Shuttledienst und Lieferservice Wie kaufen wir morgen ein?

Mönchengladbach · Immer mehr Menschen in Mönchengladbach bestellen ihre Lebensmittel online. Das erhöht den Druck auf Supermärkte, darauf mit neuen Konzepten zu reagieren. Ein Real-Markt in der Stadt tut das, indem er Senioren zum Einkauf zu Hause abholt.

  Auslieferungsfahrer des Online-Supermarktes Picnic liefern die Waren an die Haustür. In Gladbach wächst das Unternehmen rasant.

Auslieferungsfahrer des Online-Supermarktes Picnic liefern die Waren an die Haustür. In Gladbach wächst das Unternehmen rasant.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)/Bauer, Hans-Jürgen (hjba)

Es ist 13 Uhr, als etwa 20 Senioren in der Real-Filiale an der Krefelder Straße 131 eintreffen. Sie sind mit dem Shuttle gekommen, bekommen einen Einkaufswagen an die Hand und werden damit bis an die Tür des Restaurants im Supermarkt gebracht. Dort sind bereits mehrere Tische für sie eingedeckt: Es gibt Kuchen, dazu Kaffee und Softdrinks – alles kostenfrei. Die Herrschaften begrüßen sich, man kennt sich. Schnell sind die Sitzplätze eingenommen, denn man stärkt sich erst einmal, bevor es später ans Einkaufen in den Laden geht. „Die meisten älteren Kunden kennen sich schon länger und treffen hier immer wieder aufeinander. Es sind aber auch immer zwei bis drei neue Senioren dabei“, sagt Zakaria Akaouchi, stellvertretender Real-Geschäftsleiter.

Zum Einkaufen gehen die Senioren dann am liebsten eigenständig, auf Anfrage begleitet sie ein Marktmitarbeiter. Eine Kasse ist nach dem Einkauf auf sie eingerichtet, ein Shop-Mitarbeiter hilft beim Einpacken der Waren. Danach trifft man sich wieder im Restaurant, redet über den Einkauf, während man auf den Shuttletaxi wartet, das die Einkäufer wieder nach Hause bringt. Zweieinhalb bis drei Stunden dauert der Aufenthalt insgesamt. Am Ende haben die Senioren nicht nur das, was sie für ihren Haushalt benötigen, eingekauft, sondern sich aus mit Gleichgesinnten getroffen und ausgetauscht.

Eine der Kundinnen an diesem Mittag ist Erika Schweimanns. Sie sitzt im Restaurant und schneidet sich ein Stück Kuchen zurecht. Die Portionen verzehrt sie bedächtig. Dabei plaudert sie mit drei anderen Damen am Tisch. Seit einer Operation vor einiger Zeit nutzt sie den Real-Service einmal pro Woche. Und ist begeistert: „Wenn man in seiner Mobilität stark eingeschränkt ist wie ich, stellt man sich erst einmal die naheliegendste Frage, nämlich wie man an Essen kommt. Ich habe zwei Nichten, die sehr hilfsbereit sind, sie wohnen aber beide außerhalb der Stadt. Da möchte ich ihre Hilfsbereitschaft auf keinen Fall überstrapazieren.“

Nach einem letzten Schluck Kaffee im Restaurant geht Erika Schweimanns mit ihrem Einkaufswagen los, vorbei an Kosmetika, Katzenfutter, Nudeln und Reis. Sie greift hier und da in die Regale, schaut dabei immer wieder auf ihren Einkaufszettel, lässt sich aber auch von neuen Produkten inspirieren: „Diesen Ingwer-Orange-Aufguss hier kaufe ich jetzt mal vorsichtshalber. Schließlich ist Erkältungszeit.“ Die 81-jährige schätzt es, selbstbestimmt einzukaufen, in Ruhe durch die Reihen des Supermarktes zu gehen, und am Ende zu wissen, dass man mit seinem Einkauf nicht alleine dasteht, sondern sicher nach Hause gebracht wird. Ihr Leben lang war die gebürtige Eickenerin in Vollzeit berufstätig, hat in Köln, Düsseldorf und Mönchengladbach als Chefsekretärin gearbeitet, war als ganz junge Frau jeweils ein Jahr in Frankreich und England als Au-Pair tätig. Mit dem Real-Service findet sie die Unterstützung, die sie braucht, ohne ihre Eigenständigkeit aufgeben zu müssen.

 Erika Schweimanns wird beim Einkaufen im Real-Markt begleitet. Dafür wird die Seniorin zuhause abgeholt.

Erika Schweimanns wird beim Einkaufen im Real-Markt begleitet. Dafür wird die Seniorin zuhause abgeholt.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Nach und nach füllt sich Erika Schweimanns Wagen. Beim Käse trifft sie auf eine Bekannte, mit der sie zuvor am Restauranttisch gesessen hat. „Oh, darf ich Sie fragen, wo Sie diesen sehr lecker aussehenden Käse gefunden haben?“ Die Frau deutet auf die Käsetheke, Erika Schweimanns stellt sich dort an. Zwei Scheiben des leckeren Käses sollen es sein, die Verkäuferin wählt sie aus, wiegt ab, verpackt die Ware und überreicht sie lächelnd.

Auch der Kauf sperriger oder schwerer Produkte wie etwa Waschmittel sind kein Hindernis, schließlich werden sämtliche Einkäufe später vom Shuttle-Fahrer in Erika Schweimanns Wohnung gebracht.

Die Real-Filiale an der Krefelder Straße 131 ist eine von zehn Filialen des Konzerns deutschlandweit, die diesen Dienst anbieten. „Es gibt viel Extra-Service ohne Zusatzkosten“, sagt Zakaria Akaouchi, der das Programm vor fünf Jahren selbst aufgebaut hat. Einmal pro Woche zunächst, mit jeweils fünf bis sechs Senioren. Heute haben die immer zwischen 20 und 30 Frauen und Männer im Alter von 80 bis 91 Jahren die Wahl zwischen Dienstag- und Donnerstagmittag, zusätzlich gibt es alle zwei Wochen am Dienstag einen Morgentermin. Die Senioren rufen einen Tag vor ihrem geplanten Besuch der Real-Filiale eine Service-Nummer an und buchen damit den Shuttle.

Das ist auch eine Variante, wie Lebensmittel-Händler mit dem zunehmenden Druck umgehen, dass nicht mehr alle Kunden alleine ins Geschäft kommen können oder wollen. Dies machen sich gerade zwei Online-Supermärkte zunutze, die den Markt in Mönchengladbach gehörig umkrempeln. Picnic etwa verzeichnet seit seinem Start im September zweistellige Wachstumsraten und liefert in Mönchengladbach inzwischen pro Woche 3500 Bestellungen aus. Das Unternehmen, das als „Milchmann von heute“ daherkommt, beschäftigt inzwischen 120 Mitarbeiter allein in Mönchengladbach und braucht 40 Elektro-Fahrzeuge, um die Bestellungen auszuliefern. Im September waren es noch zehn Autos. „Der Markt für Online-Lebensmittel-Bestellungen ist riesig“, sagt Frederic Knaudt, einer der Chefs der deutschen Picnic-Tochter. Das Unternehmen kommt ursprünglich aus den Niederlanden. Zuletzt hat Konkurrent Getnow seinen Dienst in Mönchengladbach aufgenommen und kauft die Kundenbestellungen in Metro-Märkten ein. Andere stationäre Supermärkte wie Rewe haben ebenfalls nachgezogen und Lieferdienste im Programm.

Und das wird erst der Anfang sein, glaubt der Handelsverband in Mönchengladbach. „Die Digitalisierung wird zunehmend auch für die Lebensmittelbranche interessanter“, sagt Jan Kaiser vom Handelsverband. Ketten bieten Lösungen wie „Click & Collect“, also online bestellen und die Ware abholen, oder einen Lieferservice, der meist aber kostenpflichtig ist, beauftragen. „Die Frage, wie die stationären Händler auf die Online-Konkurrenz reagieren, wird immer wichtiger“, sagt Kaiser. „Das wird sich ausweiten.“ Der Real-Markt an der Krefelder Straße hat seine Antwort darauf gefunden.

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