Professor Ursula Nestle, Chefärztin an den Maria Hilf Kliniken Orchester-Chefin in der Strahlentherapie

Mönchengladbach · Ihr Team sei wie ein Orchester, in dem sich jeder ausleben dürfe, sagt die Ursula Nestle, Chefärztin an den Maria Hilf Kliniken. Und: Sie habe sich in ihrem Leben selten mit etwas beschäftigt, was sie nicht interessiert oder ihr keinen Spaß gemacht habe.

 Prof. Ursula Nestle, ist seit 2017 Chefärztin der Klinik für Strahlentherapie in den Kliniken Maria Hilf.

Prof. Ursula Nestle, ist seit 2017 Chefärztin der Klinik für Strahlentherapie in den Kliniken Maria Hilf.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Die Männer packen gerade ihre Gerätschaften zusammen. Den halben Tag hat das hochspezialisierte Technikerteam damit verbracht herauszufinden, warum der Linearbeschleuniger nicht funktioniert. „Am Ende war es eine herausgesprungene Sicherung“, sagt Prof. Ursula Nestle ruhig. Wenn einer der drei Linearbeschleuniger an den Kliniken Maria Hilf für einige Stunden ausfällt, muss diese punktuelle Strahlentherapie für bis zu 80 Krebspatienten neu organisiert werden. „In dieser Therapie sind aber keine längeren Wartezeiten möglich; also läuft der Apparat jetzt wieder an und wird bis Mitternacht genutzt“, erklärt die Chefärztin der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie.

In Nestles Abteilung arbeiten acht Physiker, 18 Ärzte und elf Fach- und Oberärzte. Mit 20 Frauen ist die weibliche Belegschaft in der Überzahl. „Auch in der Strahlentherapie wird die Medizin weiblich“, stellt Nestle fest. Bis zur Promotion und der Position des Oberarztes überwiegen die Frauen; ab dem Chefarztposten geht die Schere dann noch auseinander: „Die Chefs an den Unikliniken sind männlich. Das liegt insbesondere an der alten Familienpolitik. Heute ist es schön zu sehen, dass sich immer mehr Männer Elternzeit nehmen.“

Ihre Karriere hatte die 55-Jährige, die selbst keine Kinder hat, immer fest im Blick. Nach ihrem Facharzt für Strahlentherapie legte Nestle 2003 in Homburg/Saar an der radiologischen Universitätsklinik ihren Facharzt für Nuklearmedizin ab und arbeitete dort im Anschluss fünf Jahre als Oberärztin. Ein anonymes Komitee entschied über ihre Eignung zur Habilitation, die sie 2007 erhielt. Die fünf Jahre bis dahin bezeichnet Nestle als Black Box: „Ich wusste nicht einmal, aus wie vielen Personen sich das Komitee zusammensetzte. Frauen gehen mit einer solchen Situation anders um als Männer, sie zweifeln eher an ihrer Qualifikation. Männer sehen das Ganze als etwas an, das man einfach durchziehen muss.“ Sie hatte nie ein berufliches Problem als Frau, kennt aber aus ihrer ehemaligen Mentorengruppe zur Frauenförderung Kolleginnen, die aufgrund negativer Erfahrungen ihre geschlechtsspezifischen Rollen und ihr Führungsverhalten ändern wollten.

An den Kliniken Maria Hilf führt Nestle ihr Team kommunikativ, redet viel mit ihren Mitarbeitern, diskutiert Themen vor einer Entscheidungsfindung aus: „Für mich ist das Team ein Orchester, in dem sich jeder ausleben darf. Bei mir gibt es kein Ellbogendenken.“ Von ihrer durchgetakteten Arbeitswoche, die in der Regel 50 bis 60 Stunden umfasst, erholt sich Nestle in ihrem privaten Umfeld – Yoga, gemeinsames Wandern und Skifahren stehen dann auf dem Programm.

Von sich selbst sagt sie, dass sie in ihrem Leben selten etwas gemacht hat, was sie nicht interessiert oder ihr keinen Spaß macht. „Genau das würde ich auch Medizinstudenten mit auf den Weg geben.“ Wie findet man den Weg in die Strahlentherapie? Eine gewisse geometrische Vorstellungskraft müsse schon vorhanden sein, so Nestle: „Man sollte wissen, wo man dreidimensional hinmöchte, da ist das Abstrahieren können vom Bild auf die Topografie Bedingung.“

Daneben ist der Chefärztin der caritative Ansatz sehr wichtig. „Es gibt Patienten, denen wir nicht mehr helfen können. Dann gilt es, abzuwägen, was für diese Menschen am besten ist. Wir müssen sie gut beraten, damit sie letztlich selbst ihre Entscheidung treffen können“, sagt Nestle. Etwa 45 bis 50 Prozent aller Krebskranken können heute geheilt werden. Von den geheilten Personen haben 50 bis 60 Prozent im Rahmen der primären, auf Heilung abzielenden Behandlung eine Strahlentherapie erhalten. „Damit ist die Strahlentherapie neben der Chirurgie die Methode, mit der die meisten Krebspatienten geheilt werden oder deren Lebensqualität verbessert werden kann“, fasst Nestle zusammen.

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