Kolumne Corgi James Bei der Tierärztin

Hardt · Corgi James muss zum Gesundheits-Check-up. Er nutzt den Aufenthalt für Marktbeobachtungen und führt ein Kurzinterview mit seiner Tierärztin.

 Der böse Bereich der Tierärztin – entsprechend gelaunt sitze ich beim Team von Rita Otten auf dem Tisch.

Der böse Bereich der Tierärztin – entsprechend gelaunt sitze ich beim Team von Rita Otten auf dem Tisch.

Foto: Susanne Jordans

Die Praxis meiner Tierärztin in Hardt gliedert sich in zwei Bereiche – einen guten und einen bösen. Der gute ist der Wartebereich. Dort ist Platz für acht Stühle, die schnell besetzt sind. Weitere Sitz- und Stehgelegenheiten bieten sich im Hausflur an. Dort parken auch größere Hunde oder solche mit sozialen Unverträglichkeiten. Und heute früh ich, denn das Wartezimmer war voll besetzt.

Ein großes Glück, denn im Flur sah ich sie, die junge Labradorhündin, wir beschnupperten und bewedelten uns kurz. Wir liebkosten uns, bis die Haustür aufging und der 70 Kilogramm schwere Kaukasische Schäferhund unser Tête-à-Tête so dermaßen rüde störte, dass ich eingreifen musste. Größe ist in der Regel nichts weiter als eine optische Täuschung. Außerdem war man eh schon beim Tierarzt. Die beiden anderen Enden unserer Leinen schritten leider beherzt ein, und der Kaukasier zog sich humorlos zurück.

Im Wartezimmer: Zwei Frauen kommen über ihre Katzen schnell ins Gespräch. Der alte Terrier neben mir schaut mich angsterfüllt an. „Hier gibt es Spritze statt Frühstück“, raunzt er. Ein junges Pärchen wartet ohne seinen Hund. „Den holen wir erst kurz bevor wir dran sind aus dem Auto. Er würde hier alles zusammenbellen und um sich beißen“, sagen die beiden. Ihr Chihuahua ist zehn Jahre alt und hatte bereits sieben Vorbesitzer. Das Telefon einer der beiden Katzenfrauen verkündet per Musical-Auftakt einen Anruf. Die Frau geht nach draußen, ihre Tiere drehen sich hektisch in der Katzenbox um.

Der böse Praxisteil ist der Behandlungsraum. Dessen Tür öffnet sich jetzt für uns. Freiwillig springe ich auf die Bodenwaage, sie ist dem Ausgang am nächsten. Mit etwas Mühe wuchtet mich meine Besitzerin auf den Behandlungstisch; ich habe in den vergangenen Wochen ein wenig zugelegt. „Da muss was runter“, sagt Tierärztin Rita Otten. Routiniert tastet sie mich ab, misst Fieber. Ich mustere sie. „Was macht einen guten Tierarzt aus?“ – „Man muss mit Tieren umgehen können, sonst zeigen sie sich nicht, und man weiß nicht, wo es zwickt. Dazu gehört eine gewisse Beharrlichkeit. Gut zum Hund zu sein, ist wichtig, sonst wird man gebissen“, sagt Otten. Draußen heult der Kaukasische Schäferhund in einem fort.

Seit 20 Jahren führt Otten im Sechs-Tage-Betrieb ihre Einzelpraxis, unterstützt von einem Team. An „guten Tagen“ behandelt sie 50 bis 70 Tiere. Im Laufe der Jahre sind die Menschen im Umgang mit ihren Hunden immer schwieriger geworden, erzählt sie, während sie meine Zähne kontrolliert. „Der Hund wird vermenschlicht und soll alles ersetzen, was den Leuten fehlt: Partner, Kind, Bestätigung und so weiter. Das normale Mensch­-Hund-­Verhältnis ist einem Mensch­-zu­-vierbeinigen­-Mensch­-Verhältnis gewichen. Der Verlierer dabei ist der Hund. Das macht die Sache für ihn so schwierig.“

Sogar einen veränderten Sprachgebrauch vernimmt sie immer häufiger: „Ausgerechnet eine Hundetrainerin ersetzt „Kaufen“ durch „Adoptieren“ – das ist falsch. Ein Hund wird von einem Menschen gekauft, der den Hund artgerecht zu behandeln hat.“

Wir Hunde lieben entspannte, ruhige und souveräne Menschen, die uns führen, die Sicherheit und Verlässlichkeit vermitteln. „Der Mensch gibt seinem Hund kaum noch Stärke“, sagt Otten: „Extrem zeigt sich das in der Sterbebegleitung. Statt seinen Hund gelassen zu betreuen, bis er schläft, stürzt sich der Besitzer hoch emotionalisiert über ihn. Das versteht der Hund nicht. Es gibt ausreichend Quellen im Internet dazu, wie man dem Hund in dieser Situation gerecht werden sollte.“ So schnell, dass ich es gar nicht merke, ist der Check-up beendet. Als mir die Ausgangstür vorsichtig geöffnet wird, sehe ich die wippende Schwanzspitze des Kaukasiers. Wir verlassen die Praxis über den Umweg durchs Wartezimmer.

Es grüßt euch der charmanteste Corgi vom linken Niederrhein, euer James.

Unsere Autorin Susanne Jordans schreibt in dieser Kolumne aus Sicht ihres Hundes.

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