Das neue Jahr wird wieder laustark begrüßt Ist die Silvester-Böllerei noch zeitgemäß?

Mönchengladbach · In der Neujahrsnacht werden wieder Knaller, Raketen und Böller gezündet. Muss das noch sein bei den Umweltproblemen? Oder ist es ein alter Brauch, der weiter gepflegt werden sollte. Unsere Autoren haben unterschiedliche Meinungen.

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Pro

Alles was Spaß macht, ist verboten oder macht dick. Strengster Prüfung hält diese Behauptung nicht stand, trotzdem ist etwas dran. Nämlich: Vieles, was Menschen Vergnügen bereitet, hat unangenehme Nebenwirkungen – auch Silvesterfeuerwerk. Die Jahresend-Knallerei deshalb zu verbieten, ginge dennoch zu weit.

Es ist richtig, dass bei der Böllerei riesige Geldsummen mit Peng, Puff und Glitzerpracht verpulvert werden. Doch wer diese Verschwendung kritisiert, fährt hoffentlich nicht mit einem Auto durch die Gegend, das 50.000, 60.000 oder noch mehr Euro gekostet hat. Denn die meisten Menschen kämen auch mit einem Wagen für 20.000 Euro kommod von A nach B. Brot statt Böller ist ein gutes Motto; Brot statt PS wäre ein ähnlich gutes. Und wem das Auto noch zu nützlich und lebensnotwendig ist: Das Gleiche ließe sich über teuren Schmuck, drei Quadratmeter große TV-Bildschirme und die vielen anderen Dinge sagen, für die Menschen nur zum Vergnügen viel Geld ausgeben.

Es ist richtig, dass das Ballern manche Menschen nervt, dass Unfälle an den privaten Raketen-Abschussrampen für gesteigerten Betrieb bei Rettungskräften, Feuerwehr und Polizei sorgen. Doch wer das kritisiert, ist hoffentlich kein Fußball-Fan. Denn bei zu Recht so bezeichneten Risikospielen machen pöbelnde und randalierende Pseudo-Fans mit unschöner Häufigkeit mindestens ebenso groß angelegte Einsätze oben genannter Helfer und Ordnungshüter nötig. Hat schon mal jemand gefordert, deshalb Fußballspiele zu verbieten? Warum nicht? Weil Profifußball ein noch größeres Geschäft ist als der Verkauf von Böllern – und weil er so vielen Menschen viel Spaß macht.

Es ist richtig, dass die Kracher und Heuler Qualm und Feinstaub produzieren. Doch wer das kritisiert, hat sich hoffentlich bislang immer zu Fuß zu seinen Urlauben auf Norderney, Mallorca oder Mauritius begeben. Denn um ein Vielfaches wirksamer, nötiger und dringender als ein Verzicht auf Silvesterfeuerwerk wäre der grundlegende Umbau etwa des Verkehrswesens und der Energiewirtschaft, auch wenn das viel schmerzhafter ist. Wenn wir damit mal nennenswert vorangekommen sind, können wir gerne noch mal über Silvesterfeuerwerk reden.  

Denn das alles heißt  nicht, dass man unbedingt böllern muss. Mache ich seit vielen Jahren nicht mehr  –  hauptsächlich, weil mir das Geld dafür zu schade ist.  Anderen die halbe Stunde Knallerei pro Jahr zu verbieten, halte ich gleichwohl nicht für gerechtfertigt. Denn das hieße, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen – oder von mir aus auf Krähen, wir wollen ja nicht kleinlich sein. Holger Hintzen

Contra

Irgendwann ist es an der Zeit, Traditionen zu überdenken und abzulösen. Das Auto hat die Kutsche ersetzt, die CD die Schallplatte und W-Lan die Kabelverbindung. Warum bestehen 2020 weiterhin so viele Menschen auf ein persönliches Feuerwerk vor ihrer Haustür?
 Laut Umweltbundesamt verursacht das Feuerwerk in der Silvesternacht zwei Prozent der Gesamtmenge des jährlich produzierten Feinstaubs in Deutschland.

Das schadet nicht nur der Umwelt, sondern kann auch bei uns selbst zu Atemwegsproblemen oder Herz-Kreislauf-Störungen führen. Die Notaufnahmen der Krankenhäuser haben in der Silvesternacht an die 8.000 Patienten, die sich neben Brandwunden durch die laute Knallerei ihr Innenohr zerrissen haben.

Wer dennoch so selbstlos ist und sich nicht um sein eigenes Wohl sorgt, der könnte wenigsten an seinen Porsche – oder auch Peugeot – denken, denn diese erleiden in besagter Nacht vermehrt Dachschäden durch abstürzenden Weltraummüll.

 Auch Bruno, Bonny und Balou, die zu Weihnachten noch einen neuen Strickmantel geschenkt oder Kalbsragout serviert bekommen haben, bräuchten nicht länger mit Beruhigungsmitteln vollgestopft werden, damit sie uns während der Endzeitknallerei nicht die Bude einreißen.

 Bei den ganzen Negativ-Aspekten, die diese kurzzeitige Lichtexplosion auslöst, sollten wir uns fragen, ob ein analoges Feuerwerk in einer modernen, digitalisierten Welt heute noch zeitgemäß ist.

 Anstatt die Umwelt weiter mit Feinstaub zu belasten, ist es meiner Ansicht nach an der Zeit, sich Alternativen zum Feuerwerk zu überlegen.

 Eine Möglichkeit wäre eine Art Lichtkunstinstallation, ähnlich wie auf dem Kölner Dom, oder an anderen prominenten Gebäudefassaden in Großstädten. Orte, die sich in Mönchengladbach dafür eignen würden, wären zum Beispiel das Münster auf dem Abteiberg oder das Rathaus in Rheydt. Kleiner und weniger aufwendig: Ist es nicht die Hauptsache, dass wir einen schönen Abend mit Familie und Freunden verbringen?

Zusammen kochen oder Gesellschaftsspiele spielen. Singen und tanzen, statt böllern und müllen!  Wenn der Wandel zu einem feuerwerksfreien Silvester noch nicht in unserem Zeitalter angelangt ist, dann sollten wir zumindest versuchen, das Feuerwerk auf ein Minimum zu reduzieren.

 Ein gemeinschaftliches Feuerwerk in den Städten wäre eine Möglichkeit, die den Privatverkauf von Feuerwerkskörpern ablösen könnte
Jana Bauch

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