In NRW und Mönchengladbach Übergriffe an Schulen nehmen zu

Mönchengladbach · Beleidigungen, Respektlosigkeit und Verrohung – an Schulen gibt es immer mehr Entgleisungen von Kindern und Eltern. Doch nicht alles fließt in die Statistiken ein.

 Vorfälle an der Gesamtschule Espenstraße hatten bundesweit für Aufsehen gsorgt.

Vorfälle an der Gesamtschule Espenstraße hatten bundesweit für Aufsehen gsorgt.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Laut Polizeistatistik wächst die Zahl der Gewalttaten an Schulen. 22.900 wurden im Jahr 2017 nach jüngsten Veröffentlichungen landesweit registriert, das waren fast fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Nicht mitgezählt sind die Taten, die nicht angezeigt wurden. Auch in Mönchengladbach wird eine zunehmende Verrohung an Schulen beobachtet. Bei der Polizei sind 300 Straftaten an Schulen für das Jahr 2017 registriert. Das meiste sind Diebstähle. Aber auch 61 sogenannte Rohheitsdelikte fallen darunter, womit Straftaten wie Raub und Körperverletzung gemeint sind.

Doch weit häufiger geschieht an Schulen, was in keine Statistik einfließt: Beschimpfungen, Mobbing und Beleidigungen. Das passiert Schülern, häufig sind aber auch die Pädagogen die Opfer. „Was den Umgang miteinander betrifft, stehen Lehrer in einer Reihe mit Polizisten, Rettungskräften und Ärzten“, sagt Ruth Reinartz, Vorsitzende der GEW Mönchengladbach. Sie werden mit Schimpfwörtern provoziert, manchmal auch gekniffen, gebissen und bespuckt. Entgleisungen, vor allem verbale, gebe es immer wieder. „Bei den Schülern wird es entschuldigt, bei den Lehrern nicht“, berichtet Reinartz, die selbst Lehrerin an einer Hauptschule ist. Auch Ute Magiera, stellvertretende GEW-Vorsitzende und Lehrerin an einer Gesamtschule, findet, dass der Ton rauer geworden ist.

 Ute Magiera (links) und Ruth Reinartz vom GEW-Vorstand in Mönchengladbach.

Ute Magiera (links) und Ruth Reinartz vom GEW-Vorstand in Mönchengladbach.

Foto: Gaqbi Peters/Gabi Peters

Die Erfahrung hat auch Schulamtsdirektorin Ursula Schreurs-Dewies gemacht: „Es gibt eine allgemeine Verrohung der Sprache.“ Manche Kinder würden heute Schimpfwörter in den Mund nehmen, die früher undenkbar gewesen wären. In den meisten Elternhäusern laufe es ordentlich ab, aber es gebe eben auch die, in denen Respektlosigkeit vorgelebt werde, in denen es keine Regeln gebe. Da stehe niemand mit dem Kind morgens auf oder tische regelmäßig Essen auf. „Erziehung ist schwierig. Deshalb machen es manche nicht.“ Lehrer müssten das ausgleichen. „Soziales Lernen gehört heute zum Tagesgeschäft in Schulen“, sagt die Schulamtsdirektorin.

Auch die Kindheit habe sich geändert, glaubt man bei der GEW. „Wenn wir früher etwas haben wollten, dann haben wir gejobbt und gespart, damit wir es uns leisten können“, sagt Ruth Reinartz. Heute wollten die Eltern, dass es dem Kind möglichst gut geht.  „Ich habe schon erlebt, dass ein Kind für eine Drei plus in der Arbeit ein neues iPhone bekam.“ Auf der anderen Seite gebe es Kinder, die selber klar kommen müssten. Das berge Konfliktpotenzial. Oft sollen es die Lehrer dann richten, das sei die Meinung vieler Eltern, sagt Ute Magiera. Und offenbar gibt es auch Erziehungsberechtigte, die ihre Forderungen an die Lehrer in überhöhter Lautstärke verkünden – manchmal in der Schule, manchmal auch bei der Schulaufsicht. „Hier bei uns im Schulamt melden sich im Jahr 20 bis 30 Beschwerdeführer, die sehr hartnäckig sind“, sagt Ursula Schreurs-Dewies.

„Lehrer müssen immer mehr leisten“, findet Ruth Reinartz. Und weil es sowieso schon zu wenig ausgebildete Lehrer gebe, „kommen wir auch immer mehr an unsere Grenzen“, so die GEW-Vorsitzende. Integration, Inklusion – die Welt werde auch in der Schule immer heterogener, fügt Ute Magiera an. Das bedeute mehr Aufwand und mehr Personal. Fast alle Schüler hätten heute eine Besonderheit, einen Migrationshintergrund, speziellen Förderbedarf oder Schwierigkeiten zu Hause. Das erfordere besondere Zuwendung. „Lehrer sind oft wichtige Bezugspersonen“, sagt Reinartz.

Lehrermangel gibt es auch an Mönchengladbacher Grundschulen. Zurzeit sind laut Schreurs-Dewies 30 bis 40 Stellen unbesetzt. Die Schulamtsdirektorin sieht die Belastung der Lehrer – trotz guter Projekte wie „Home plus“. Sie setzt auf die Neueinstellung von sozialpädagogischen Fachkräften für die Schuleingangsphase. „Wir erwarten einen großen Schwung im Oktober“, sagt sie. Dann sollten alle Grundschulen vor allem in belasteten Sozialräumen eine Fachkraft haben.

Oft fehlten ausgerechnet in diesen schwierigen Sozialräumen Lehrer, dabei würden sie dort am meisten gebraucht, sagt Ruth Reinartz. Und: „Ausgebildete Pädagogen können sich heute die Stellen aussuchen. Und natürlich wählen sie die für sie attraktivsten Schulen aus.“ Auch da müsse noch einiges getan werden.

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