Aunde, Trützschler, SMS group, Mühlhäuser Nächtlicher Besuch in der Industrie

Mönchengladbach · Von Marmelade kochen bis Weben: Bei der Langen Nacht der Industrie zeigten Unternehmen, wie sie arbeiten. Es gab Einblicke, die verblüfften.

 Bei der Firma Mühlhäuser ging’s um Süßes: Marmelade.

Bei der Firma Mühlhäuser ging’s um Süßes: Marmelade.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Aunde Die schiere Größe des Werksgeländes überrascht. „Das hätte ich nie vermutet“, sagt eine Besucherin nach der Führung. Im Vorüberfahren fällt das Aunde-Werk an der Waldnieler Straße auch nicht sehr auf. Die Zeit der hohen Schlote ist in der Textilindustrie längst vorbei. Heute ist High Tech angesagt. Es gab einen enormen Wandel und Aunde hat ihn bewältigt. „1982 hatten wir dieses eine Werk hier an der Waldnieler Straße“, erklärt Rolf Königs, Geschäftsführer der Aunde-Gruppe. „Heute sind wir weltweit vertreten.“

Die Firmengeschichte beeindruckt: 1899 beginnt Achters & Ebels mit acht Webstühlen, 2019 gibt es drei große Marken und 117 Werke in 29 Ländern. Von einer Weberei wandelte sich das Unternehmen zu einem Produzenten des gesamten automobilen Interieurs – Stoffe, Sitze, Armlehnen oder Center-Konsolen. „Heute werden Autos von innen nach außen entwickelt“, erklärt Königs. Bei allem weltweiten Anspruch: Aunde bekennt sich zur Heimat und am Standort Waldnieler Straße wird kräftig produziert. In der Weberei zum Beispiel arbeiten 96 Webmaschinen unter der Aufsicht von zehn Mitarbeitern pro Schicht rund um die Uhr. Auf einer Maschine wird gerade ein dunkelblau-gemusterter Stoff gewebt, über den die Gäste ihre Hände gleiten lassen. „Für BMW“, sagt Aunde-Mitarbeiterin Bettina Berschick, die eine Gruppe führt.

 Bei Aunde konnten die Besucher erfahren, was Textilien mit Autos zu tun haben.

Bei Aunde konnten die Besucher erfahren, was Textilien mit Autos zu tun haben.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

An der nächsten Maschine wird vor den Augen der Besucher das Aunde-Logo gelb in blau-grauen Stoff eingewebt. Rasend schnell bewegt sich die Maschine. Damit die Gäste sehen, was passiert, verlangsamt der Mitarbeiter den Vorgang. Nun lässt sich erkennen, wie der gelbe Faden von links eingeschossen wird, in der Mitte die Führung wechselt und nach rechts gezogen wird.

In der Kaschiererei ist warm und riecht nach Waschmittel, denn die meisten Stoffe werden erst einmal gewaschen. Ein paar Schritte weiter folgt eine Überraschung: In der Maschine brennt es. Kontrolliert natürlich. Der Mitarbeiter an der Maschine löscht kurz das Licht und das Flammenspiel wird erkennbar. Hier werden drei Schichten unterschiedlicher Materialien miteinander verschmolzen.

Letzte Station des Rundgangs ist das Textillabor. Textilien werden gedehnt oder Nicht-Entflammbarkeit geprüft. Um den Abrieb zu kontrollieren, werden Stoffproben mit Schmirgelpapier bearbeitet. Ein Stoff, der im Auto verwendet wird, muss das aushalten. Mehr als 1,2 Millionen Quadratmeter Textilien werden im Mönchengladbacher Aunde-Werk im Monat produziert.

Mühlhäuser Marmelade aus Mönchengladbach? Die meisten würden bei dieser Frage wohl höchstens auf Selbstgemachtes verweisen. Tatsächlich trägt die Firma, die in Mönchengladbach süß-fruchtigen Brotaufstrich produziert, das thüringische Mühlhausen im Namen. Dort wird auch das berühmteste Produkt des Unternehmens Mühlhäuser hergestellt, das Pflaumenmus. „Beim Pflaumenmus sind wir mit einem Marktanteil von über 50 Prozent Marktführer“, sagt Vertriebsdirektor Andreas Heinz, als er die Besucher in die Firmengeschichte einführt. Der deutlich größere Standort des Unternehmens liegt an der Boettgerstraße im Neuwerker Gewerbegebiet. Dort wird der Löwenanteil der 40 Millionen Gläser Konfitüre produziert, die Mühlhäuser im Jahr auf den Markt bringt.

Hergestellt werden die Marmeladen und Konfitüren aus Tiefkühlware. Obwohl die Lager auf die Besucher riesig wirken, wird dort nur so viel Ware eingelagert, wie in den nächsten ein bis zwei Produktionstagen verbraucht wird. Und was passiert in einer Fabrik, die Marmelade herstellt? „Eigentlich das Gleiche wie beim Marmeladekochen zu Hause in der Küche“, sagt Betriebsleiter Thorsten Kunze. Allerdings in riesigem Maßstab. Auf der Kochbühne werden pro Kessel 500 Liter Konfitüre gekocht.

  Noch etwas ist anders: Es wird unter Vakuum gekocht. „Das ist schneller und schonender“, erklärt Kunze. Es gibt an verschiedenen Stellen Fremdkörperdetektoren, um zu verhindern, dass verunreinigte Ware auf den Markt kommt. 40 Minuten lang wird bei jedem Fruchtwechsel gereinigt. Schließlich soll Erdbeermarmelade nicht nach Orangen schmecken.

Trützschler Der seit 1948 in Odenkirchen ansässige Textilmaschinenhersteller Trützschler organisierte für die etwa 50 Interessierten eine Führung durch seine Produktionshallen und gab die Möglichkeit den Prozess der Spinnereivorbereitung näher kennenzulernen. Dieser umfasst die Bereiche Baumwolle und Chemiefasern sowie Mischungen.  Produziert werden Putzereimaschinen, Strecken, Karden und Kämmereimaschinen. „Wir bearbeiten den Rohstoff, der hier angeliefert wird, bis zum Erzeugen eines Garnes oder einer Textilen Fläche wie ein Fleece“, erklärt Anke Heimhardt. „Alles – über das Reinigen, Schmutz ausscheiden, Fasern parallelisieren und kurze Fasern ausscheiden – wird von unseren Maschinen übernommen.“ Um die einzelnen Prozesse gut nachvollziehen zu können, sind zur Visualisierung an Schautafeln, Modellen und interaktiven Displays die Bereiche erklärt. Die Besucher können so den Weg vom Entpacken des Rohstoffes durch die Entpackmaschine bis hin zum fertigen Garn verfolgen und in den imposanten Maschinen nachvollziehen. Das Unternehmen hat außer in Mönchengladbach noch weitere neun Standorte in sechs verschiedenen Ländern. In Odenkirchen arbeiten 750 Mitarbeiter. Auch Ausbildungsplätze können noch in verschiedenen Berufen im Unternehmen besetzt werden.

 Bei Trützschler in Odenkirchen wurde unter anderem die Spinnereivorbereitung erläutert.

Bei Trützschler in Odenkirchen wurde unter anderem die Spinnereivorbereitung erläutert.

Foto: Renate Resch

SMS Kaum jemand macht sich Gedanken, wie und womit die einzelnen Teile seines Autos hergestellt werden. Man macht sich nicht klar, dass es eine Vielzahl  von Teilen sind, die nur im präzisen Zusammenspiel funktionieren. Unternehmen wie die SMS group stellen die Maschinen und Anlagen  her, mit denen metallische Werkstoffe wie Stahl, Aluminium und andere Nichteisenmetalle hergestellt und weiterverarbeitet werden, die zum Bau von Autos notwendig sind. Vom Walzwerk zur Herstellung von Blechen bis zur Schmiedeanlage für die Herstellung etwa von Kurbelwellen.

Für die industrielle Fertigung bedarf es unterschiedlicher Maschinen. „In den letzten 20 Jahren haben wir vielleicht zwei identische Maschinen hergestellt“, sagt Tino Stils, der den Besuchern die Abläufe in der Fertigung erklärt.

 Die SMS group ist in Familienbesitz, sie stellt Maschinen und Anlagen her.

Die SMS group ist in Familienbesitz, sie stellt Maschinen und Anlagen her.

Foto: Renate Resch

Mit neuester und digitaler Technologien behauptet sich SMS group in der Branche. „Wir entwickeln neue Anlagen für die Erzeugung und Verarbeitung von Metallen und Nichteisenmetallen“, sagt Thilo Sagermann, der für die Unternehmenskommunikation zuständig ist. Schon heute stellt sich das Unternehmen die Frage, was die Welt in 20 Jahren beschäftigen wird und welche Herausforderungen die Zukunft bringt: zum Beispiel Konzepte für Nachhaltigkeit und CO2-Reduzierung, zur Mobilität mit e-Antrieb und den damit verbundenen Anforderungen an die Erzeugung und Verarbeitung von Metallen.

Mit insgesamt 14.000 Mitarbeitern erwirtschaften das Unternehmen weltweit einen Umsatz von rund 2,8 Milliarden Euro. Neben  Mönchengladbach gehören Düsseldorf und Hilchenbach zu den inländischen Niederlassungen. „Wir wollen da sein, wo der Kunde ist“, sagt Tino Stiels und verweist auf weitere 50 Standorte weltweit.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort