Pfarrer aus Mönchengladbach Christentum und der Antijudaismus

Mönchenglabdach · Wie kommt es, dass Vorurteile gegenüber den Juden über Jahrhunderte lebendig blieben? Dieser Frage geht Pfarrer Hans-Ulrich Rosocha in seinem neuen Buch nach.

Hans-Ulrich Rosocha, evangelischer Pfarrer im Ruhestand, hat sich mit Antijudaismus in der Geschichte des Christentums beschäftigt.

Hans-Ulrich Rosocha, evangelischer Pfarrer im Ruhestand, hat sich mit Antijudaismus in der Geschichte des Christentums beschäftigt.

Foto: Ilgner,Detlef (ilg)/Ilgner Detlef (ilg)

„Antijudaismus im Christentum“, so lautete die Forschungsaufgabe, der sich Pfarrer Hans-Ulrich Rosocha stellte. Während der Coronazeit, führte er im Verlauf seines Vortrags vor etwa 20 Gästen im Haus der Regionen aus, habe er ausreichend Zeit gefunden, sich intensiv mit dem Thema zu befassen und die Ergebnisse seiner Untersuchungen in Buchform festzuhalten. Rosocha, inzwischen im Ruhestand, bezieht sich dabei vor allem auf das „Lexikon der antisemitischen Klischees“ von Peter Waldbauer von 2007.

Knapp 50 Seiten umfasst Rosochas Abhandlung – eigentlich zu wenig, um dem Thema gerecht zu werden, gab er zu. Doch genug, um die Leser ebenso wie die Zuhörer seines Vortrags mit Entsetzen, Unverständnis und Ratlosigkeit über die Haltung der christlichen Kirchen in der Judenfrage zu konfrontieren.

Um das Fazit vorwegzunehmen: Die christlichen Kirchen spielten bei der Entstehung des Antijudaismus eine wichtige Rolle. Sie luden große Schuld auf sich. Nicht zuletzt während des Pogroms 1938 waren sie sich ihrer Verantwortung für das Geschehen nicht bewusst und schwiegen.

Seinen Vortrag gliederte Rosocha in Anlehnung an sein Buch in acht Kapitel. Das Thema „Antijudaismus im Christentum“ wurde chronologisch vom Mittelalter bis zur Nachkriegszeit behandelt. Ein Kapitel schildert die Haltung Martin Luthers zum Judentum. Es ist eine unheilvolle Kette von Vorurteilen gegenüber den Juden, die ihren Ursprung, so Rosocha, in Jesus‘ Tod hat. „Die Schuld an seinem Tod wurde dem jüdischen Volk angelastet.“ Folglich wurden sie als Feinde des Christentums betrachtet. Die ersten Pogrome gegen Juden fanden bereits im Mittelalter zur Zeit der Kreuzzüge statt.

Der Entstehung der Ghettos widmete Rosocha ein eigenes Kapitel: Sie entstanden, als die Kirche die Forderung aufstellte, die Juden aus der bürgerlichen Gemeinschaft auszuschließen. Alle Juden mussten nun in Ghettos wohnen. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden sie abgeschafft.

Handel und Geld: Das klassische Negativ-Bild des Juden ist das des reichen Händlers und Geldverleihers. Dieses hatte seinen Ursprung im Ausschluss der Juden von allen öffentlichen Ämtern, landwirtschaftlichen und handwerklichen Berufen. So blieb ihnen nur der Handel. Und da das Geldgeschäft den Christen verboten war, wurde es zwangsläufig die Domäne der Juden.

Ein wichtiges Kapitel in Rosochas Vortrag widmete sich Martin Luther und dessen Wandlung vom Judenfreund zum Judenfeind. Luther setzte sich in seinen Schriften vehement für die Juden ein. Parallel dazu, führte Rosocha aus, erschien eine antijüdische Hetzschrift des Konvertiten Antonius Margaritha, der den Juden unter anderem vorwarf, den christlichen Glauben zu verunglimpfen und den Christen zu schaden. Und auch Luther änderte seine Haltung und begann, die Juden zu attackieren. Er habe, so Rosocha, schwere Schuld auf sich geladen. Rosocha erklärte in seinem Vortag zwar schlüssig die Ursachen der Vorurteile gegenüber Juden, der Ablehnung jüdischer Menschen als einen sich fortsetzenden Prozess. Man kann dieser Erklärung auch gut folgen, aber wirklich verstehen kann man sie nicht. Rosochas Appell lautete: „Wir haben als Christen unsere Wurzeln im Judentum. Daher haben wir gerade als Christen die Pflicht, an der Seite der jüdischen Gemeinden zu stehen.“ Ulrich Rosocha widmet das Buch seinem Vater, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre und wie viele seiner Generation unter der nationalsozialistischen Herrschaft zu leiden hatte.

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