Kolumne Mensch Gladbach Gedankenexperimente

Mönchengladbach · Neuer OB, neuer Trainer, neuer Hochschul-Präsident – diese Stadt bekommt bald neue Führungskräfte. Nur haben zu viele Menschen ein ganz anderes, drängendes Problem in dieser Stadt.

 Die Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach.

Die Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach.

Foto: Ilgner

Wagen wir doch heute einmal ein Gedankenexperiment. Das sind Versuche, die in der Realität gar nicht klappen können. Wegen Quantenphysik und so. Stellen wir uns also vor: Wir wohnen in Mönchengladbach (der Gedanke an sich ist unverfänglich), wir sind Fan von Borussia (gibt’s auch ziemlich viele hier), und dann sind wir auch noch Student an der Hochschule Niederrhein. In dieser Kombination wird die Luft schon etwas dünner. Wenn dies alles auf uns zutrifft, dann sind wir bald dreifach führungslos. Unser Oberbürgermeister will nicht mehr, unser Cheftrainer darf nicht mehr, unser Hochschul-Präsident will auch nicht mehr. Jetzt machen wir die Augen wieder auf und stellen fest, dass wir die Regeln der Quantenphysik gebrochen haben. Ist ja alles wahr geworden! Oder besser: Wird ja bald alles wahr geworden sein! Und jetzt?

 Das ist noch kein Grund, in große Verzweiflung auszubrechen, auch wenn Hans Wilhelm Reiners (Oberbürgermeister), Dieter Hecking (Borussia) und Hans-Hennig von Grünberg (Hochschule) viel für oder zumindest in Mönchengladbach geleistet haben. Für unersetzlich werden sich aber richtigerweise alle drei von ihnen nicht halten. Die CDU ist jetzt mitten in der Kandidaten-Suche, Borussias Sportdirektor Max Eberl hat sie schon abgeschlossen, die Hochschule legt jetzt los.

Sie muss einen Präsidenten ersetzen, der das Profil der Hochschule Niederrhein für angewandte Forschung klug geschärft und sie als enger Partner der Wirtschaft platziert hat. Die Hochschule ist ein Standortfaktor, und als solcher wird sie im Zeichen des Fachkräftemangels immer wichtiger werden. In der Posse um die damalige AfD-Politikerin und Wirtschafts-Professorin Karin Kaiser allerdings hat das Präsidium unter von Grünberg eine denkbar unglückliche Figur abgegeben. Erst wurde eine Veranstaltung kurz vor der Bundestagswahl mit eindeutigem parteipolitischen Hintergrund in einem Raum der Hochschule genehmigt, dann diese Erlaubnis wieder zurückgezogen, dann wurde die Professorin vor die Tür gesetzt, die dann aber erfolgreich gegen die Kündigung vorgegangen ist. Von Grünberg räumte damals selbst Fehler ein, auch dies gehört zu seiner Amtszeit.

Das sind aber Probleme, die sehr vielen Menschen in dieser Stadt ziemlich egal sind. Sie haben ganz andere Sorgen: Jeder fünfte Gladbacher lebt an der Armutsgrenze, jedes dritte Kind von Hartz IV. Das ist schon seit vielen Jahren so, aber es wird nicht besser, trotz Aufschwungs der Stadt. Der geht aber an vielen Menschen komplett vorbei. Das ist fatal, denn diese Perspektivlosigkeit geht meist einher mit der völligen Abkehr von der Gemeinschaft, von der demokratischen Gesellschaft. Wenn wir in Mönchengladbach nicht endlich beginnen, etwas für diese Menschen zu tun, dann riskieren wir eine Spaltung, wie sie in anderen Ländern (USA, Großbritannien) längst zu beobachten ist. Der erste Schritt: Schafft endlich genügend günstigen Wohnraum für Einkommensschwache, und denkt daran bei der Seestadt und bei den Maria-Hilf-Terrassen.

Für das Wochenende regen wir folgendes Gedankenexperiment an: Sonne, 20 Grad, Heimsieg!

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