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Gezeichneter Wochenkommentar Der Mann mit dem Koffer: 40 Jahre Nik in der RP

Mönchengladbach · Es ging um Schnee, als im Januar 1979 zum ersten Mal eine Karikatur von Nik Ebert in der Lokalausgabe der Rheinischen Post erschien. Viele Themen, die er seitdem aufgriff, scheinen in dieser Stadt ewig wiederzukehren.

 Niks erste Karikatur in der Rheinischen Post erschien am 6. Januar 1979.

Niks erste Karikatur in der Rheinischen Post erschien am 6. Januar 1979.

Foto: Nik Ebert

Er kam immer freitags. Nach der zweiten Redaktionskonferenz gegen 15 Uhr. Oft trug er eine Lederjacke, immer aber einen Aktenkoffer. Das Teil hatte augenscheinlich schon viel erlebt und sein Träger, Nik Ebert, meist gute Laune. Der Chronist, um das Jahr 1984 herum ein Jungspund, den die Redakteure versuchten, das Schreiben zu lehren, freute sich auf Freitage. Denn es war spannend, sich neben Nik an den Konferenztisch zu setzen, zu sehen, wie er den Koffer mit seinen Utensilien aufklappte und zu zeichnen begann.

Schon wenn der Bleistift für die Skizze übers Papier huschte, erblasste der um Texte ringende Grünschnabel vor Neid. Wie Nik scheinbar mühelos knollennasige Figuren aufs Papier zauberte, war faszinierend. Und das Resultat konnte sich sehen lassen. Und drucken. Ein Urteil, zu dem in den vergangenen vier Jahrzehnten noch viele gekommen sind: Große Zeitungen wie Rheinische Post und Stuttgarter Nachrichten, illustrierte Auflagenriesen wie Stern und Gong – auch dort sind Zeichnungen von ihm erschienen.

 Ein rares Dokument: Nik im Selbstportrait. Normalerweise beschäftigt er sich mit Personen und Ereignissen, die er in der Stadt und in der Welt beobachtet.

Ein rares Dokument: Nik im Selbstportrait. Normalerweise beschäftigt er sich mit Personen und Ereignissen, die er in der Stadt und in der Welt beobachtet.

Foto: Nik Ebert

Nicht nur Medien erkannten die Qualitäten des Rheydters. Das Haus der Geschichte in Bonn hat sich die Karikaturen gesichert, mit denen Nik im Mantelteil der Rheinischen Post die Wiedervereinigung Deutschlands begleitet hat. Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher, ein passionierter Karikaturen-Sammler, ward natürlich auch von Nik gezeichnet und erbat ein Motiv für seine Kollektion.

 Karikatur vom 12. September 1987: Niks Arbeiten sind jede Woche aktuell. Aber manche Probleme beschäftigen die Stadt offenbar immer wieder.

Karikatur vom 12. September 1987: Niks Arbeiten sind jede Woche aktuell. Aber manche Probleme beschäftigen die Stadt offenbar immer wieder.

Foto: Nik Ebert

Der Redaktions-Jungspund musste also bald einen Irrtum korrigieren. Was da am Konferenztisch so locker und leichthändig aussah, war ausdauernd erarbeitet. Auch 40 Jahre später noch sagt Nik: „Außer arbeiten gibt es nichts, was dich weiterbringt. Du musst üben, üben, üben.“ Zumal er zwar einiges (an)studiert hat – unter anderem Englisch und Jura –, aber keine Kunstakademie absolviert hat. Das Talent fürs Zeichnen stammt vom Vater. „Ich habe damit angefangen, schon bevor ich in die Schule kam. Ich habe gedacht, das ist was ganz Normales.“ Es erwies sich dann aber doch als ungewöhnlich.

 Kinder, wie die Zeit vergeht! Schon 2005 war das Schicksal von Haus Westland ein Dauerbrenner. Diese Karikatur stammt vom 18. Juni. Seitdem ist viel Sand durch die Uhr gerieselt.

Kinder, wie die Zeit vergeht! Schon 2005 war das Schicksal von Haus Westland ein Dauerbrenner. Diese Karikatur stammt vom 18. Juni. Seitdem ist viel Sand durch die Uhr gerieselt.

Foto: Nik Ebert

Bei der Rheinischen Post wurde Ende der 70-er Jahre die Lokalchefin Marianne Xhayet auf Nik aufmerksam. Ein „Gedicht der Woche“ erschien ihr nicht mehr zeitgemäß, etwas Frischeres sollte her. Ein Fotograf riet, es doch mal mit seinem Assistenten zu versuchen. Der zeichne dauernd. Nik begab sich in die Redaktion – und machte Nägel mit Köpfen. Xhayets Idee, prominente Mönchengladbacher zu portraitieren, wurde umgearbeitet: Es sollte Karikaturen zum aktuellen Stadtgeschehen geben, einmal pro Woche. Vereinbart wurde auch, dass sie „Die Karikatur der Woche“ heißen werde – schließlich wollte Nik schon damals nicht irgendeine Karikatur abliefern. Als der neue Mitarbeiter nach dem ersten Treffen die Redaktion verlassen hatte, soll Xhayet gefragt haben: „Ob der wohl öfters kommt?“

 5. April 2008: Die gelben Säcke erregten schon damals die Gemüter, wie die Müllentsorgung in MG überhaupt eine aufregende Geschichte hat. Historiker werden sie wohl einmal anhand der Karikaturen von Nik rekonstruieren können.

5. April 2008: Die gelben Säcke erregten schon damals die Gemüter, wie die Müllentsorgung in MG überhaupt eine aufregende Geschichte hat. Historiker werden sie wohl einmal anhand der Karikaturen von Nik rekonstruieren können.

Foto: Nik Ebert

Er kam, immer freitags, wie gesagt. Und auch wenn er das Zeichnen irgendwann in sein Büro verlegt hat – in den vergangenen 40 Jahren hat es maximal zehn Wochen in der Rheinischen Post ohne Niks gezeichneten Wochenkommentar gegeben. Und sicher nicht nur der arg ergraute Jungspund würde sich freuen, wenn das in den nächsten 40 Jahren nicht anders sein würde.

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