Redaktionsgespräch Mit H.P. Schlegelmilch (CUD) Und F. Heinrichs (SPD) Mönchengladbach ist wie ein Flugzeug, das abhebt

Mönchengladbach · Bildung, Demografiemanagement, Digitalisierung, Raumprogramm für die Verwaltung: Das werden die Themen im zweiten Jahr der GroKo.

Drehen wir die Uhr mal kurz gemeinsam um knapp ein Jahr zurück. Was gab Ihnen Sicherheit, sich auf die Große Koalition einzulassen? Und was war Ihre größte Sorge?

Felix Heinrichs (SPD) Wir hatten bei der Ausarbeitung des Kooperationsvertrags sehr vertrauensvoll und sehr unkompliziert zusammengearbeitet. Dass es mit der Zusammenarbeit von uns beiden, auch mit der unserer Geschäftsführer und Vorstände gut klappen könnte, war mir danach klar. Nicht so klar war mir, was mit den weiteren Kollegen sein würde.

HANS PETER SCHLEGELMILCH (CDU) Ich hatte von vornherein die Hoffnung, dass diese stabile Mehrheit die Kraft haben würde, Entscheidungen zu treffen, von der die Stadt über diese Ratsperiode hinaus profitieren würde. Sorge machte mir, dass es in beiden Fraktionen über Jahre Mitglieder gegeben hatte, für die klar war: Mit denen? Nie im Leben! Ich hatte deswegen Sorgen vor parteipolitischen Bollwerken, wo jeder mit viel Tamtam erst mal auf seinen klassischen Positionen verharrt. Große Koalitionen können kleinste gemeinsame Nenner sein...

Heinrichs ... die viel Geld kosten, ohne viel zu bringen.

Ist es jetzt, nach einem Jahr, nicht fast erschreckend, wie groß der gemeinsame Nenner ist?

Schlegelmilch (lacht) Das kann man so sagen. Die Bruchstellen verlaufen gar nicht innerhalb der Fraktionen, sondern zwischen den verschiedenen Fachbereichen. Die Sprecher der Fachausschüsse sind sich meistens sofort einig und sprechen sich dann auch noch ab, wie sie das jeweils so in ihre Fraktionen tragen, dass sie eine Mehrheit bekommen. HEINRICHS Als es um die Rückerstattung von Kita-Beiträgen ging, hatten sich Petra Heinen-Dauber und Monika Berten längst auf eine Lösung verständigt, bevor Hans Peter Schlegelmilch und ich überhaupt Gelegenheit gehabt hatten, uns darüber auszutauschen. Genau genommen war es ein Dreieck, was sofort pragmatisch funktioniert hat: Die dritte Seite war die Sozialdezernentin Dörte Schall.

Funktioniert das Zusammenspiel mit der Verwaltung immer so reibungslos?

Schlegelmilch Die Verwaltung gibt es nicht. Man kann nicht alle über denselben Kamm scheren. In einem Bereich hat die Verwaltung nicht gut funktioniert, und Gott sei Dank haben wir die Kraft gehabt, zu einer dringend nötigen personellen Veränderung zu kommen.

Das ist die eine große Personalentscheidung, die Sie getroffen haben: den Baudezernenten abzuwählen. Die andere große war die Sozialdezernentin. Sind Sie mit Ihrer Wahl zufrieden?

Schlegelmilch Dörte Schall hat sich in erstaunlich kurzer Zeit sehr tief in ihren Verantwortungsbereich eingearbeitet. Da habe ich großen Respekt davor. Wir empfinden ihre Leistung bisher als sehr positiv.

Wo muss Verwaltung besser werden?

Heinrichs Bei der zentralen Strategiefindung: Wo will die Stadt hin, und wie wird das von der Mutter bis zu jeder Tochter und jedem Enkel umgesetzt.

War das Festival "Rock am Ring", das nicht nach Gladbach gekommen ist, obwohl Sie sich sehr dafür eingesetzt haben, die erste Niederlage der GroKo?

Heinrichs Überhaupt nicht. Es ist schade, dass es nicht geklappt hat. Aber diese Begeisterungsfähigkeit, dieser Ruck, der da durch Mönchengladbach ging, das war ganz stark. Und das trägt auch in ganz anderen Bereichen: Die Bürger sind in hohem Maße bereit, sich für ihre Stadt zu engagieren. Für die Mittel für bürgerschaftliches Engagement gibt es schon wieder deutlich mehr Anträge, als Geld im Topf ist. SCHLEGELMILCH "Rock am Ring" war für mich ein tolles Beispiel, mit welcher Geschwindigkeit wir arbeiten können. Montag haben wir beschlossen, in Berlin auf Bundesebene für das Vorankommen in der Frage zu werben. Dienstag saßen wir im Flieger. Mittwoch haben wir Verwaltung und unseren Fraktionen berichtet. Wer Dinge versucht, scheitert auch schon mal. Nichts schief geht nur bei denen, denen der Mut fehlt, Neues zu wagen. HEINRICHS Und im Übrigen ist beim Thema Festival ja längst noch nicht aller Tage Abend.

An welchem Punkt steht die Stadt?

Schlegelmilch Wir sind die sexiest city alive am Niederrhein. Im Ernst: Hier tut sich eine Menge, gerade auch im Zusammenspiel mit den vielen Initiativen. Das spiegeln uns auch zunehmend Menschen, die nicht in Mönchengladbach leben, aber die Entwicklung mitbekommen. HEINRICHS Mönchengladbach ist gerade wie ein Flugzeug, das abhebt. Es gibt viel Entwicklung, viel Energie. Mein Freund überlegt zum Bei-spiel, von Düsseldorf nach Mönchengladbach zu ziehen. Aber die entscheidende Phase kommt jetzt. Ist das einmalig, und wir landen gleich wieder auf dem Boden? Oder gibt es jetzt den richtigen Schub, der uns erheblich weiterbringt?

Wie haben Sie die Stadt weitergebracht in diesem ersten Jahr?

Schlegelmilch Bei der Sauberkeit der Stadt sind wir ein erhebliches Stück weitergekommen, mit ganz konkreten Maßnahmen und mit einer Organisationsstruktur, die für mehr Durchschlagskraft sorgt. Die Rahmenpläne für Hochschule, Abteiberg, City Ost und Reme-Gelände sind ganz wesentlich. An vielen Stellen in der Stadt, wie auf der Bleichwiese geht es jetzt endlich los. HEINRICHS Die Förderung der sehr aktiven freien Kulturszene haben wir ermöglicht. Die Unterbringung für Asylbewerber ist auf einem besseren Weg als vorher und das trotz deutlich mehr Fällen. Wir haben entschieden, dass das Thema Nahverkehr bei der NEW bleibt.

Und was sind die Themen fürs zweite Jahr GroKo?

Heinrichs Bildung. Dass in Mönchengladbach acht Prozent ohne Abschluss die Schule verlassen, können wir uns nicht leisten. SCHLEGELMILCH Demografiemanagement. Dazu werden wir im Herbst einen Workshop machen. Dann die Ausrichtung der Wirtschaftsförderung. Da müssen wir von der Logistik-Monokultur wegkommen. HEINRICHS Digitalisierung. Da sind andere Städte als Dienstleister für ihre Bürger deutlich weiter. SCHLEGELMILCH Das Raumprogramm für die Verwaltung.

Was ist Ihre Vision für die Stadt, wo soll sie am Ende Ihrer gemeinsamen Amtszeit idealerweise stehen?

Schlegelmilch Idealerweise ist es uns dann gelungen, hier für Menschen Rahmenbedingungen zu schaffen, die ohne staatliche Hilfe auskommen. Menschen, die arbeiten, Steuern zahlen, konsumieren. HEINRICHS Und es ist uns gelungen, dass weniger Menschen die Unterstützung der Stadt brauchen, um ihr Leben bewältigen zu können. Meine Vision ist eine Stadt, in der die Menschen sich sauwohl fühlen, in der man gut arbeiten, einkaufen und seine Freizeit verbringen kann. Mein Bild dafür ist der Geroweiher, so wie bei der Animation der Masterplan-Initiative. Ein schöner grüner Park mit Wasser und Blick auf die historischen Wurzeln der Stadt. Und meine Vision ist, dass diese Stadt krisensicher ist. Dass sie nicht neue Schulden anhäuft.

Wer von Ihnen musste im vergangenen Jahr dem anderen gegenüber schon mal laut werden?

SCHWEIGEN.

Schlegelmilch Das hat es kein einziges Mal gegeben. Wir sind nicht in allem einer Meinung. Aber wir haben einen klaren Plan. Und den arbeiten wir der Reihe nach ab. Pragmatisch, ruhig und mit Respekt gegenüber dem anderen.

Auch mit Respekt gegenüber der Opposition?

Heinrichs Wir halten uns an alle demokratischen Spielregeln, bringen unsere Anträge rechtzeitig ein und nicht als Wundertüte kurz vor der Sitzung. Wir stimmen dem Wunsch nach Verschiebung zu, wenn andere Fraktionen mehr Zeit brauchen. Aber wir haben jetzt auch nicht das "Macht-alle-mit-Projekt". SCHLEGELMILCH Wobei der Antrag zur City Ost vier der fünf Fraktionen im Briefkopf hat. Und die FDP das beim Haus Erholung sehr geschickt gemacht hat. Da sieht man, dass die ihre Oppositionsrolle gefunden haben.

Wie hoch ist Ihr Abstimmungsbedarf?

Heinrichs Wir telefonieren im Schnitt dreimal pro Tag. Dazu kommen SMS und Mails. SCHLEGELMILCH (stutzt) So oft? Ja, das kommt hin.

Hatten Sie sich den Arbeitsaufwand so hoch vorgestellt?

Heinrichs So richtig vorstellen kann man sich das vorher nicht. Es ist viel. Aber es macht richtig Spaß. SCHLEGELMILCH Weil es vorangeht in der Stadt und wir zusammen viele Themen abräumen. HEINRICHS Aber ganz ehrlich: Wenn Mittwoch der Rat vorbei ist und dann langsam die Sommerpause anfängt, habe ich nichts dagegen.

RALF JÜNGERMANN UND DIETER WEBER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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