Sprachdefizite bei Mönchengladbacher Kindern Sprachtherapie statt Spiel, Sport und Spaß

Mönchengladbach · Vor allem ältere Kinder haben häufiger Sprachdefizite. Auffallend ist, dass Sprach- und Sprechstörungen in den beiden vergangenen Jahren zugenommen haben. Ist Corona daran schuld?

 Logopäden sollen bei der Sprachtherapie helfen.

Logopäden sollen bei der Sprachtherapie helfen.

Foto: dpa/Jens Kalaene

Statt zu spielen, Sport zu treiben und Freunde zu treffen, scheinen immer mehr Kinder und Jugendliche in ihrer Freizeit zur Sprachtherapie zu gehen. Das geht aus Daten der Kaufmännischen Krankenkasse Mönchengladbach (KKH) hervor.

Besonders alarmierend sei die Zunahme von Sprach- und Sprechstörungen bei Heranwachsenden von 2019 auf 2021, so die KKH. Während der beiden Corona-Jahre stieg nach den Angaben die Zahl der betroffenen Sechs- bis 18-Jährigen um rund neun Prozent, bei den 15- bis 18-Jährigen sogar um fast 21 Prozent. Im Zehnjahresvergleich liege das Plus von 2011 auf 2021 bei insgesamt 58 Prozent (Mädchen plus 59,4, Jungen plus 56,7 Prozent). Damit litten acht Prozent der Kinder und Jugendlichen im vergangenen Jahr unter Sprachauffälligkeiten, sprich jeder zehnte Junge und jedes 16. Mädchen.

Begrenztes Vokabular, Probleme bei der Artikulation von Lauten oder der Satzbildung, Grammatikschwächen – die Palette an Sprach- und Sprechstörungen bei Kindern und Jugendlichen sei breit. Die Pandemie mit all ihren Einschränkungen habe die Entwicklung sprachlicher Kompetenzen vieler Kinder erschwert. Durch Homeschooling und weniger soziale Kontakte fehlte etlichen der direkte kommunikative Austausch mit Lehrern und vor allem Gleichaltrigen beim Lernen, Spielen, Pläne schmieden oder auch Streiten.

Doch das sei für das Entfalten sprachlicher Fähigkeiten wesentlich. Durch lange Zeit geschlossene Kitas und Schulen bliebe zudem manche Sprachstörung unentdeckt. Und geschlossene Logopädie-Praxen führten dazu, dass Therapien unterbrochen und erzielte Fortschritte laut KKH möglicherweise zunichte gemacht wurden. Die Daten zeigten auch, dass Sprache und Sprechen immer mehr älteren Kindern und Jugendlichen Probleme bereiten. So sei die Zahl der betroffenen Elf- bis 14-Jährigen von 2011 auf 2021 um rund 107 Prozent gestiegen, bei den 15- bis 18-Jährigen liege das Plus sogar bei 151 Prozent.

Auch bei kleinen Kindern rechnet die KKH mit einer Zunahme logopädischer Behandlungen. Denn auch wenn von Erziehern in den vergangenen Monaten viel Aufholarbeit geleistet wurde: „Aufgrund coronabedingter Hygienevorschriften wie Schutzmasken oder Kontaktbeschränkungen ist der komplexe Spracherwerb von heute Zwei- und Dreijährigen über kommunikatives Erleben mit Lautbildung, Ablesen von Lippenbewegungen oder auch Mimik eingeschränkt gewesen“, sagt Vijitha Sanjivkumar vom Medizin-Team der KKH.

Dabei sei Sprachkompetenz ein wesentlicher Schlüssel für die Entwicklung der Persönlichkeit und des Sozialverhaltens, für einen versierten Umgang mit Medien, bessere Bildungschancen und eine gute berufliche Zukunft. Zudem könne Sprachkompetenz Kinder und Jugendliche vor Hänseleien, Mobbing, Isolation und damit verbunden psychischen Belastungen bewahren.

Je früher Sprachstörungen erkannt und behandelt würden, desto größer die Chance, sie zu beheben oder zu verhindern, dass sie sich verschlechterten. Sind sich Eltern unsicher, ob ihr Kind altersgemäß spricht, könnten sie den Kinderarzt um Rat fragen. Meist würden Sprachentwicklungsstörungen bei den U-Untersuchungen vom Kinderarzt festgestellt, der dann weitere Behandlungsschritte einleite. Eltern sollten ihre Kinder je nach Alter aktiv dabei unterstützen, Sprachkompetenz auf- und auszubauen.

(RP)
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