Mönchengladbach Brückenbauer für Arbeitslose

Mönchengladbach · Hermann-Josef Kronen, Geschäftsführer des Volksvereins, wird in den Ruhestand verabschiedet. 35 Jahre lang hat er in der Einrichtung gearbeitet, in der er 1984 seinen ersten Job als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme antrat.

 Hermann-Josef Kronen in seinem Büro. Hinter ihm sind Plakate von vergangener Volksvereinskampagnen zu sehen.

Hermann-Josef Kronen in seinem Büro. Hinter ihm sind Plakate von vergangener Volksvereinskampagnen zu sehen.

Foto: Angela Rietdorf

Hermann-Josef Kronen weiß durchaus, was Arbeitslosigkeit bedeutet. Nach dem Studium suchte er sieben Monate lang eine Stelle, dann wurde er im Rahmen einer befristeten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme eingestellt. Das war vor 35 Jahren im Januar 1984. Sein Arbeitgeber: der Volksverein Mönchengladbach, gemeinnützige Gesellschaft gegen Arbeitslosigkeit. Aus der ABM-Kraft wurde der Prokurist und Geschäftsführer des Volksvereins, aus der befristeten Tätigkeit ein dreieinhalb Jahrzehnte andauerndes Engagement, das den Volksverein entscheidend mitprägte.

Als Kronen als frisch diplomierter Erziehungswissenschaftler beim Volksverein beginnt, ist das heute anerkannte Sozialunternehmen in der kirchlichen und kommunalen Öffentlichkeit keineswegs unumstritten. Die Gründer des Volksvereins, zu denen an vorderster Stelle der unvergessene Pfarrer und Propst Edmund Erlemann gehörte, griffen die Ideen des II. Vatikanischen Konzils auf, wollten in die Gesellschaft hineinwirken und „Hilfe für Arbeitslose, die aufgrund ihrer langen Arbeitslosigkeit den geistigen und seelischen Belastungen ohne fremde Hilfe nicht mehr gewachsen sind“, wie es im Gesellschaftervertrag heißt, organisieren. Katholischen Kreisen war suspekt, dass viele der Protagonisten, ob Pfarrer oder Laien, politisch engagiert waren und an der Seite der Arbeiter gegen Stellenabbau demonstrierten. Die Handwerker befürchteten, dass die Beschäftigungsangebote des Volksvereins Schwarzarbeiter heranbilden würden. Und die Stadt war der Ansicht, dass die Beschäftigung mit dem Thema Arbeitslosigkeit nicht in die kommunale Zuständigkeit fiel. „Es war schwierig“, erinnert sich Kronen. „Zuerst mussten Netzwerke aufgebaut werden.“

Das gelang im Bistum Aachen mit dem Koordinationskreis, auf lokalpolitischer Ebene mit der ersten regionalen Arbeitsmarktkonferenz 1986. Neben Beschäftigungsangeboten liegt ein Schwerpunkt der Arbeit beim Volksverein immer auch auf der Bildung, Beratung und Begegnung. „Wir haben schon 1985 mit Bildungswochen für unsere Teilnehmer angefangen und das führen wir bis heute fort“, sagt Kronen.

Der Volksverein sieht sich als Anwalt der Arbeitslosen und macht mit Aktionen auf die Lage aufmerksam: 13.000 Kiesel (die Zahl der Arbeitslosen in Mönchengladbach) werden auf dem Alten Markt als Sozialkunstwerk ausgeschüttet. Mit Plakatkampagnen wird für die Sache des Volksvereins geworben. Das Fundraising wird professionalisiert, die Aktivitäten immer weiter ausgebaut. Heute gibt es 180 Plätze für Arbeitslose und 33 Mitarbeiter. Der Volksverein erwirtschaftet einen Umsatz von 3,1 Millionen. Die Hälfte davon sind Erlöse aus Aktivitäten wie dem Verkauf von Second-Hand-Waren oder von Rapsöl aus der eigenen Ölmühle. Zwischen zwölf und 15 Prozent sind Spenden, 35 Prozent sind öffentliche Mittel.

 2007:Testimonialkampagne mit Fußballer Marcell Jansen

2007:Testimonialkampagne mit Fußballer Marcell Jansen

Foto: Volksverein

Das klingt nach einer soliden Finanzierung, aber: „Eigentlich war es immer ein Ritt auf einer Rasierklinge“, sagt Kronen. Das Problem: Die Bedingungen für Fördermittel der öffentlichen Hand ändern sich ständig. „Eine Zeitlang haben wir jedes Jahr eine Novellierung geschenkt bekommen“, sagt Kronen im Scherz.

Jetzt kann er lachen, aber der beständige Kampf um die Mittel und die Anpassung der entsprechenden Projekte an die Förderbedingungen sind kräftezehrend. Seinem Nachfolger Matthias Merbeck, bisher Prokurist, wünscht er dann auch: „immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel“, damit das Schiff Volksverein in ruhigeren Gewässern segeln kann. Hermann-Josef Kronen freut sich jetzt mit 63 Jahren auf seine Enkelkinder, das Fotografieren und die eine oder andere Tätigkeit, die er noch nicht verrät.

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