Mönchengladbacher Online-Börse Provisorium Leerstand voller Möglichkeiten

Mönchengladbach · Die Online-Börse Provisorium soll Leerstand reduzieren. In Rheydt hat sich das Projekt bewährt, nun soll die Innenstadt von Mönchengladbach damit aufgewertet werden. Noch fehlt es aber an passenden Immobilien.

 Die Online-Börse Provisorium soll den Leerstand in Mönchengladbach reduzieren. Daran wirken mit (v. l.): Martin Wosik, Philipp Königs, Stefan Sturm, Katrin Jeuschnik, Markus Offermann, Barbara Schwinges, Marius Müller, Katharina Hieber und Eva Eichenberg. 

Die Online-Börse Provisorium soll den Leerstand in Mönchengladbach reduzieren. Daran wirken mit (v. l.): Martin Wosik, Philipp Königs, Stefan Sturm, Katrin Jeuschnik, Markus Offermann, Barbara Schwinges, Marius Müller, Katharina Hieber und Eva Eichenberg. 

Foto: Ilgner,Detlef (ilg)/Ilgner Detlef (ilg)

 Der Ort war nicht zufällig gewählt: die Waldhausener Straße 2-6, früher eine Spielothek, anschließend viele Jahre leerstehend. Dort präsentierten Stadtteilkoordinator Marius Müller, die Quartiersmanagements Mönchengladbach/Westend und Rheydt sowie die Wirtschaftsförderung Mönchengladbach die Online-Börse Provisorium. Der Internet-Auftritt ist überarbeitet worden, das Konzept dahinter allerdings bereits aus Rheydt bekannt: einfache und günstige Möglichkeiten schaffen, um innerstädtischen Leerstand zu reduzieren. Gelingen soll das durch Zwischennutzungen, also Kurzzeitmieten. In Rheydt läuft das Projekt bereits seit 2017, in den vergangenen Jahren sind dadurch 80 Zwischennutzungen von Leerständen ermöglicht worden. Gleiches erhofft man sich nun auch für die Innenstadt von Mönchengladbach.

„Die Innenstädte verändern sich. Es wird nicht mehr so viele Einzelhandelsgeschäfte wie vor 25 Jahren geben. Mit den Zwischennutzungen wollen wir Eigentümer und Stadtbevölkerung für eine andere Nutzung sensibilisieren, um die Innenstädte zu erhalten“, sagt Markus Offermann vom Quartiersmanagement Rheydt.

Laut Erhebung der Stadt aus dem Vorjahr sind 14 Prozent der Gebäude in der Mönchengladbacher Innenstadt leerstehend – alleine zwischen dem Alten Markt und der Sternstraße zählt Marius Müller 35 Leerstände. „Das sorgt für kein schönes Stadtbild“, sagt er. Provisorium möchte als Vermittler daher die passenden Nutzer mit der passenden Immobilie zusammenbringen – vor allem Start-ups, Künstler und Kunstschaffende sollen so vorübergehend Räume für ihre Ideen finden. Am Ende profitieren laut Vorstellung der Provisorium-Macher dann alle: Kreative, Eigentümer und die Stadtentwicklung.

Aus Rheydt gibt es dazu zahlreiche Beispiele. Aus einem leerstehenden Supermarkt an der Hauptstraße wurde 2017 der Skatepark „Rollmarkt“, die Zwischennutzung läuft bis heute. Oder das Café Cosmo, das vorerst für ein Jahr eine leerstehende Immobilie an der Bahnhofsstraße nutzen darf. Der Zeitraum der Zwischenmiete ist dabei individuell festzusetzen – je nach Nutzungsart und Willen von Mieter und Vermieter. Das kann von ein paar Wochen bis zu einem Jahr oder länger sein.

In Mönchengladbach gelang die erste Vermittlung über Provisorium an die Studentinnen Leonie Reuter, 24, und Kerima Strotmann, 26 – für ihre gemeinsame Bachelorarbeit, einer Kollektion aus alten Heimtextilien, suchten sie ein Atelier. „In der Hochschule haben wir dazu nicht den nötigen Platz. Außerdem kann man da die Sachen nicht einfach liegenlassen und am nächsten Tag weitermachen“, sagt Leonie Reuter. Über Bekannte kam der Kontakt zu Stefan Sturm von Quartiersmanagement Mönchengladbach/Westend zustande. Er kannte an der Straße An der Stadtmauer eine leerstehende Immobilie sowie den Eigentümer und überzeugte diesen von einer Zwischennutzung bis Ende Juli. So einfach ist das aber nicht überall.

Denn einen finanziellen Gewinn können sich die Vermieter nicht versprechen: Die Mieter sollen für die Zwischennutzung im Prinzip nur die Nebenkosten zahlen, der Rest ist Verhandlungssache – meist eine kleine monatliche Pauschale. Bei der gegenwärtigen Akquise von leerstehenden Immobilien sei das oft der Knackpunkt, sagt Sturm. Gerade bei Ladenflächen an der Hindenburgstraße. Dort sind die Mieten hoch, dazu die Eigentümer oft ausländische Investoren. Besser lasse sich daher mit Eigentümern sprechen, die auch vor Ort sind. Aber auch dort muss viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.

Diese Erfahrung wurde zu Beginn auch in Rheydt gemacht. „Irgendwann war aber der Punkt erreicht, an dem der Nutzen einer Zwischenvermietung erkannt wurde. Dafür war viel Lobbyarbeit nötig“, sagt Babara Schwinges vom Quartiersmanagement Rheydt. Aktuell stehen neun Immobilien aus Rheydt in der Online-Börse zur Verfügung, sechs sind davon in Nutzung.

Für Mönchengladbach sieht Sturm großes Potenzial in der Altstadt, an der Friedrichstraße oder im Westend. Bislang stehen allerdings nur vier Immobilien zur Verfügung – drei davon an der Waldhausener Straße. „Die Altstadt von morgen kann man mit dem Leerstand von heute steuern. Die Entwicklung ist bereits da, aber wir müssen sie weiter unterstützen“, sagt Stadteilkoordinator Müller. Er verweist auf die Vorteile des Modells für die Vermieter: „Eigentümer minimieren dadurch die Kosten für den Leerstand. Außerdem gewinnt die Immobilie durch die Zwischennutzung wieder an Attraktivität.“

Als positives Beispiel nennt er den Eigentümer der Waldhausener Straße 2-6. Dieser habe der Idee vom Provisorium auch erst skeptisch gegenübergestanden, sei mittlerweile aber bereit dazu. Aktuell nutzt eine Künstlerinitiative die Räume. Zwei weitere Interessenten haben sich bereits für die Zeit danach angemeldet. Die Nachfrage in Mönchengladbach ist also vorhanden. Es fehlt nur noch am nötigen Immobilienangebot.

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