller. Man muss die digitalen Prozesse konsequent zu Ende denken.

Was bringt die Digitalisierung den Kunden?

Kindervatter Die digitale Kommunikation ist schneller und bequemer. Ein paar Beispiele: Informationen, beispielsweise über eine Netzstörung, muss nicht unbedingt ein Mensch geben. Der Kunde ruft ja nur an, um zu wissen, was los ist. Diese Auskunft erhält er in Zukunft über eine automatisierte Bandansage. In dieser Zeit arbeiten die Mitarbeiter an der Beseitigung der Netzstörung. Ein anderes Beispiel: bei einem Neubau kann der Zählerantrag digital eingereicht werden. Künftig kann der Kunde online nachverfolgen, wann genau die Arbeiten ausgeführt werden. Oder man kann seinen Zählerstand durchgeben, indem man einfach ein Foto schickt. Die digitale Kommunikation soll dem Kunden Spaß machen, dafür entwickeln wir eine eigene App, deren Funktionen bald freigeschaltet werden. Es soll keine mächtige App sein, sie soll sich aber merken können, was der Kunde will. Wenn in einer Familie ein Kind immer einen bestimmten Bus zur Schule benutzt, dann kann die App zum Beispiel frühzeitig auf Verzögerungen hinweisen und Alternativen empfehlen. Aber wir werden auch weiterhin alle anderen Kommunikationsformen anbieten. Die Kunden sollen sich alle bei uns wohl fühlen.

Was kostet Sie der Digitalisierungsprozess? Und wo wollen Sie 2025 stehen?

Kindervatter Wir werden allein in diesem Jahr über eine Million Euro dafür ausgeben, aber die Investition wird sich auf Dauer stark rechnen. Ohne Digitalisierung ist kein Wachstum möglich. Wir haben einen Fahrplan, der für dieses Jahr Leuchtturmprojekte vorsieht, 2020 sollen die End-to-End-Prozesse in den Blick genommen werden. 2025 wollen wir digitales Vorbild für die Branche sein.

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