Weihnachtsgeschichte neu erzählt Mönchengladbachs interaktive Krippe

Mönchengladbach · In der Citykirche gibt es in diesem Jahr keine klassische Krippe zu sehen. Dafür aber eine Art Weihnachtsgeschichte der heutigen Zeit. Die Gemeinde greift damit eine Tradition aus den 70er und 80er Jahren auf.

 Die Krippe in der Citykirche ist alternativ gestaltet. Papierfiguren sind in und neben einem Schlauchboot platziert. 

Die Krippe in der Citykirche ist alternativ gestaltet. Papierfiguren sind in und neben einem Schlauchboot platziert. 

Foto: Jana Bauch

Sie haben kein Gesicht, keine Namen, keine Hautfarbe. Abstrakte Papierfiguren, aus Zeitungen und Holzstäben gebastelt, stehen in der Citykirche neben den Stuhlreihen. Am ersten Advent noch verloren, teils in Grüppchen, doch irgendwie allein. Eine typische Krippe ist das nicht. Doch wer die Papierfiguren den Advent über beobachtet, der merkt: sie wandern. Und damit erzählen sie ebenso wie andere Krippen den Kern der Weihnachtsgeschichte: die Suche nach einem Dach über dem Kopf.

Die Vorbereitungsgruppe um John Barrawasser hat viele Gedanken und Zeit in die Krippe investiert. An jedem Adventssonntag bewegen sich die Figuren ein Stück – und formieren sich neu. Eine Gruppe mit gepacktem Rucksack stellt Flüchtlinge da. Am zweiten Advent hat ein Teil von ihnen es in ein Schlauchboot geschafft, am dritten sitzen alle darin. Eine andere Gruppe mit Isomatte symbolisiert Obdachlose. Anfangs noch isoliert in der Ecke, wandern sie am zweiten Advent weiter in die Mitte. Eine dritte Gruppe, die mit Sekt und einem Herzchenballon in einem Kreis steht, soll die Wohlfühlgesellschaft symbolisieren, in der jeder nur noch um sich selbst und seine eigene kleine Gruppe kreise – und in der auch die Gefahr von Verein­samung besteht. Am dritten Advent lösen sich einige von ihnen und bewegen sich in Richtung der Obdachlosen. Was am vierten Advent passiert und was am Weihnachtstag, soll eine Überraschung bleiben, erklären Ursula Krause und Hannelore Gollin, zwei ehrenamtliche Aufseherinnen der Kirche.

Garniert hat die Gemeinde die wöchentlichen Szenen mit Texten aus den Evangelien. So heißt es am ersten Advent etwa: „Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen. Wenn all das beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter, denn Erlösung ist nahe.“ So stehe es im Lukasevangelium zum ersten Advent. Dazu stehen auf einer großen Pinnwand Fragen, die den Text in die heutige Zeit holen: „Welche Zeichen sehen wir heute? Was macht uns Angst? Was können wir tun?“

Auf kleine weiße Zettel haben Besucher ihre Gedanken und Erfahrungen geschrieben. „Ich bin 68 Jahre alt – aber in was für einer Welt werden meine Enkelinnen leben?“, fragt jemand. „Ich fürchte mich im Alter vor sozialer Einsamkeit“, schreibt jemand anderes. Auch zweifelnde Töne kommen auf: „Wo ist Gott, wenn man ihn braucht?“, steht auf einem Zettel.

„An Weihnachten geht es um Menschen, die sich aufmachen und die nach Erlösung suchen“, sagt Gollin. Mit der Krippe wolle man Menschen zum Nachdenken anregen und ins Gespräch bringen. „Was bedeutet Weihnachten heute, ist die Frage“, sagt sie. Auf einem Tisch zwischen den Adventsstationen liegen Papier und Stift – und auch einige Zeitungsartikel etwa zum Krieg in der Ukraine, zu Obdachlosen, zu Umweltgiften und Alkoholexzessen von Jugendlichen.

Mit der ungewöhnlichen Krippe greift die Kirche eine Tradition aus den 70er und 80er Jahren auf, als die Gemeinde oft durch ihre Krippen aktuelle Fragen diskutieren ließ. Wie das bei den Besuchern ankommt? „Von damals sind wir Kritik gewöhnt“, sagt Krause. Und gewöhnliche Krippen gebe es in anderen Kirchen genug.

Wo gibt es besondere Krippen in den Gemeinden? Schreiben Sie uns – gerne auch mit Foto – an die Email-Adresse: aktionen.mg@rheinische-post.de

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