Wettstreit in Mönchengladbach Dichten gegen die Pandemie

Mönchengladbach · Ausverkauft! Der Traum eines jeden Veranstalters. In Zeiten steigender Corona-Infektionszahlen und sinkender zugelassener Gästezahlen ist dieses Ziel allerdings schneller erreicht als mancher es sich erhofft. So auch im Projekt 42 auf der Waldhausener Straße.

 Die Corona-Edition des Poetry Slams im Projekt42 war ausverkauft.

Die Corona-Edition des Poetry Slams im Projekt42 war ausverkauft.

Foto: Ilgner,Detlef (ilg)/Ilgner Detlef (ilg)

Zum ersten Poetry Slam seit dem Lockdown im Frühjahr konnte Andreas Ochotta endlich wieder Gäste einladen. Ganze 24 Besucher durften dabei sein. Der Beiname des durch das Kulturbüro Mönchengladbach unterstützten Poetry Slams: „Corona Edition“.

Die Slammer Marco Jonas Jahn und Markim Pause führten am Freitagabend gut gelaunt und die Folgen der Pandemie für die Kultur immer wieder heiter auf die Schippe nehmend durch das Programm: „Wenn man nicht drüber lachen würde, wäre es nur noch traurig.“ Da DJ Key sein Kommen kurzfristig abgesagt hatte, übernahm Pause kurzerhand auch die musikalische Begleitung am Mischpult.

(Meist) junge Poeten treten bei den Slams nach drei festgelegten Regeln gegeneinander und vor dem Publikum an. Die Spielregeln wurden zu Beginn des Poetry Slams im Projekt42 genau erläutert: Alle Texte müssen selbst geschrieben sein. Jeder Vortragende hat maximal sechs Minuten Zeit. Und: Es dürfen im Vortrag ausschließlich Worte eingesetzt werden. Inhaltliche Vorgaben gibt es meist nicht.

Jahn und Pause hatten vier junge Slammer ins Projekt42 eingeladen: Felicitas Friedrich aus Bochum, Micha-El Goehre aus Essen, den Duisburger Abdul Kader Chahin und Luca Swieter aus Köln. Jeder von ihnen hat gediegene Slam-Erfahrung, alle waren bereits Teilnehmer und einige auch Gewinner von Wettbewerben.

Nach einer ausgelosten Reihenfolge traten die vier in der ersten Runde auf und präsentierten sich und ihre Texte. Es begann mit Micha-El Goehre und seinen Beobachtungen über die Dinge, die Menschen – meist Männer – auf Youtube thematisieren. Deftig und in der Sprache eindeutig wurde über die Menschen hergezogen.

Felicitas Friedrich widmete „ihren Text ‚Atem‘ allen, die einen Körper haben, mit dem sie auf Kriegsfuß stehen“. Auswendig und in einer erstaunlichen Geschwindigkeit vorgetragen, sprachlich geschickt und intelligent aufgebaut fesselte sie sofort die Zuhörer.

Abdul Kader Chahin sinnierte in seinem Text über die Vorurteile, die einem begegnen können, weil man anscheinend die falsche Jacke trägt und in die Schublade „schwul sein“ gesteckt wird. Der Slammer rundete den Vortrag mit kritischen Gedanken ab.

Dann war Luca Swieter dran: Auch sie legte ein rasantes Sprechtempo vor. In witzig-bissiger Art nahm sie allerlei Sportarten, insbesondere das Bouldern genannte Klettern, aufs Korn – und sprach aus eigener Erfahrung. Die erste Runde ergab nach der Abfrage der Wertung des Publikums: Die Frauen standen deutlich vorne.

Der Poetry Slam lebt vom Inhalt. Eigene Erfahrungen ironisch zu hinterfragen scheint eine gute Basis für einen tragfähigen Text zu bieten. Doch ist auch eine gute Sprache und Rhetorik unerlässlich. Daneben zählt die Vortragsweise auf entscheidende Weise. Hinter dem eigenen Vortrag zurückzutreten und den Text dennoch emotional überzeugend darzubieten, das ist die Gratwanderung, auf der Slammer sich bewegen. Störend ist es, wenn über die eigenen Witze zu oft selbst gelacht wird.

Die zweite Runde begann in umgekehrter Reihenfolge der Slammer. Luca Swieter brachte ein (ungereimtes) Liebesgedicht zu Gehör. Erneut erreichte ihr sprachlich ausgereifter Vortrag Hochgeschwindigkeit, was die Konzentration der Zuhörer forderte. Abdul Kader Chahin befasste sich auf intelligente Weise mit den Paradoxa der Integration. Felicitas Friedrich thematisierte wortgewandt das Versinken im Gedankenkarussell. In der ersten Runde hatte das Publikum Abdul Kader Chahin 15 Punkte gegeben, Luca Swieter 18, Felicitas Friedrich 20 und Micha-El Goehre sechs Punkte. Das ärgerte ihn ganz offensichtlich. Seinen zweiten Vortrag begann er mit dem Hinweis, dass er bei sechs Punkten eh machen könne, was er wolle, weil es wohl völlig egal sei. Es folgte die peinliche Beschreibung aus dem Tagebuch eines Pornodarstellers. Dass das beim Publikum nicht gut ankam, zeigte es deutlich mit der geringen Punktzahl, die es vergab.

Die Endauswertung der Zuschauer war eindeutig: Die Frauen blieben vorne. Ein Stechen führte zu zwei Siegerinnen, wobei Felicitas Friedrich die Medaille erhielt und Luca Swieter den Sekt.

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