Interview „Urlauber habe ich in Gladbach nicht erlebt“

Mönchengladbach · Der Kreisvorsitzende des  Dehoga spricht über ein Fünf-Sterne-Hotel am Abteiberg, Hygieneampel, Rauchverbot und Kneipensterben.

 Andreas Graf ist Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes in Mönchengladbach. Der Verband fusioniert mit dem Kreisverband Viersen.

Andreas Graf ist Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes in Mönchengladbach. Der Verband fusioniert mit dem Kreisverband Viersen.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Johnny Depp, Sting und so weiter: Viele Weltstarts waren in den vergangenen Jahren in Mönchengladbach zu Gast. Aber so gut wie keiner hat hier genächtigt. Genügen die Gladbacher Hotels den Ansprüchen nicht?

Graf Unsere Hotels sind gut und bringen eine wirklich gute Leistung. Die Wahl des Hotels für einen Superstar liegt im Allgemeinen bei einem Vermittler. Und der wählt eben ein Fünf-Sterne-Hotel. So etwas haben wir in Gladbach im Moment nicht. Es muss sich ja auch 365 Tage im Jahr und nicht nur während eines Konzerts rechnen.

Sie haben viele Jahre lang mit dem Best Western ein Vier-Sterne-Hotel geführt. Sind bei Ihnen Top-Stars abgestiegen?

Graf Bei uns waren viele Fußballmannschaften zu Gast. Ich bin Fußballfan durch und durch und erinnere mich an sehr schöne Begegnungen, zum Beispiel mit der Mannschaft des 1. FC Köln oder von St. Pauli.

Sie haben Ihr Hotel im letzten Jahr verkauft.

Graf Nicht verkauft, sondern untervermietet. Ja, die Novum-Gruppe hat das Haus übernommen. Große Ketten haben ein immer größeres Interesse an Mönchengladbach, das spürt man deutlich.

Die Stadt plant auf dem Abteiberg ein Hotel, das auch das Haus Erholung mit einbezieht. Kann das funktionieren?

Graf Ja, ich denke schon, wenn es hochwertig ist. Die Rede ist von einem Fünf-Sterne-Hotel. Allerdings braucht man dafür viele qualifizierte Mitarbeiter. Wer hohe Preise verlangt, muss auch die entsprechende Leistung bringen. Qualifiziertes Personal ist allerdings schwer zu finden, da stehen wir in bundesweitem Wettbewerb.

Ein Fünf-Sterne-Hotel für Mönchengladbach? Gibt es dafür einen Markt?

Graf Es wird sich zeigen, was Firmen und Gäste bereit sind zu zahlen. Der hiesige Markt ist tatsächlich sehr preissensibel.

Auch am Flughafen wird über ein neues Hotel nachgedacht. Wie, glauben Sie, stehen dort die Chancen?

Graf Es kommt hier sicher auf die Anbindung an. Für Geschäftsreisende ist es dort nicht zentrumsnah genug. Aber durch Anlieger wie die Flugschule entsteht auch Bedarf. Ich denke, man muss eine gewisse Infrastruktur im Objekt vorhalten, um an diesem Standort für Gäste attraktiv zu sein.

Im November eröffnet das neue Borussia-Hotel. Sind Sie neugierig?

Graf Ja, und das ist auch gut, denn das Neue hat natürlich einen großen Reiz. Und wenn der Verein sagt, er könne es befüllen, bin ich sicher, dass es funktioniert.

Überall Pläne für neue Hotels - ist die Hotellerie in Gladbach im Umbruch?

Graf Ja, die Hotellerie wandelt sich. Die Zahl der kleinen, familiengeführten Häuser ist zurückgegangen. Hotels mit zehn bis vierzig Zimmern haben aus unterschiedlichsten Gründen geschlossen. Wir erleben hier einen Wandlungsprozess. In fünf bis zehn Jahren wird die Hotellerie in Gladbach ganz anders aufgestellt sein. Davor muss man aber keine Angst haben. Man muss nur die Nische für das eigene Haus finden.

Wie hoch ist die Auslastung der Hotels in Mönchengladbach? Und wie hoch muss sie sein, damit die Häuser wirtschaftlich arbeiten?

Graf Bei einer Belegung von mehr als 60 Prozent der Zimmer ist man auf der guten Seite. Unter 55 Prozent wird es schwierig.

193.000 Gäste waren im Jahr 2017 in den Gladbacher Hotels zu Gast, ein Plus von sieben Prozent. Kommt das bei den Hotels und Gaststätten an?

Graf Ja, natürlich. Das erste Halbjahr 2017 war sehr gut, da gab es auch große Messen wie Interpack und Euroshop, die nur alle drei Jahre stattfinden. Das war ein sehr kompaktes gutes erstes Halbjahr. Im nächsten Jahr stehen wieder die Kunststoffmesse und später die Drupa an. Das sorgt für viele Gäste auch in Mönchengladbach. Aber auch die Konzerte im Hockeypark ziehen kontinuierlich Besucher an, die in der Stadt übernachten. Das hat sich richtig gut entwickelt. Ich habe einen großen Respekt vor der dort geleisteten Arbeit.

Was für Gäste kommen nach Mönchengladbach? Geschäftsreisende, Touristen, Handwerker auf Montage?

Graf Den klassischen Urlauber habe ich in Mönchengladbach nicht erlebt. Es kommen natürlich Fußballtouristen, die holt die Leistung der Borussia in die Stadt. Auch Besucher von Konzerten oder kulturellen Veranstaltungen sind unter den Gästen, aber der Urlauber, der für drei, vier Tage kommt, eher nicht. Da ist noch Entwicklungspotenzial. Beim Tourismus müssen wir über die Stadtgrenze hinaus denken und zum Beispiel mit dem Kreis Viersen zusammenarbeiten. Die Viersener Gastronomen schließen sich gerade dem Mönchengladbacher Dehoga-Kreisverband an. Dadurch verbessert sich sicher auch die Zusammenarbeit im Bereich Tourismus. Das halte ich für sehr sinnvoll.

Wie lange waren Sie selbst Hotelier?

Graf Ich habe vierzig Jahre in der Hotelbranche gearbeitet. Und so ganz bin ich immer noch nicht weg, denn ich bin ja weiter im Dehoga aktiv. Außerdem habe ich mich gerade der vom Kollegen Peter Jost eingetragenen Beratungsfirma HMS als Mitgeschäftsfüherer angeschlossen.

In 40 Jahren erlebt man viel in dieser Branche. Was war Ihr schrecklichstes Erlebnis?

Graf Das bizarrste Erlebnis hatte ich vor ungefähr drei Jahren. Da war ich während der Adventszeit auf einer Tagung in Berlin, als meine Mitarbeiter anriefen. Im ersten Stock war der Deko-Weihnachtsbaum geklaut worden. Außerdem waren in den vom Flur aus zugänglichen Toiletten alles Zusatzgeschirr abgeschraubt worden: Toilettenpapierhalter, Seifenspender und so weiter. Aus verschiedenen Gründen hatten wir den Eindruck, dass der Dieb noch im Hotel war. In der nächsten Nacht patroullierte dann ein Sicherheitsdienst und wir haben den Verantwortlichen erwischt. Er hatte alles im Auto gelagert.

Gibt es öfters Probleme mit Gästen?

Graf Bei 22.000 Gästen im Jahr gibt es natürlich hin und wieder Schwierigkeiten, vielleicht bei 20 Gästen. Das bewegt sich im Promillebereich. 99,9 Prozent der Gäste sind zufrieden. Deswegen ist und bleibt es ein wunderbarer Beruf, den ich immer wieder ergreifen würde. Man muss immer flexibel reagieren, das hält jung und macht Spaß.

Sie vertreten als Dehoga auch die Gaststätten in der Stadt. Seit fast genau zehn Jahren ist das Nichtraucherschutzgesetz in Kraft, das absolute Rauchverbot gilt seit 2013. Das ganz große Kneipensterben ist aber ausgeblieben, oder?

Graf Es sind Kneipen weggefallen, aber es gab kein Massensterben. Dass Eckkneipen schließen, liegt eher an einem Wandel in den Gewohnheiten der Menschen.

Die Landesregierung hat die Hygieneampel wieder abgeschafft, die vom Dehoga massiv kritisiert wurde. Woran erkennen Sie jetzt ein gutes Restaurant oder einen guten Imbiss?

Graf Dafür entwickelt man ein Gefühl. Ich habe in Restaurants noch nie schlechte Erfahrungen gemacht. Bei Imbissen ist das schon anders.

Wie streng sind die Kontrollen der Betriebe durch die Stadt? Gibt es viele Verstöße?

Graf Ich habe die Kontrollen immer als sehr konsequent empfunden. Man musste stets damit rechnen. Im Schnitt kamen die Kontrolleure alle zwei Jahre. Unser Haus wurde allerdings immer noch zusätzlich durch Best Western und eine externe Agentur kontrolliert. Und wir haben auch kleine Hinweise immer aufgenommen. Dass gravierende Mängel in Mönchengladbacher Gastronomiebetrieben festgestellt werden, die zu einer Schließung führen, ist eher selten. Die Fälle lassen sich an einer Hand abzählen.

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