Kolumne Mensch Gladbach Rheydt neu denken

Meinung | Mönchengladbach · 44 Jahre hat die Ehe zwischen der Stadt und Karstadt im gemeinsamen Bau gehalten. Was die Rheydter Innenstadt jetzt braucht, ist mehr als nur ein neues Rathaus: eine neue Idee für die City.

 Denisa Richters / für die Kolumne Strichzeichnung Porträt

Denisa Richters / für die Kolumne Strichzeichnung Porträt

Foto: grafik

Für nichts haben wir Menschen ja so viele Bräuche entwickelt wie zur Hochzeit. Das weiß jeder, der schon einmal durch ein zerschnittenes Laken hat klettern dürfen und dabei den Liebsten oder die Liebste im Arm hat balancieren dürfen. Schade eigentlich, dass man bei einer Trennung nicht denselben Weg rückwärts nehmen muss. Dann würden es sich manche Paare vielleicht noch einmal überlegen. Die Stadt Mönchengladbach hätte damit zumindest ein richtig gutes Argument, wenn ihre Vertreter beim Partner Karstadt anrufen und fragen, ob man es nicht doch noch länger miteinander versuchen sollte.

Ja, Stadt und Karstadt, das war fast 44 Jahre eine Ehe in Rheydt. Beide haben zusammen das kombinierte Waren- und Rathaus gebaut, und jetzt will der eine raus, während der andere über einen ganz großen Neubau nachdenkt. Bevor wir gemeinsam rätseln, wie der Volksmund den 44. Hochzeitstag eigentlich nennt (nein, es ist nicht die Granathochzeit), wäre es Zeit festzustellen: Man hat sich auseinandergelebt. Natürlich ist klar, dass die EWMG und die Stadtspitze versuchen, den Konzern Galeria Karstadt Kaufhof zum Umdenken zu bewegen. Insgeheim weiß man aber: Es gibt eigentlich nicht viele nette Dinge, die man dem Partner noch sagen kann. Die Immobilie hat die EWMG bereits 2015 gekauft, umgebaut und Karstadt eine günstige Miete eingeräumt. Wenn das schon nicht mehr reicht, was will man denn noch mehr unternehmen? Wenn selbst beide Häuser am Düsseldorfer Wehrhahn schließen müssen, warum soll der taumelnde Konzern ausgerechnet Rheydt doch noch als lukratives Pflaster ausmachen und von der Schließungsliste nehmen? Wir wollen nicht allzu pessimistisch sein, aber die Aussicht, unter dem Rheydter Marktplatz nach Gold zu schürfen, stellt sich im Moment als ähnlich vielversprechend dar.

Vielmehr lernt Rheydt jetzt sehr schmerzhaft eine Erkenntnis, die womöglich auch der Mönchengladbacher Innenstadt noch droht: Die große Zeit der Warenhäuser ist vorbei. Das Klagen in Rheydt ist verständlicherweise groß. Dabei ist in der Rheydter City in den vergangenen Jahren eine ganze Menge passiert, viel Geld ist ausgegeben worden, und trotzdem sind die großen Händler am Markt reihenweise abgesprungen. Wir alle tragen dazu mit jedem Online-Kauf bei, das lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Das kann man beklagen, aber bitte nicht zu lange. Wer hinterher trauert, die Sternenhochzeit mit zu viel Hoffnung begeht (der 44. Hochzeitstag!), verlängert den Trennungsschmerz und verpasst dabei den Aufbruch.

Spätestens jetzt wird es Zeit für ganz neue Ideen für Rheydt. Visionen, die über einen Rathaus-Neubau hinaus gehen. Jetzt müssen die klugen Köpfe, die richtigen Fachleute, die kreativen Denker, die Bürger und Macher, die Rheydt wirklich lieben, die Eigentümer von Häusern – sie müssen neue Wege finden, um die Verwahrlosung eines Stadtzentrums aufzuhalten und ihr Neues entgegensetzen. Wer eine Innenstadt beleben möchte, muss die Menschen für sie begeistern. Dazu gehört auch, aber nicht mehr nur der Handel. Es ist Zeit, Rheydt neu zu denken.

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