Großübung „Defender 2020“ Tausende US-Militärfahrzeuge halten in Mönchengladbach

Mönchengladbach · Bei der größten Verlegeübung von US-Truppen seit einem Vierteljahrhundert machen 3700 Militärfahrzeuge in den Ayrshire-Barracks gegenüber dem Borussia-Park Station. Sie fahren nachts und in kleineren Kolonnen.

 US-Streitkräfte machten schon im Oktober 2019 in den Ayrshire Barracks Halt in Mönchengladbach.

US-Streitkräfte machten schon im Oktober 2019 in den Ayrshire Barracks Halt in Mönchengladbach.

Foto: Andreas Gruhn

Mit dem Manöver „Defender Europe 2020“ wird die schnelle militärische Verstärkung europäischer Nato-Staaten durch die USA geprobt. Hintergrund ist die veränderte sicherheitspolitischen Lage insbesondere für die osteuropäischen Bündnisländer. 20.000 der insgesamt teilnehmenden 37.000 Soldaten kommen mitsamt Material und Fahrzeugen in Schiffen und Flugzeugen direkt über den Atlantik nach West-Europa und werden danach durch zehn Länder nach Polen und ins Baltikum rollen – rund 4000 Kilometer lang sind die geplanten Konvoi-Routen.

 Die Ayrshire-Barracks liegen geostrategisch günstig und werden deshalb weiter von den britischen Streitkräften genutzt – unabhängig vom „Brexit“ und den bereits zuvor gefassten Beschlüssen in London zum Truppenabzug aus Deutschland. In dem Depot befinden sich nach britischen Angaben noch rund 1000 Gefechts- und Versorgungsfahrzeuge, die von etwa zehn Soldaten betreut werden, die wiederum durch eine nicht bekannte Zahl an Zivilangestellten ergänzt werden. Auf Luftbildern sieht man rund 40 große Hallen, ausgedehnte Freiflächen und einen Bahnanschluss. Einen direkten Zugang zur A 61 gibt es offenbar nicht mehr.

 Die Briten nutzen „Defender Europe 2020“ zur Ausbildung einer ihrer Logistik-Brigaden: Sie versorgt die US-Einheiten in Mönchengladbach mit Treibstoff und Verpflegung, wartet die ankommenden Kfz und bietet den Besatzungen Ruheräume an. Dazu werden 200 weitere britische Versorgungs- und Instandsetzungsfahrzeuge eingesetzt.

 Für den Transit durch NRW ist vonseiten der Bundeswehr das Landeskommando in Düsseldorf verantwortlich. „Die Übung läuft nach deutschen Rechtsgrundsätzen ab, die Konvois werden von deutschen Feldjägern begleitet. Kette kommt nicht auf die Straße, soll heißen: Kampf- und Schützenpanzer werden auf Tiefladern transportiert“, beruhigt Oberst Detlev Konrad Adelmann, der stellvertretende Kommandeur. Amerikanische Militärpolizisten führen bei den Bundeswehr-Feldjägern mit, die deutsche Polizei koordiniere die Verkehrsbewegungen. Die geplanten Kolonnen und Fahrtstrecken seien dem Landesverkehrsministerium bereits offiziell mitgeteilt worden, berichtet Adelmann. „Pro Tag werden dort übrigens im Durchschnitt 830 zivile Sondertransporte angemeldet, also Lastwagen, die zu breit, zu hoch oder zu schwer sind. Da fallen unsere Konvois – gesamt und verteilt über zweieinhalb Monate – kaum ins Gewicht.“

 Die US-Truppen werden in Häfen in den Niederlanden, in Belgien und auch in Deutschland angelandet, die Rede ist unter anderem von den Binnenhäfen Duisburg und Krefeld. Die Flughäfen in NRW sind nicht betroffen. Das Militär will sich aber nicht zu genau in die Karten schauen lassen. Ein wesentlicher Teil des Geräts und auch Personal werde, so heißt es, per Bahn transportiert, was Mönchengladbach offenbar nicht tangieren wird. Die Bundesrepublik habe Wert daraufgelegt, dass über die Osterfeiertage keine Militärfahrzeuge unterwegs sind, betont der Oberst. „Defender Europe 2020“ dauert für den Niederrhein bis Ende Mai und ist eine Einbahnstraße: Nach Ende des Manövers werden die US-Kampfverbände über die Ostsee und örtliche Flugplätze direkt in die USA zurückgeschafft.

 Die Verteidigungsallianz hat vor, diese Form der Truppenverstärkung zukünftig wieder regelmäßig zu trainieren. Dabei werden die Einsatzorte wechseln. So soll es im nächsten Jahr nach Südost-Europa gehen.

 Die Ayrshire-Barracks haben eine lange Geschichte. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs gehörte dieser Bereich zu einem Fliegerhorst der deutschen Luftwaffe und wurde 1945 von der britischen Rheinarmee übernommen. Im Kalten Krieg waren bis Anfang der 1990er Jahre auf dem Gelände südlich der Aachener Straße amerikanische Soldaten stationiert: Die 14. Combat Equipment Company (etwa: Gefechtsausrüstungskompanie) richtete hier ein modernes Depot mit klimatisierten Traglufthallen ein, in dem zeitweise mehr als 2700 Radfahrzeuge, 1200 Kettenfahrzeuge, Pioniergerät, Munition und 1500 Anhänger gelagert waren.

Sie wären im Verteidigungsfall von einer eingeflogenen US-Panzerdivision aus Texas übernommen worden, was damals im Rahmen sogenannter Reforger-Übungen (die Abkürzung steht für „Return Forces to Germany“) regelmäßig geübt wurde. Nach dem Mauerfall steuerte die Bundeswehr in großem Stil „Leopard“-Kampfpanzer über die Ayrshire-Barracks aus – dem Vernehmen nach vor allem in Richtung Griechenland und Türkei.

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