Berufspendler in Mönchengladbach Die Aus-Reiser

Mönchengladbach · Die Zahl der Menschen, die die Stadt jeden Tag für die Fahrt zum Job verlassen, wächst immer weiter. Das hat auch etwas mit der steigenden Bevölkerungszahl zu tun. Aber verkraften das die Verkehrswege?

  Foto: Hans-Peter Reichartz

Foto: Hans-Peter Reichartz

Foto: Reichartz,Hans-Peter (hpr)

Man kann es auch so sehen: Tagsüber ist die Stadt voller als in der Nacht. Jedenfalls mit mehr Menschen bevölkert. Das legt der Pendlersaldo nahe, also die Summe der Menschen, die jeden Tag nach Mönchengladbach fahren, um hier ihrem, Job nachzugehen, abzüglich der Menschen, die für ihren Arbeitsplatz die Stadtgrenzen verlassen. Dann wächst die Bevölkerung nämlich um rund 4000 Menschen.

Aber es gibt eine Gruppe, die ganz besonders wächst, nämlich die der Aus-Reiser, der Auspendler. Im Jahr 2018 fuhren täglich erstmals mehr als 50.000 Menschen über die Stadtgrenzen zu ihrem Job, nämlich genau 50.825, wie aus einer Statistik des Landesamtes it.NRW hervorgeht. Das sind rund 4,2 Prozent mehr als noch im Jahr davor. Und schon 2018 war die Zahl der Auspendler um 4,5 Prozent gewachsen. Der Trend geht klar zum Job außerhalb der Stadt. Dagegen pendelten im vergangenen Jahr genau 54.674 Berufstätige nach Gladbach ein, das entspricht einem Wachstum von immerhin 1,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Einpendlerquote liegt gemessen an der Stadtbevölkerung bei 41 Prozent, womit Gladbach im landesweiten Vergleich unter den 29 Großstädten auf Platz 26 liegt. Die Quote der Auspendler liegt bei 39,3 Prozent – Platz 16. Auch beide Quoten sind angestiegen. Was grundsätzlich auffällt: Deutlich mehr Männer als Frauen pendeln zu ihrem Arbeitsplatz in eine andere Stadt. Insgesamt gibt es damit in Mönchengladbach genau 133.254 Erwerbstätige – Menschen, die also in der Stadt arbeiten. Wobei aber nur 129.405 Erwerbstätige in der Stadt auch wohnen.

Wohin fahren die meisten Mönchengladbacher? Erwartungsgemäß liegt Düsseldorf an erster Stelle. 9886 Gladbacher reisen täglich in die Landeshauptstadt, ob nun über die Straße oder über die Schiene. Danach folgen die Gladbacher Nachbarorte Viersen (4088), Neuss (3739), Krefeld (3040) und Korschenbroich (2416). Und auf Platz sechs liegt in dieser Statistik Köln. Genau 2004 Gladbacher nahmen im vergangenen Jahr täglich den im Durchschnitt 46,4 Kilometer langen Weg nach Köln auf sich.

Woher kommen die meisten Gladbacher Berufstätigen? Bei den Einpendlern sind Viersen (5678), Erkelenz (3096), Wegberg (3076), Korschenbroich (2791), Düsseldorf (2773) und Krefeld (2668) ganz vorne. Auch 1075 Kölner machen sich täglich auf den Weg nach Mönchengladbach.

Wo liegt Mönchengladbach damit im regionalen Vergleich? Nicht besonders weit vorne. Was die Einpendlerquote angeht, ist Neuss mit 61,7 Prozent ganz vorne unter den Großstädten. Auch Düsseldorf und Köln ziehen sehr viele Menschen an. Genau da will das Rathaus mit seiner Strategie der „wachsenden Stadt“, die im Teilen aus für Pendler attraktiven Wohngebieten mit im Vergleich niedrigeren Mieten besteht, punkten. Der Erfolg gibt offenkundig Recht. Denn nicht nur die Einwohnerzahl wächst seit einigen Jahren (nach Berechnung der Stadt inzwischen auf über 270.000), sondern eben auch die Zahl der Auspendler. Arbeitnehmer aus Düsseldorf ziehen also nach Mönchengladbach und pendeln täglich zurück in die Landeshauptstadt.

Was bedeutet das für den Verkehr? Nicht viel Gutes. Wer viel fährt, verursacht viel Stau und volle Züge. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt in Düsseldorf fordert deshalb massive Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. „Vor allem beim Schienen-, Straßen- und Radwegenetz ist der Nachholbedarf groß, um die Pendler zu entlasten“, sagt Doris Jetten, Bezirksvorsitzende der IG Bau. Unternehmen sollten zur Entlastung Mitarbeitern häufiger Gleitzeit und Home-Office-Lösungen anbieten, dies sei ebenfalls ein entscheidender Beitrag gegen den Pendel-Frust. Die Gewerkschaft hat berechnet, dass die Zahl der Einpendler nach einer Auswertung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung seit dem Jahr 2000 in Mönchengladbach um 34 Prozent gestiegen ist, die Zahl der Auspendler um 34 Prozent und warnt vor einer weiteren Zunahme der Pendlerzahlen. Dies allerdings ist ein bundesweiter Trend: Immer weniger Menschen leben in dem Ort, an dem sie arbeiten. Sie sind jeden Tag Aus-Reiser.

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