Kolumne Denkanstoß Gemeinsame Zukunftssuche mit alten Ritualen

Mönchengladbach · Unser Autor kann sich das nächste Osterfest trotz Corona und Krieg in der Ukraine als ein Fest vorstellen, das nicht einfach nur in der Vergangenheit Verlorenes sucht, sondern rituell und religiös aufmerksam dem Leben nachspürt.

 Ostereier bemalen gehört für unseren Autor zu den wichtigen Ritualen.

Ostereier bemalen gehört für unseren Autor zu den wichtigen Ritualen.

Foto: dpa/Matthias Bein

In der Corona-Zeit habe ich manche Rituale vermisst: Händeschütteln, Weihnachten mit voller Kirche, Geburtstag mit vielen Freunden und Verwandten, Ostern mit Eierfärben und Gemeindefrühstück. Rituale sind wichtiger, als wir dachten. Sicher, Rituale wurden auch schon verdächtigt, einengender Zwang zu sein. Für manche Rituale traf das wohl auch zu. Aber gute Rituale können uns mit dem verbinden, was uns geprägt hat und wichtig bleibt. Rituale geben Halt in verwirrenden Situationen.

Wir merken heute aber auch, dass unser Wusch nach einer einfachen Rückkehr in das früher „Normale“ und Vertraute nicht mehr möglich ist. Corona ist noch nicht vorbei, da wirft der Krieg Russlands gegen die Ukraine jahrzehntealte Selbstverständlichkeiten über den Haufen: Nie wieder Krieg in Europa? Keine Waffen in Krisengebiete? Es gilt nicht mehr. Und eine bis vor Kurzem erhoffte „neue Normalität“ können wir auch noch nicht erkennen.

Vielleicht kann ein Blick auf Ostern helfen: trotz der Katastrophe der Verhaftung, Folterung und Ermordung Jesu am Kreuz haben ihn seine Jüngerinnen und Jünger plötzlich doch als lebendig erfahren. So erzählt es die biblische Überlieferung, und man merkt, wie sie nach Worten für das sucht, was alle irdische Erfahrung übersteigt. Aber dieses Osterleben war keine Rückkehr in das „normale“ Leben vor dem Tod, sondern öffnete die Zukunft und brachte das neue Leben, das allein Gott schenken kann.

So könnte ich mir also das nächste Osterfest trotz Corona und Krieg in der Ukraine als ein Fest vorstellen, das nicht einfach nur in der Vergangenheit Verlorenes sucht, sondern rituell und religiös aufmerksam dem Leben nachspürt, die Zukunft sucht und mit ihr neuen Frieden und neue Freiheit. Die alten Rituale können dabei aber durchaus helfen: Ostereier färben, die die Kinder im Garten suchen, Osternacht in der dunklen Kirche mit der Kerze in der Hand, Osterfrühstück im Gemeindehaus, Gäste am Mittagstisch. Gemeinsame Zukunftssuche mit alten Ritualen. So möchte ich Ostern 2022 feiern.    

Stephan Dedring ist evangelischer Pfarrer in Rheydt.

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