Kolumne Mensch Gladbach Eine alte Brücke und das Beständige

Mönchengladbach · Im Etatentwurf tauchen 2,57 Millionen Euro auf. Für die Brücke Bettrather Straße. Sie könnte mit dem Geld saniert oder abgerissen werden. Und für was entscheidet sich die Politik?

 Die Brücke Bettrather Straße auf einer historischen Abbildung aus dem Stadtarchiv.

Die Brücke Bettrather Straße auf einer historischen Abbildung aus dem Stadtarchiv.

Foto: RP/Stadtarchiv

Seltsam? Paradox? Oder ...? Vielleicht fällt Ihnen eine andere Bezeichnung ein, wenn ich Ihnen einen Vorgang erkläre, der mit einem Bauwerk zusammenhängt, das für viele Gladbacher wichtig ist: die Brücke Bettrather Straße. Kurz zum Hintergrund: Sie soll weg, weil sie in einem sanierungsbedürftigen Zustand ist und weil es nach Meinung von Bauverwaltung und Teilen des Groko-Bündnisses aus CDU und SPD keinen Sinn ergibt, sie zu erhalten. Denn wenige Meter entfernt gibt es an der Viersener Straße eine weitere Brücke, und die muss verändert werden: neue Fahrbahndecke, Radweg, Fußgängerstreifen. Aus Sicht der Abreiß-Fraktion ist die Brücke Bettrather Straße damit überflüssig. Rational richtig. Doch es gibt Proteste. Bürger wollen die Brücke erhalten, eine Schule auch, der ADFC hält sie für wichtig. Und selbst Politiker, und nicht nur aus der Opposition, zweifeln, ob die Empfehlung der Bauverwaltung richtig ist.

In diesen Fällen gibt es oft ein Argument, das Totschlag-Charakter hat: Es ist kein Geld da! Rund 2,5 Millionen Euro kostet die Sanierung, Abriss und Neubau sogar 4,2 Millionen Euro. Das sind Summen, die in einer politischen Sitzung im September 2017 genannt wurden. Eine Menge Holz. Zur Ehrenrettung der Groko-Politiker muss erwähnt werden: Auch sie sehen die Chance, die Brücke aus dem Jahr 1875, an der so viele Menschen hängen und über die der Gladbacher Eisenbahn-Historiker Peter Hoeveler so anschaulich berichten kann, zu erhalten – wenn dafür Fördertöpfe angezapft werden.

Jetzt passiert dies: Im Entwurf des Doppelhaushalts erscheinen 2,57 Millionen Euro, die, so erfuhr es die FDP von Stadtkämmerer Michael Heck, nur dann fließen sollen, wenn es zusätzlich Fördergeld für die Brücke gibt. Ansonsten solle der Betrag für Abriss und Umgestaltung des Umfelds verwendet werden. Und als die RP bei der Stadt dazu ebenfalls Fragen stellt, bekommt sie die Antwort: Diese könnten nicht beantwortet werden, weil das Baudezernat Informationen zusammentrage. Anfang 2019 äußere man sich konkret. Hat was, diese Argumentation. Kämmerer Heck hat durchaus richtig gehandelt, weil er die Anschubfinanzierung für einen Neubau im Etatentwurf darstellen muss. Aber jetzt mal ganz logisch: Diese 2,57 Millionen Euro reichen doch für die Sanierung, wenn die Verwaltung im September 2017 richtig gerechnet hat. Und warum macht man es nicht? Gibt man das Geld lieber für den Abriss aus?

Diese Stadt und ihre Verantwortlichen laufen Gefahr, dass sie im rationalen Bestreben, alles neu und schön zu machen, Menschen verlieren, für die eine gefühlsmäßige Bindung zu dieser Stadt ebenso wichtig ist. Vermittelt etwa durch historische Bausubstanz, Erinnerungen, Emotionen. Der Rheydter Pfarrer Klaus Hurtz war jetzt in den Bergen und schrieb im Denkanstoß für diese Zeitung: „Dabei ist mehr im Spiel als nur nostalgische Gefühle; schenkt jeder Blick auf die Bergwelt doch die Erfahrung, dass in den rasanten Veränderungen unserer Zeit auch das Beständige existiert.“ Das gilt auch für eine alte Brücke.

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