Etliche Ärzte sind skeptisch Telematik in Praxen: Chance oder Milliardengrab?

Mönchengladbach · Bis Ende Juni sollen sich Ärzte mit einer bundesweiten digitalen Infrastruktur vernetzen. Es gibt Skeptiker.

 Die Versichertenkarte mit Chip ist der Teil der Telematik-Infrastruktur, die der Patient in die Hand bekommt.

Die Versichertenkarte mit Chip ist der Teil der Telematik-Infrastruktur, die der Patient in die Hand bekommt.

Foto: dpa, Daniel Karmann

Das Bundesgesundheitsministerium spricht von „Chancen“. Der Mönchengladbacher Allgemeinmedizinier Heinz Bloemer hat eine andere Bezeichnung: „Milliardengrab.“ Gemeint ist die Telematikinfrastruktur im Gesundheitswesen. Diese soll einmal Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen den Austausch umfangreicher elektronischer Daten zu einem Patienten ermöglichen, und zwar über eine sichere digitale Infrastruktur. Bislang ist der Erfolg jedoch eher bescheiden. Nur etwa die Hälfte der Mönchengladbacher Ärzte seien schon an die Telematikinfrastruktur (TI) angebunden, schätzt Bloemer, der dem Düsseldorfer Bezirksstellenrat der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein angehört: „Ich bin mit meiner Praxis noch nicht angeschlossen und werde es wohl auch nur zähneknirschend tun.“

Eigentlich hätten Arztpraxen schon zu Jahresbeginn mit der Telematikinfrastruktur verbunden sein sollen. Doch da es mit den Geräten haperte, die eine Verbindung zwischen der EDV einer Praxis und der TI herstellen, hat das Gesundheitsministerium nach Protesten aus der Ärzteschaft die Frist bis 30. Juni verlängert. Ärzten, die sich bis zu diesem Termin nicht angeschlossen haben, droht eine Honorarkürzung um ein Prozent pro Quartal.

Dass es schon Praxen gebe, die sich angeschlossen haben und in denen die TI-Verbindung funktioniere, räumt Bloemer ein. „Aber es gibt auch Rückmeldungen, dass die Verbindung nicht funktioniert und ein bis zweimal pro Woche das komplette Verwaltungssystem einer Praxis zum Absturz bringt“, berichtet er. „Bis jetzt kann ich auch keinen Nutzen für den Patienten erkennen, und es hilft mir nicht bei der Behandlung“, sagt der Arzt. Mehr als grundlegende, auf der Versichertenkarte gespeicherte Daten eines Patienten wie Adresse, Wohnort oder Versicherungsart könne das Telematiksystem derzeit nicht bearbeiten. Für sehr viel mehr reiche die Speicherkapazität des Chips auf der Karte auch nicht aus.

Dabei hat die Bundesregierung hochfliegendere Ziele: Über das Telematiksystem sollen zum Beispiel elektronische Patientenakten unter Ärzten und Kliniken ausgetauscht werden. Auch da ist Bloemer skeptisch: „Wenn diese Daten alle zentral gelagert sind und es Hackern gelingt, an diese heranzukommen, könnten sie Millionen von Patientenakten veröffentlichen.“

(hh)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort