Kolumne Denkanstoß Nur eine Tasse Kaffee

Mönchengladbach · Auch kleine Gesten können in schwierigen Momenten viel bewirken, wie unsere Autorin bei einem Besuch im Krankenhaus selbst erlebt hat.

Manchmal braucht es nur ein gutes Heißgetränk und etwas Zuwendung, um sich besser zu fühlen. (Symbolbild)

Manchmal braucht es nur ein gutes Heißgetränk und etwas Zuwendung, um sich besser zu fühlen. (Symbolbild)

Foto: dpa/Ulrich Perrey

Neulich habe ich eine Freundin im Krankenhaus besucht. Es ging ihr nicht gut und es bestand Anlass, sich Sorgen um sie zu machen. Wir haben eine Weile miteinander gesprochen und kam der Gedanke, dass Krankheit und Tod so unerwartet in unser Leben fahren können, dass wir gar keine Zeit mehr haben eine Haltung dazu zu gewinnen. Es überfährt uns einfach. Fragt nicht. Schafft Fakten. Tausend Dinge gehen dann durch den Kopf. War man immer liebevoll und aufmerksam genug? Hat man nicht vielleicht doch einmal gedacht: „Ach, nicht schon wieder anrufen!“ oder „Mensch, die wird aber wirklich langsam ziemlich blöde!“. Am Krankenbett kann es schnell „ans Eingemachte“ gehen.

Ein Krankenpfleger kam herein und fragte gewohnt professionell: „Ist hier alles in Ordnung?“ Ja – was soll man in dieser Situation auf diese Frage antworten? „Nein – nichts ist in Ordnung! Die Welt geht grade unter“? Der Pfleger kontrollierte die Geräte, desinfizierte kurz die Hände, blieb einen Augenblick stehen und schaute mir ins Gesicht: „Ich habe den Eindruck, hier ist nichts in Ordnung“, sagte er. „Wissen Sie was? Ich hole jetzt mal einen Kaffee. Kriegen Sie Milch und Zucker?“

Um es gleich zu sagen – der Freundin geht es wieder gut. Noch einmal Glück gehabt. An den Krankenpfleger denke ich noch oft. Er hat mir die beste Tasse Kaffee gebracht, die ich je getrunken habe. Was für eine wunderbare Geste der Anteilnahme und der Empathie. „Versinke nicht im Grübeln, komm wieder an Bord, sammle Kraft, fühl doch mal, wie sich das Leben anfühlt, tu was jetzt nötig ist – ich helfe dir dabei“, so fühlte sich das an. Diese Geste war aufmerksam, mitfühlend und heilsam. Sie ging über die normale „Professionalität“ weit hinaus.

Ich fühlte mich an die Geschichte vom barmherzigen Samariter erinnert. Der ist ja auch derjenige, der erkennt, was der Mensch in Not braucht. Jedenfalls keinen Vortrag, was er besser anders gemacht hätte. Oder der fragt, warum man jetzt erst kommt. Der Samariter in der Bibel sieht, was nötig ist. Er verbindet Wunden. Packt den armen Menschen auf seinen Esel und bringt ihn da hin, wo er gepflegt wird. Er lässt sogar ein bisschen Geld da, damit sich auch wirklich jemand kümmert und für den Verletzten sorgt. Mit Medizin, mit Zeit für ein Gespräch, mit einer Umarmung – oder vielleicht auch mit einer guten Tasse Kaffee.

Ich denke jedenfalls mit großer Dankbarkeit an diese Tasse Kaffee und an den liebevollen Krankenpfleger zurück. Danach ging es mir besser. Und natürlich lag das nicht am Kaffee. Es lag an der Erfahrung, wahrgenommen zu werden in Trauer und Sorge. Einfach so. Sozusagen ganz praktisch. Wunderbar! Danke dafür.

Martina Wasserloos-Strunk ist Leiterin der Philippus Akademie im ev. Kirchenkreis

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