Mönchengladbach Rollenspiele mit viel Fantasie

Mönchengladbach · Die Mitglieder der Gruppe „Sturmrheydter“ schlüpfen regelmäßig in andere Rollen und stellen zusammen Fantasy-Geschichten nach. Kostüme und Rollen sind so detailliert wie möglich.

 Beim „Live Action Role Play“, also dem Live-Rollenspiel, schlüpfen die Teilnehmer in fiktive Rollen und tragen auch deren Kostüme. Hier einige Mitglieder der Gruppe „Sturmrheydter“.

Beim „Live Action Role Play“, also dem Live-Rollenspiel, schlüpfen die Teilnehmer in fiktive Rollen und tragen auch deren Kostüme. Hier einige Mitglieder der Gruppe „Sturmrheydter“.

Foto: Sonja Brand

Das Mittelalter begeistert noch heute viele Menschen verschiedener Generationen. Vom 10. bis 12. August findet in Rheydt wieder das Ritterfest statt, bei dem alte Bräuche und Handwerke gezeigt und Ritter in voller Montur bei inszenierten Turnieren und Zweikämpfen bestaunt werden können.

In Rheydt gibt es eine Gruppe, die ebenfalls in aufwändig gestaltete Kostüme und Rollen schlüpft, und das mehrmals im Jahr: Die „Sturmrheydter“ sind eine so genannte LARP-Gruppe und bestehen zum großen Teil aus befreundeten Familien, die ihrer Freizeitaktivität mit Herz und Seele nachgehen: Die Abkürzung „LARP“ steht für die englische Bezeichnung „Live Action Role Playing“, also ein Live-Rollenspiel, bei dem jeder Teilnehmer eine bestimmte Rolle so authentisch wie möglich verkörpert, die auf einer vorher festgelegten Geschichte basiert. Man trifft sich an ausgewählten Orten, die für die Handlung der Geschichte am besten geeignet sind. Oft spielen sie auch in der Thematik des Mittelalters. Doch die Rollenspieler unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von den Darstellern, die auf mittelalterlichen Veranstaltungen anzutreffen sind.

Sonja Brand ist schon seit einiger Zeit bei den „Sturmrheydtern“ und erklärt den Unterschied: „Mittelalterfeste basieren meistens auf einer authentischen geschichtlichen Grundlage und stellen Szenarien aus dem Mittelalter dar. Es ist sehr wichtig dabei, dass Requisiten und Material wie Stoffe und Waffen verwendet werden, die so originalgetreu wie möglich sind.“ Diese Darstellungsart nennt man „Reenactment“, weil sie etwas aus der realen Vergangenheit nacherzählt. Beim Live-Rollenspiel spielten die Geschichten öfter auf mittelalterlichem Hintergrund, doch es sei immer eine rein fiktive Welt mit Wesen, die nur in der Fantasie existierten. „Einmal haben wir zum Beispiel den ,Tanzenden Kobold´ gespielt. Die Grenzen zwischen keltischer Mythologie, Fantasy und Märchen sind nicht festgelegt. Es ist vielmehr eine gemischte Anderswelt“, sagt Brand.

Das Reenactment, also das Nachstellen geschichtlicher Begebenheiten, auf dem Mittelalterfest verlangt dagegen einen festen Rahmen und klare Regeln. Man befindet sich in einem realistischen Zeitkonzept und auch die Rollen sind authentisch. Die Rollenspieler haben da wesentlich mehr Freiraum, sagt Brand: „In unserer Welt ist alles möglich. Wir erfinden Rollen zum Teil komplett neu. Eine Frau muss in ihrer Rolle zum Beispiel nicht irgendeinem geschichtlichen Ideal entsprechen, sondern legt ihre Rolle selber fest.“ Generell gebe es bei ihnen keine Stigmata. Menschen aus den unterschiedlichsten Berufsschichten machen bei der Gruppe mit. Es komme öfter vor, dass auf einmal ein Chef aus dem realen Leben in der fiktiven Geschichte eine weniger wichtigere Rolle verkörpere als die Angestellte. „Das ,Standesgefälle’, so wie man es kennt, verändert sich“, meint Brand. Alles, was zählt, sei der Spaß, mit netten Leuten zusammen zu sein und seinem Hobby nachzugehen.

Die meisten der „Sturmrheydter“ haben bereits eine Familie und somit auch weniger Zeit für Aktivitäten außerhalb des Alltags. Doch das Rollenspiel lädt die ganze Familie dazu ein, einfach mal aus der Routine zu kommen und seiner Fantasie freien Lauf zu lassen. „Es ist wie ein Urlaub vom Hier und Jetzt“, betont Brand. „Man kann die Welt wieder mit kindlichen Augen sehen. Ich bin wie viele andere als Kind mit den unterschiedlichsten Märchen aufgewachsen. Und es ist einfach toll, den Alltagsstress und das realistische Denken für eine gewisse Zeit hinter sich zu lassen.“

Die „Sturmrheydter“ besuchen gemeinsam Events oder organisieren sie selbst. Die finden auf Zelt- und Lagerplätzen statt, wo dann Requisiten, Zelte und alles Notwendige zum Nachspielen der fiktiven Geschichten aufgebaut werden müssen. „Auch in der fiktiven Welt sollte alles möglichst authentisch aussehen und man muss sich zum Beispiel mit bestimmten Handwerken, die die eigene Rolle ausmachen, ausführlich auseinandersetzen“, sagt Brand. Fertigkeiten wie das Schmieden müssten vorher zum Teil erlernt werden. Ein Mediziner müsse sich von dem Wissen was er heutzutage hat, loseisen und sozusagen zurück zu den Wurzeln gehen und alte Heilmethoden recherchieren. Es bräuchte oft ein entscheidendes Hintergrundwissen, um in seiner Rolle richtig aufzugehen, sagt Brand. „Es fühlt sich an, als hätte man ein Zweitleben mit komplettem Hausstand in einer anderen Welt.“

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