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Kolumne Denkanstoß Schnell, langsam, langsam!

Mönchengladbach · Wir sollten die Ferien nutzen, um das Zuhören zu üben, meint unser Autor.

 Wer schnell schreit, zeigt eher die eigene Unsicherheit.

Wer schnell schreit, zeigt eher die eigene Unsicherheit.

Foto: Laaser, Jürgen (jl)

Noch schnell was essen, bevor ich zum Bus muss. Schnell die Sachen zusammen packen, die ich für morgen brauche, schnell die Aufgabe noch erledigen, bevor es Feierabend werden kann.

Schnell-Sein scheint wichtig, nicht nur im Sport. „Der frühe Vogel fängt den Wurm.“ Doch jetzt liegt eine Zeit der Entschleunigung, der Langsamkeit vor uns: die Sommerferien. Auch wenn nicht alle betroffen sind, auch wenn längst nicht alle verreisen (können), bestimmt uns ein anderer Rhythmus. „Der frühe Vogel kann mich mal.“ Dass das ganz wichtig ist, wissen wir. Uns daran zu halten, ist etwas ganz anderes…Vom Sommerloch scheinen wir auch dieses Jahr weit entfernt.

Mir fällt ein Vers aus dem Jakobusbrief ein (1,19): Ein jeder Mensch sei schnell zum Hören, langsam zum Reden und langsam zum Zorn. Wie gemalt für unsere aufgeregten Zeiten. Da meine ich nicht nur den Verkehr, wo wir (fast) alle sehr schnell aufbrausen und uns aufregen (ja, ich auch).

Die Gabe des Hörens, des Zuhörens, des Ernstnehmens des Gegenübers, auch wenn ich seine Ansichten nicht teile, scheint mir vielfach abhanden gekommen zu sein. Falls das direkte Gespräch überhaupt noch gesucht und nicht vielmehr die Anonymität des Netzes genutzt wird.

Ja, wir leben in verschiedenen Welten, auch hier in unserer Stadt. Hardt tickt anders als Eicken, Bettrath anders als Odenkirchen. Was überhaupt nicht schlimm ist. Schlimm hingegen ist, wenn ich überzeugt davon bin, dass ich allein die richtige Weltsicht habe. Wenn alle so leben und denken würden wie ich, wäre es für alle gut. Nein, das stimmt natürlich nicht und muss, kann und sollte auch gar nicht sein. Toleranz und Respekt, damit ein friedliches und auskömmliches Miteinander gelingt, sind nicht nur christliche, sondern auch humanistische Ideale, die es zu beherzigen gilt. Aufmerksames Zuhören, darüber mindestens einmal Luft holen, bedacht antworten und schon gar nicht gleich laut werden oder in die Luft gehen. Was schon vor 2000 Jahren menschlich war, ist es heute auch noch. Es liegt an uns, achtsam und wertschätzend miteinander umzugehen und ja, ich bin überzeugt davon, dass es gelingen kann. Natürlich basierend auf den Regeln, die uns das Grundgesetz, unter dessen Einfluss hier leben zu dürfen ich sehr dankbar bin, vorgibt. Mitunter ist es mühsam, aber niemals aussichtslos. Denn wer schnell schreit, zeigt oft eher seine eigene Unsicherheit denn dass seine Position die legitime ist. Nutzen wir doch die etwas entschleunigte Zeit der Ferien, um das Zuhören einzuüben. Und warten wir nicht darauf, dass andere damit beginnen. Ich kann mein Verhalten und dadurch auch meine Umwelt ändern. Damit wäre schon viel gewonnen. Für alle.

Burkhard Kuban ist  Pfarrer der Evangelischen Friedenskirchengemeinde Mönchengladbach Bezirk Hardt und Seelsorger im Herzpark Mönchengladbach.

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