Wanderbund aus Mönchengladbach Seit 115 Jahren auf Wanderung in der Region

Mönchengladbach · Der Gladbach-Rheydter Wanderbund hat über 3.000 Touren unternommen. Ursprung war der Kontakt zwischen den beiden Städten.

 Bei der 3.000. Wanderung gab es für die Mitglieder des Wanderbunds unterwegs ein Gläschen Sekt zur Feier des Tages.  Foto: Jana Bauch

Bei der 3.000. Wanderung gab es für die Mitglieder des Wanderbunds unterwegs ein Gläschen Sekt zur Feier des Tages. Foto: Jana Bauch

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Sich bewegen, wandern und draußen unterwegs sein, liegt voll im Trend. In Mönchengladbach machte sich bereits 1904 eine Gruppe Männer regelmäßig auf den Weg. Allerdings stand das Interesse an Bewegung dabei eher nicht im Vordergrund. Am 21. Oktober 1904 gründeten elf Herren im Hotel Herfs am Alten Markt den „Wanderbund zu M.Gladbach“. Gründungsmitglieder waren unter anderem der damalige Bürgermeister Carl Porzelt, Fabrikant Josef Meer und Hugo Schäfer, der Direktor der Lungenheilstätte. Sechs weitere Männer traten dem Wanderbund in den folgenden zwei Monaten bei. Bürgermeister Porzelt gilt als der Initiator des Wanderbunds, der noch heute besteht und inzwischen über 3.000 Wanderung erlebt hat.

Über die Gründungsversammlung gibt es ein kurzes Protokoll. Eine Satzung hat man sich jedoch nicht gegeben – bis heute nicht. Anstoß für die Gründung war, dass Gladbach und Rheydt damals noch zwei getrennte Städte waren. „Es gab große Ressentiments zwischen Liberalen und Zentrum, Protestanten und Katholiken und den Gesellschaften Casino und Erholung“, erzählt Wessel de Weldige-Cremer, der heute zu den ältesten Mitgliedern des Wanderbundes zählt. Porzelt wollte daran etwas ändern und die Honoratioren der beiden Städte, vor allem die aus Bildung, Wissenschaft und Justiz, miteinander ins Gespräch bringen. Der Wanderbund der ersten Stunde darf durchaus als eine elitäre Gruppe bezeichnet werden. Man wollte überparteilich und überkonfessionell sein. Da es häufig Streit zwischen den beiden Städten gab, war das Wandern eine gute Gelegenheit, ungestört und unbeobachtet ins Gespräch zu kommen.

Ein sogenannter Baas leitet den Wanderbund. 1904 war das der Sanitätsrat Josef Blum. Heute ist es Reinhard Jacoby, der früher bei einer Versicherung arbeitete. Gewandert wurde immer in der Region oder direkt im Stadtgebiet. Jede Wanderung wird seit Anbeginn detailliert festgehalten. Wer war dabei? Wie war das Wetter? Wohin führte die Wanderung? Zahlreiche handschriftlich geführte Bücher dokumentieren die Geschichte der Wanderungen. Anfangs wanderte man alle zwei Wochen an einem Samstagnachmittag. Jedes Jahr gibt es ein Stiftungsfest. Die Mitgliederzahl schwankte stets um die 20. 1907 beschloss man ein monatliches Treffen, bei dem gesungen wurde. Am 13. Februar 1915 fand die vorerst letzte Wanderung statt. Nur zwei Mitglieder wanderten auch während des Ersten Weltkriegs weiter.

Die erste Wanderung nach dem Krieg fand am 22. Februar 1919 statt. 82 Wanderungen sind bis dahin ausgefallen. In den Folgejahren gab es Kunstwanderungen nach Xanten, Kleve, Köln und Aachen. Die monatlichen Treffen wurden wieder aufgenommen. Am 1. August 1929 benannte sich der Wanderbund in „Gladbacher-Rheydter Wanderbund“ um. Nachdem Rheydt und Gladbach in den 30er Jahren wieder getrennte Städte wurden, gab man sich den heutigen Namen „Gladbach-Rheydter Wanderbund“. Die Zeit des Nationalsozialismus ging am Wanderbund fast spurlos vorbei. Zu politisieren war unter den Wanderbrüdern verboten. So schützte man sich auch selbst. Sogar während des Zweiten Weltkriegs wanderte man weiter, bis in den September 1944. Im Mai 1945 fand bereits die erste Nachkriegswanderung statt.

1964 lebte die Stammtischrunde wieder auf. Sie findet seit der Renovierung des Hauses Erholung in diesen Räumen statt. In den 80er-Jahren änderten sich mehrfach die Termine der Wanderungen. Seit April 1989 finden sie jeden zweiten Freitag ab 14.30 Uhr statt. Treffpunkt ist der Wasserturm an der Viersener Straße, der übrigens auch von einem Wanderbruder errichtet wurde. Jede Wanderung dauert rund zwei Stunden. Auch heute ist der Wanderbund noch eine Gruppe Herren, die einmal in gehobenen Positionen gearbeitet haben. Dazu gehören unter anderem Prof. Gunter Konrad, ehemaliger Chef der Kliniken Maria Hilf, der ehemalige Polizeipräsident Alfons Classen und Bodo Assert, ehemaliger Direktor des Stiftisch Humanistischen Gymnasiums. Wessel de Weldige Cremer war 27 Jahre lang Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein.

Der Gruß der Wanderbrüder heißt „Heiko“. „Was das bedeutet und woher das kommt, weiß heute niemand mehr“, sagt de Weldige-Cremer. Wer aufgenommen werden möchte, muss vorgeschlagen werden und zwei Probewanderung mitmachen. Danach wird man Eleve und muss zwei Wanderungen organisieren. Erst dann darf man sich Wanderbruder nennen. Tauschte man sich früher über wirtschaftliche Themen aus, sind es heute vor allem Gesundheitsfragen, da viele Ärzte im Wanderbund aktiv sind. Frauen gibt es im Wanderbund übrigens keine. Das war schon immer so.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort