Workshop am Hugo-Junkers-Gymnasium Von Goebbels und gefährlicher Sprache

Rheydt · Mit Joseph Goebbels und der Rhetorik des aus Rheydt stammenden Propagandaministers der Nationalsozialisten beschäftigten sich jetzt Schüler des Hugo-Junkers-Gymnasiums in einem Workshop. Er hatte für die Gymnasiasten Überraschendes vorbereitet.

 Professor Ralf Georg Czapla beschäftigte sich gemeinsam mit einem Geschichtskurs am Hugo Junkers Gymnasium mit der Sprache und Rhetorik des ehemaligen Propagandaministers Joseph Goebbels.

Professor Ralf Georg Czapla beschäftigte sich gemeinsam mit einem Geschichtskurs am Hugo Junkers Gymnasium mit der Sprache und Rhetorik des ehemaligen Propagandaministers Joseph Goebbels.

Foto: Holger Hintzen

Joseph Goebbels – wer das war? Das eine oder andere fällt den Elftklässlern dazu schon ein. „Propagandaminister“, sagt Dennis. „Die rechte Hand Hitlers“, kommt aus einer anderen Ecke des Musiksaales. „Er war hier auf der Schule“, weiß Noah – drei Antworten, drei Treffer. Professor Ralf Georg Czapla scheint mit dem Einstieg in seinen Workshop am Hugo-Junkers-Gymnasium zufrieden zu sein.

In dem sollte es um einen ehemaligen Schüler gehen: Paul Joseph Goebbels, geboren am 27. Oktober 1897 in Rheydt, aufgewachsen dortselbst in einem streng katholischen Elternhaus – und einer der übelsten Nationalsozialisten und ergebensten Bewunderer Adolf Hitlers. Doch es ist nicht die Karriere des Rheydters, die im Mittelpunkt des Workshops steht. Es geht um die Sprache und die Rhethorik des gescheiterten Dichters Goebbels. Eine Sprache, die Millionen Deutsche einst in den Bann schlug und verführte. Eine gefährliche Rhetorik – aber warum kann es nötig sein, sich heute, mehr als 70 Jahre nach Goebbels Selbstmord im „Führerbunker“ unter der Berliner Reichskanzlei noch damit zu beschäftigen? Auch darum soll es in dem Workshop gehen, bei dem die gastgebenden Geschichtslehrer Reinhard Bitter und Dominik Zuk ausnahmsweise einmal Zuhörer sind.

Czapla hat ein Arbeitsblatt mit kurzen Texten zusammengestellt. „Was Sprache verrät. Joseph Goebbels in seinen Texten“ steht darüber. Ein Thema, mit dem sich der aus Erkelenz stammende außerordentliche Professor am Germanistischen Seminar der Uni Heidelberg ausführlich beschäftigt hat. Auf seinem Arbeitsblatt lesen die Schüler unter anderem ein Gedicht und Sätze wie diesen: „Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen.“ Und: „Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir.“ Die Schüler sollen nun überlegen, in welcher zeitlichen Reihenfolge die Texte entstanden sind.

Dass das schwülstige Gedicht ein frühes Werk des jungen Goebbels ist, erkennt der Geschichtskurs ziemlich schnell. Ebenso, dass das „Wölfe“-Zitat viel später entstanden sein muss, zeitlich näher an der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Es stammt aus dem Jahr 1928, aus einem Text in der Nazi-Zeitung „Der Angriff“. Schließlich lenkt Czapla die Aufmerksamkeit noch einmal auf andere Texte auf dem Blatt. Da steht zum Beispiel auch als Zitat Nummer 1: „Die Sehnsucht der Deutschen nach einer geschichtlichen Figur, welche einst die Wunden im Volk wieder heilt, die Zerrissenheit überwindet und die Dinge in Ordnung bringt, ist tief in unserer Seele verankert.“

Allzu auffällig scheint diese Passage in dem Ensemble den Schülern nicht zu sein. Auch Zitat Nummer vier klingt lediglich wie eine Widerholung: „Wir müssen uns entscheiden, ob wir Schafe oder Wölfe sein wollen und wir entscheiden uns, Wölfe zu sein!“ Czapla muss schon ein bisschen nachhelfen. „Wer spricht denn heute so?“, fragt der Professor. Schweigen. Schließlich verrät Czapla: Zitat Nummer eins und Nummer vier habe er „untergeschmuggelt“, sie stammten vom AfD-Politiker Björn Höcke, sagt der Professor.

„Wie sollten wir mit Politikern umgehen, die heute so sprechen?“, fragt Czapla und wendet sich an Bürgermeister Ulrich Elsen (SPD). Der ehemalige Deutschlehrer drückt bei diesem Workshop nochmal die Schulbank. Und er schlägt schnell einen Bogen zu seinen Erfahrungen im Stadtrat, dem auch ein NPD-Vertreter und der fraktionslose Dominik Roeseler, angehören. Roeseler wird im Landesverfassungsschutzbericht 2018 als „langjähriger Rechtsextremist“ eingestuft. Eingefleischte Rechtsextreme von ihren Ansichten abbringen zu können, da macht sich Elsen wenig Hoffnungen. „Aber“, fügt er hinzu, „man muss mit den Menschen reden, die Gefahr laufen, solchen Leuten hinterher zu laufen.“

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