Hochschule Niederrhein Cybersicherheit ist ein gewaltiges Zukunftsthema

Mönchengladbach · Der scheidende Hochschulpräsident über Cyber Campus, Koalitionsverträge und die schwierigste Situation als Präsident der Hochschule Niederrhein.

 Hans-Hennig von Grünberg beim Besuch in der RP-Redaktion an der Lüpertzender Straße. Nach zehn Jahren an der Spitze der Hochschule Niederrhein verlässt er sie jetzt.

Hans-Hennig von Grünberg beim Besuch in der RP-Redaktion an der Lüpertzender Straße. Nach zehn Jahren an der Spitze der Hochschule Niederrhein verlässt er sie jetzt.

Foto: Ilgner,Detlef (ilg)/Ilgner Detlef (ilg)

Herr Prof. von Grünberg, Sie haben lange dafür gekämpft, dass die Hochschule Niederrhein einen Cyber Security Campus bekommt. Jetzt gibt es grünes Licht und Sie werden die Umsetzung als Hochschulpräsident nicht mehr erleben. Bedauern Sie das?

Von Grünberg Nein, eigentlich nicht. Denn ich habe am Anfang meiner Tätigkeit auch die Früchte geerntet, die mein Vorgänger gesät hatte. Beispielsweise die Gründung des Fachbereichs Gesundheitswesen. Oder die Tatsache, dass die Kasse voll war, als ich antrat. Davon habe ich als Nachfolger profitiert, und deshalb kann ich mich jetzt auch nicht beklagen. Aber ich bin sehr stolz, dass wir es geschafft haben, den Cyber Campus nach Mönchengladbach zu holen. Das ist dem Durchhaltevermögen von einigen Leuten zu verdanken, namentlich Jürgen Steinmetz von der IHK, Oberbürgermeister Reiners, dem Landtagsabgeordneten Jochen Klenner und mir. Dass es geklappt hat, freut mich sehr und ich habe viel dabei gelernt.

Was haben Sie denn dabei gelernt?

Von Grünberg Ich habe gelernt, wie wichtig ein Koalitionsvertrag ist. Das Projekt Cyber Campus wurde in den Koalitionsvertrag aufgenommen, weil es uns gelungen ist, zur richtigen Zeit die richtigen Leute mit einer guten Idee anzusprechen. Und weil wir als Impulsgeber die ganze Zeit hinterher gelaufen sind und keine Ruhe gegeben haben. Man kann Dinge auch herbei reden. Und jetzt ist der Zuwendungsbescheid da.

Warum halten Sie dieses Konzept für den Standort Mönchengladbach für so wichtig?

Von Grünberg Am Mönchengladbacher Standort des Cyber Campus NRW werden zwei Bachelor- und zwei Masterstudiengänge angesiedelt. Die Zusammenarbeit mit Bonn ist sehr eng: Dort wird der Themenbereich Cyber Security Technik angesiedelt, bei uns in Mönchengladbach wird es um Cyber Security Management gehen. Wir werden in der Breite ausbilden. Insgesamt rückt Mönchengladbach damit an Bonn heran, das tut uns sehr gut. Wir werden dieses Projekt gemeinsam entwickeln, es soll mehr sein als ein gemeinsamer Name. Eine echte Einheit soll entstehen. Bis 2023 sollen 16 Professoren an den beiden Standorten lehren, danach ist ein weiterer Ausbau möglich. Wir trauen uns zunächst 500 Studierende zu, also erst mal 250 an beiden Standorten. Später vielleicht die doppelte Anzahl. Cybersicherheit ist ein gewaltiges Zukunftsthema. Ich kann mir auch vorstellen, dass später die Ausbildung zum Cybercop auch in Mönchengladbach angeboten wird. Der Anfang ist jedenfalls gemacht, das Zukunftsthema in Mönchengladbach platziert.

 Digitalisierung und künstliche Intelligenz führen überall zu tiefgreifenden Umbrüchen. Als Sie 2010 Präsident wurden, hatte die Hochschule noch nicht mal einen Facebook-Account. Wie haben Sie die Veränderungen erlebt?

Von Grünberg Inzwischen haben wir Facebook kommen und gehen sehen. Wir haben erlebt, wie immer mehr Studierende sich meldeten, wenn nach einem Facebook-Konto gefragt wurde. Und jetzt hat keiner mehr Facebook, der Trend ist vorbei. Andererseits konnte ich mir 2010 nicht vorstellen, wozu ich ein Smartphone brauche, heute  bestimmt es in hohem Maße mein Leben. Und die Entdeckung hat mir Spaß gemacht.  Aber  wenn ich am 1. März mein Amt abgebe, werde ich allein und mit sechs Büchern im Gepäck eine Radtour nach Kiel machen. Ohne Smartphone.

Wie hat die Digitalisierung die Hochschule selbst verändert?

Von Grünberg Die Kommunikation hat sich sehr verändert, aber auch die Lehre. Wir haben viel darüber nachgedacht, welche Formate wir brauchen oder wie E-Learning funktionieren kann. Inhaltlich haben sich beispielsweise im Textilbereich mit so etwas wie Smart Textiles enorme Möglichkeiten eröffnet. Beschichtete Fäden, Platinen in der Kleidung, Pflaster, die melden, wenn sie gewechselt werden müssen. Die Kombination von Elektronik, Elektrotechnik und Textil birgt große Chancen und die Hochschule Niederrhein kann hier wirklich was vorweisen.

Sie sind Physiker – ist künstliche Intelligenz Segen oder Fluch?

Von Grünberg  Ganz klar ein Segen. Ich bin immer Optimist. Natürlich gibt es die Möglichkeit des Missbrauchs, aber es bieten sich auch großartige Chancen, das Leben leichter und intelligenter zu machen. Es kommt wirklich darauf an, was man daraus macht.

Wann haben Sie Ihren Wechsel aus der Physik ins Hochschulmanagement zum ersten Mal bereut?

Von Grünberg Nie, der Wechsel von der Uni an die Hochschule war eine sehr gute Entscheidung. Man hat als Hochschulpräsident unendlich viel Gestaltungsfreiheit.

Was ist die schwierigste Aufgabe eines Hochschulpräsidenten, was die schönste?

Von Grünberg Die leistungsbezogene Besoldung der Professoren bringt es mit sich, dass ich als Dienstvorgesetzter mit den Kollegen über das Gehalt diskutieren muss. Das macht wirklich keinen Spaß. Am schönsten ist es, wenn etwas, worauf man lange hingearbeitet hat wie der Cyber Campus, sich endlich umsetzen lässt. Man hat dann das Gefühl, dass man die Welt verändern kann.

In einem Interview mit dieser Redaktion vor zehn Jahren haben Sie zu Ihren Zielen gesagt: Ich möchte ein hochwertiges Masterprogramm aufbauen, die angewandte Forschung stärken und die Kooperation mit der regionalen Wirtschaft intensivieren. Gerade das Masterstudium ist eine geniale Chance, projektorientiertes Studium auszubauen. Ich will Projekte, und zwar in Zusammenarbeit mit den Unternehmen der Region. Das ist anwendungsnahe Forschung, unser wesentliches Qualitätsmerkmal. Mission erfüllt?

Von Grünberg Ja, wenn ich das so höre, würde ich sagen: Mission erfüllt. Allerdings habe ich auch einiges gelernt: Beim Masterstudium zum Beispiel haben die Fachbereiche das Sagen, nicht der Präsident. Aber die Hochschule zu unserer aller Hochschule zu machen, die Öffnung nach draußen, das hat funktioniert. Wenn heute über ein Science Campus auf dem Gelände des Polizeipräsidiums so diskutiert wird, dass dabei immer die Hochschule im Blick bleibt, dann zeigt das auch, dass wir die Herzen der regionalen Wirtschaft gewonnen haben.

Wie wichtig sind Drittmittel für Ihre Hochschule?

Von Grünberg Die Entwicklung der Drittmittelzahlen ist sehr sehenswert, aber entscheidender ist, dass an der Hochschule die Forschung immer wichtiger wurde. Daran habe auch ich meinen Anteil: Ich habe in den vergangenen zehn Jahren fast die Hälfte der heutigen Professorinnen und Professoren an die Hochschule berufen und habe dabei auch immer Erwartungen hinsichtlich der Forschung benannt. So sehe ich meine Aufgabe: nach innen Erwartungsmanagement, nach außen Reputationsmanagement.

Wo sehen Sie noch Entwicklungspotenzial?

Von Grünberg Im Zusammenhang mit den Strukturhilfen für das Rheinische Revier ist noch viel möglich. Wir haben als Hochschule sechs Projekte aufgesetzt und sind in einer guten Position, da Mönchengladbach neben Jülich die einzige Stadt mit Hochschulstandort im Rheinischen Revier ist. Ein Beispiel ist die Textilfabrik 7.0, eine Innovationsfabrik, an deren Zustandekommen Hochschule und Textilverbände gemeinsam arbeiten. Es gab auch schwierige Situationen und eine echte Krise.

Wie bewerten Sie im Nachhinein den Umgang des Hochschulpräsidiums mit der damaligen AfD-Kandidatin und Professorin Karin Kaiser im Herbst 2017? Was würden Sie aus heutiger Sicht anders machen?

Von Grünberg Das war sicherlich das schwierigste Kapitel meiner Amtszeit. Insgesamt würde ich  das Ganze heute vorsichtiger handhaben und frühzeitig einen Vergleich anstreben. Als die Veranstaltung „Tod des Rechtsstaats“ in den Räumen der Hochschule durchgeführt werden sollte, haben wir sofort alle Bremsen gezogen. Das war gut und richtig.

Wo sehen Sie die Hochschule Niederrhein in der Zukunft?

Von Grünberg Die Hochschule sollte Nukleationskeim sein, ein Ort, an dem und um den herum sich Netzwerke bilden, wo ein Innovationsökosystem entsteht. Das Gelände des alten Polizeipräsidiums ist hier enorm wichtig. Daraus kann etwas Großartiges werden, das den Effekt, den die Hochschule auf die Stadt hat, vervielfacht.

Haben Sie selber einmal in Ihrer Zeit als Hochschulpräsident Vorlesungen besucht?

Von Grünberg Definitiv nicht, da macht man sich sehr unbeliebt, weil es nach Kontrolle aussieht. Aber ich werde bald selbst wieder Vorlesungen halten. Darauf freue ich mich!

Wenn Sie noch einmal Student wären und an der Hochschule Niederrhein studieren wollten, welchen Studiengang würden Sie wählen?

Von Grünberg Das ist eine schöne Frage. Ich glaube, ich würde Maschinenbau studieren. Der Bachelorstudiengang wird sehr gut betreut. Ein Duales Studium fände ich auch sehr interessant. Und natürlich Cyber Security.

Ist das Bildungswesen in Deutschland Ihrer Meinung nach auf dem richtigen Weg?

Von Grünberg Ich finde nicht, dass das Niveau gesunken ist, wenn ich sehe, was meine Tochter in ihrem Abitur können musste oder jetzt in ihrem Physikstudium alles lernt. Ich sehe allerdings, dass uns die Handwerker ausgehen, und das ist eine beunruhigende Entwicklung. Auch die Aufteilung der Studierenden auf Universitäten und Hochschulen für angewandte Wissenschaften finde ich bedenklich. Heute studieren zwei Drittel an der Uni, ein Drittel an Hochschulen. Eigentlich müsste es umgekehrt sein, so dass nur diejenigen, die an einer wissenschaftlichen Laufbahn interessiert sind, an die Universitäten gehen.

Haben Sie Tipps für Ihren Nachfolger?

Von Grünberg Thomas Grünewald ist sechs Jahre älter als ich und bringt enorme Berufserfahrung und eine große Reputation mit. Ich glaube nicht, dass ich ihm Tipps geben sollte.

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