Sicherheit im Straßenverkehr Aufklären mit Schockfotos und Fahrsimulator

Mönchengladbach · Um zügig auf Gefahren im Straßenverkehr zu reagieren, üben Schüler der Hans-Jonas-Gesamtschule im Rahmen einer Projektwoche mit einem Fahrsimulator. Warum das Angebot wichtig ist, wie die Schüler die Aktion finden und was drastische Bilder mit alledem zu tun haben.

Nils Jakobs blickt fokussiert auf den zu befahrenden Straßenabschnitt, Polizist Huppertz achtet genau auf die Ausführung der Übungsfahrt.

Nils Jakobs blickt fokussiert auf den zu befahrenden Straßenabschnitt, Polizist Huppertz achtet genau auf die Ausführung der Übungsfahrt.

Foto: Katharina Luxen

„Hat jemand selber schon einmal einen schweren Verkehrsunfall gehabt oder erlebt? Das muss ich wissen, denn dann zeige ich manche Bilder lieber nicht“, sagt Verkehrssicherheitsbeauftragter Stefan Huppertz von der Polizei. Keiner der Schüler hat Einwände. Was folgt, sind einprägsame, drastische Fotos. Ein junger Mann liegt rücklings auf einer regennassen Straße, umgeben von einer riesigen Blutlache. Sein Kopf völlig zertrümmert. „Hier sieht man auch einen Teil des Gehirns“, sagt Huppertz und zeigt auf den Bildschirm. Gebannt blicken die Schüler der Sekundarstufe II der Hans-Jonas-Gesamtschule Neuwerk in ihrem Klassenraum auf den Bildschirm. Zwischen Mathe und Deutsch steht am Donnerstag an diesem Tag etwas Besonderes auf dem Stundenplan: Verkehrserziehung. Und dazu gehören auch drastische Methode – wie das Zeigen von Schockbildern.

Das Autofahren zu lernen mithilfe eines Fahrsimulators steht ebenfalls auf dem Programm. Nils Jakobs (18) probiert den Simulator als Erster aus. Er hat zwar bereits seit rund zwei Monaten den Führerschein, findet den Simulator aber dennoch ideal zum Üben: „Die Simulation ist sehr realistisch, damit kann man gut trainieren.“

Oberstufenleiter Sven Dillmann ist mit vor Ort. Er sieht die Verkehrserziehung als eine Aufgabe der Schule. Daher biete diese den Oberstufenschülern als Teil der Projektwoche in Kooperation mit der Mönchengladbacher Polizei ein Verkehrssicherheitstraining an. Die Schüler seien gerade in einem Alter, in dem sie den Führerschein machen. Daher sei es das Ziel, diese auf die „Ablenkungen im Straßenverkehr“ und auf potenzielle Gefahren aufmerksam zu machen, sagt Lehrer Dillmann. Im vergangenen Jahr hätten die Schüler in Kooperation mit dem ADAC einen Überschlagssimulator getestet. Dieses Mal werde der Fahrsimulator der Verkehrswacht Mönchengladbach zur Prävention genutzt, sagt Dillmann weiter.

Polizist Stefan Huppertz schildert im kleinsten Detail schwerste Verkehrsunfälle im Stadtgebiet, untermalt mit einer Reihe an Fotos, die das Ausmaß des Unglücks und auch Leichen zeigen. Huppertz erzählt: Er selbst sei seit 41 Jahren im Dienst und habe viele Unfälle erlebt. Manche Bilder bekomme er bis heute nicht mehr aus dem Kopf. Aufarbeitung des Gesehenen sei daher besonders wichtig. Einige Schüler betrachten die Bilder interessiert, andere schauen schüchtern nach unten.

Der Polizist möchte aufklären. Sein Ziel sei es, „den jungen Menschen etwas weiterzugeben, damit sie nicht in solche Situationen geraten“. Für ihn sei es eine „Herzenssache“. Eindringlich appelliert er explizit an die Schülerinnen: „Lasst euch nicht kaputt fahren.“ Denn es seien seiner Aussage nach vor allem junge Männer, die die Geschwindigkeit überschreiten würden. Junge Frauen, die mit ihren männlichen Freunden als Beifahrerin im Auto sitzen, sollten dem Fahrer direkt mitteilen, wenn dieser zu schnell für ihr Empfinden fahre und gegebenenfalls bei Nichtbeachtung die Konsequenz ziehen und den Fahrer bitten, an der nächsten Ampel zum Aussteigen anzuhalten, sagt Huppertz. Frauen demgegenüber ließen sich vermehrt beispielsweise durch das Handy am Steuer ablenken.

Er nennt Beispiel über Beispiel an schweren, teils tödlichen Unfällen von jungen Menschen. Einst sei ein junger Mann an einer Unfallstelle vorbeigekommen, an der sein junger Bruder gerade verstorben war. „Solche Nachrichten zu überbringen ist besonders schwer“, sagt Huppertz. Damals habe der große Bruder nach einem Schock dann zu den Rettungskräften vor Ort gesagt: „Ja, das musste irgendwann mal so kommen, er ist immer zu schnell gefahren.“

Der Verkehrssicherheits-beauftragte nennt den Schülern die vier häufigsten Gründe für Autounfälle und die fatalen Folgen: erhöhte oder nicht angepasste Geschwindigkeit, Alkohol oder Drogen, Ablenkung und das Nichtanschnallen im Auto. Er berichtet von einer Statistik, die besage, dass an jedem vierten schweren Verkehrsunfall Personen im Alter von 16 bis 24 Jahren beteiligt sind oder diesen verursachen. „Ihr seid für euch verantwortlich, ihr entscheidet“, sagt er den Schülern eindringlich.

Um mögliche Ablenkungen im Straßenverkehr zu simulieren, dürfen die Schüler am Ende der Veranstaltung den Fahrsimulator testen. Ausgestattet mit Lenkrad, Gaspedal und Bremse sitzt immer ein Schüler am Steuer. Mal läuft ein Rentner mit Rollator über die Straße, mal hält sich jemand nicht an die Vorfahrt. Die Schüler müssen reagieren – und zwar zügig, bevor es zu spät ist. Nils Jakobs, der den Simulator testet, findet besonders gut, dass man nach einer abgeschlossenen Fahrt, Werte zum Bremsweg und zum Reaktionsvermögen angezeigt bekomme. Das sei sehr aufschlussreich.

Gemeinsam mit Polizist Huppertz analysieren die Schüler die Simulation. Alle scheinen Spaß an der Aufgabe zu haben. Nils Jakobs freut sich, dass er „alles thematisch abdecken“ konnte. Nach und nach setzen sich die Schüler hinters Steuer und üben praktisch, was sie zuvor theoretisch gelernt haben. Sie üben, zu überleben.

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