Sauberkeit in Mönchengladbach Kämpfer für eine saubere und grünere Stadt

Interview | Mönchengladbach · Der Verein „Clean-up-MG“ besteht seit 20 Jahren. An der Spitze steht Eugen Viehof. Ein Gespräch über das Einbinden von Bürgern, Müll und Umweltschutz.

 Eugen Viehof ist seit 20 Jahren Vorsitzender von „Clean-up-MG“.

Eugen Viehof ist seit 20 Jahren Vorsitzender von „Clean-up-MG“.

Foto: bauch, jana (jaba)

Herr Viehof, wann haben Sie zuletzt achtlos etwas weggeworfen?

Viehof Bewusst? Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich gebe gerne zu, dass ich mit meiner Frau immer wieder Diskussionen habe, was in welche Tonne gehört. Meine Frau ist in dieser Frage viel fitter als ich.

„Clean-up-MG“ (Säubert Mönchengladbach!) – unter diesem Titel gründeten 25 Unternehmer vor zwei Jahrzehnten in Mönchengladbach einen Verein, mit dem eine Kampagne gegen Müll und Schmutz im Stadtbild verbunden war. Sie endete nie. Von Beginn an waren Sie der Vorsitzende. Was war der Antrieb?

Viehof Alles begann 2001 bei einer Gesellschafterversammlung der städtischen Wirtschaftsförderung WFMG, an der zu 49 Prozent Unternehmer beteiligt sind. Es ging um die Entwicklung der Stadt, um die Ansiedlung von Unternehmen, für die wir Unternehmer werben sollten. Ich merkte an, dass parallel mehr für die Sauberkeit getan werden musste. Die damalige Oberbürgermeisterin Monika Bartsch bat uns Unternehmer, sie dabei zu unterstützen.

Wie kam der Verein ins Spiel?

Viehof Zuerst war die Idee, Sauberkeitsaktionen mit Schauspielern zu machen. Doch das haben wir schnell verworfen, weil es nichts Nachhaltiges war. Mit dem Marketingprofessor der Hochschule Niederrhein, Herrn Harald Vergossen, wurde ein Konzept entwickelt, in dessen Zentrum ein Verein stand. Am 22.2.2002 waren sieben Gründungsmitglieder beim Notar und verabschiedeten die Satzung des Vereins.

Sie sagten damals: „Unser Ziel ist eine echte Bürgerinitiative.“ Ist das Ziel erreicht?

Viehof Letztlich ging es ja darum, die Mönchengladbacher Bürger zu gewinnen, sich für die Sauberkeit ihrer Stadt einzusetzen. Wir können stolz sein, dass sich heute knapp 400 Bürger über Patenschaften für die Sauberkeit der Stadt einsetzen. Wir haben 273 Patenschaften für die Belloo-Boxen. Die Paten befüllen zum Beispiel an Grünanlagen oder Hundewiesen diese Behälter mit Kotbeuteln. Und 118 Umweltpaten halten Plätze, Straßenzüge, Spielplätze und Teile von Parks sauber.

Also geht es darum, Eigenverantwortung zu übernehmen?

Viehof Ja, denn das Grundprinzip unseres Vereins ist es, nichts zu tun, hinter dem kein Bürger steht. Wenn sich jemand meldet wegen mangelnder Sauberkeit, dann muss die implizierte Frage lauten: Was tust du dafür? Das Prinzip des Vereins ist also, den Bürger für Sauberkeit zu sensibilisieren und ihn einzubinden.

Erhalten die Paten etwas für ihre Tätigkeit?

Viehof Grundsätzlich engagieren sich alle Paten ehrenamtlich. Doch der Verein bedankt sich mit kleinen nachhaltigen Geschenken, je nach Kassenlage. In diesem Jahr, dem Jubiläumsjahr, werden wir in den nächsten Wochen eine nette Aufmerksamkeit verschicken und wir gestalten, wenn es die Corona-Situation zulässt, wieder unser bekanntes Sommerfest.

Beispiele gibt es viele: Organisiertes und kollektives Müllsammeln beim ,Frühjahrsputz‘, die Einführung der Gelben Tonne, jedes Jahr das Schulprojekt „Clean ist cool“. Welche markanten Aktionen gab es noch?

Viehof Der Verein steht auf mehreren Säulen. Eine ist das Engagement des individuellen Bürgers. Wir arbeiten aber auch mit dem Volksverein zusammen. Dabei reinigen Menschen, die von der Arbeitsagentur bezahlt werden, gegen eine kleine zusätzliche Entschädigung die innerstädtischen Straßen zwischen den Stadtteilen. Bei einer Kooperation mit der Diakonie übernehmen Menschen, die sonst eher am Rande der Gesellschaft stehen, Verantwortung für die Sauberkeit eines bestimmten Platzes. Dabei geht es ihnen nicht um die sehr geringe Aufwandsentschädigung, sondern um entgegengebrachte Wertschätzung, für etwas Verantwortung zu tragen. Und eine der ganz wichtigen Säulen ist der pädagogische Bereich, den Sie bereits erwähnten.

... „Clean ist cool“ ...

Viehof Dabei messen sich bei einer Internet-Rallye die teilnehmenden Klassen in Fragen zu Sauberkeit und generellen Umweltthemen. Jede Woche wird eine Siegerklasse mit Geldpreisen für die Klassenkasse gekürt. Es machen jährlich Hunderte Schüler mit. Im vergangenen Jahr waren 723 Teilnehmer aus 33 Schulklassen dabei, der bisherige Rekord. Parallel gibt es jedes Jahr einen Kreativwettbewerb, bei dem Schulklassen unter einem bestimmten Motto Beiträge, Filme, Fotos, Kunst oder andere Konzepte einreichen können. Dieses Jahr ist das Motto „Auf ins Grüne – mehr Lebensqualität für Insekten in unserem Garten“.

Die Ferkel vom RP-Karikaturisten Nik Ebert spielten von Beginn an eine Hauptrolle.

Viehof Als wir starteten, nutzten wir Plakate, die Müll als den Tod der Stadt zeigten. Nik Ebert rief an und meinte, wir hätten unser Ziel komplett verfehlt, dürften nicht so etwas Negatives mit Mönchengladbach in Verbindung bringen. Er riet uns, die Aktion positiv zu drehen. So kam es zu den Umweltferkeln in unserer Kampagne. Seitdem steht für mich das Gewinnen von Mitstreitern für die Sauberkeit mit Witz und Humor im Vordergrund. Diese Botschaft ist mit Nik Eberts Unterstützung dann bestens gelungen.

Sprechen Sie selbst Umweltferkel offen auf der Straße an?

Viehof Ja, das mache ich, versuche es auf eine nette Art. Vielfach habe ich damit Erfolg, es gibt aber natürlich auch jene, die mir barsch entgegentreten. Man muss es aber erklären. Dass es zum Beispiel besonders dem Wild, etwa jungen Rehkitzen in der Wurfzeit, sehr schadet, wenn Hunde im Wald frei herumstöbern.

 Zum Jubiläum wurde der Name des Vereins um „Green up MG“ (Begrüne MG!) erweitert. RP-Karikaturist Nik Ebert hat das Logo um die Baumdame „Greeny“ erweitert.

Zum Jubiläum wurde der Name des Vereins um „Green up MG“ (Begrüne MG!) erweitert. RP-Karikaturist Nik Ebert hat das Logo um die Baumdame „Greeny“ erweitert.

Foto: Clean up MG/Nik Ebert

Aus dem diesjährigen Motto für die Schüler ist es bereits zu herauszulesen: Sie haben das Ziel Ihres Vereins weiter gefasst, Namensänderung inklusive ...

Viehof In der letzten Mitgliederversammlung hatten wir über Steingärten und Insektenvielfalt diskutiert. Daraus ist zuerst die oben erwähnte Schüleraktion entstanden, danach die Idee, den Vereinsnamen und das Logo auf „Green up & Clean up MG“ zu ändern. Nik Ebert hat dazu die zauberhafte Greeny, einen verschmitzt blickenden Baum geschaffen, und für das Reinigen steht eine robuste gelbe Tonne mit Besen.

Übersetzt heißt der Verein jetzt „Begrünt und säubert MG!“. Spielt Umwelt- und Naturschutz auch in Ihrem Privatleben eine Rolle?

Viehof Ich mache mir wirklich Sorgen. Denn die Menschen sind die Letzten in einer Kette. Zu viele Arten sind bereits ausgestorben oder stark minimiert. Man sieht zum Beispiel kaum mehr Bachstelzen. Die gab es früher immer an Gewässern oder in Gärten. Sie ernähren sich von Insekten, von denen es immer weniger gibt. Dadurch minimiert sich auch die Bachstelzen-Population. Auch den Grauschnäpper sieht man fast nicht mehr, er ist mit dem Rückgang der Insekten in unserer Gegend quasi ausgestorben.

Was ist Ihre Lösung?

Viehof Ich erkenne die Notwendigkeit für immer mehr Menschen, die auf der Erde leben, immer mehr Nahrungsmittel produzieren zu müssen. Doch dies muss im Einklang mit dem Erhalt der Natur geschehen. Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum Glyphosat, ein Breitbandherbizid, europaweit nicht verboten wird. Wo es nicht mehr eingesetzt wird, steigt die Insektenvielfalt wieder an. Auf der anderen Seite muss auch das Ernährungsproblem der Menschen gelöst werden. Deshalb plädiere ich dafür, genverändertes Saatgut einzusetzen, welches keine Pestizide benötigt, aber die Ernteerträge steigert. Damit schaffen wir wieder Lebensräume für Insekten. Das ist aber auch nur ein Baustein, um die Artenvielfalt zu erhalten. Man muss einfach wagen, Dinge komplett neu zu denken. Ein Beispiel: Eine hohe Zahl von Unternehmen plant inzwischen, bei der Energie komplett autark zu werden. Ja, aus wirtschaftlicher Notwendigkeit! Wer hätte dies vor Kurzem schon gedacht? Bei entsprechendem Druck geht das meines Erachtens auch im Natur- und Umweltbereich.

Wie stehen Sie zu Umweltaktivisten wie im Hambacher Forst, bei Fridays for Future oder Greta Thunberg?

Viehof Ich bin ein Fan der Bewegung, begrüße auch, dass in Lützerath protestiert und ein früherer Ausstieg aus der Braunkohle forciert wird. Aber bei allem Idealismus habe ich Sorge, dass wir sehenden Auges in ein immenses Energieproblem rennen. Es ist kurz klimamäßig vor zwölf. Wir müssen diesbezüglich vieles voranbringen, aber in einer vernünftigen Reihenfolge.

Würden Sie sich auch irgendwo anketten, wenn Sie jünger wären?

Viehof Ich habe Verständnis für Menschen, die protestieren. Es muss aber gewaltfrei sein, und gefasste demokratische Entscheidungen sind zu akzeptieren.

Zurück zur Sauberkeit. Als Ihr Verein gegründet wurde, mussten in Mönchengladbach jährlich 4200 Tonnen Abfall von Straßen, Plätzen und aus Parks gesammelt werden. Ist das weniger geworden?

Viehof Viel weniger, Mönchengladbach ist heute eindeutig sauberer als vor 20 Jahren. Klinisch sauber gibt es nicht. Der ewige Kampf um Sauberkeit ist wie ein Kampf gegen Windmühlen. Aber die Aktionen von „Clean up MG“ wirken. Und wenn größere Verschmutzungen erkannt oder von Bürgern gemeldet werden, ist die Mags oder die GEM mit ihrer schnellen Eingreiftruppe sofort zur Stelle, um den Müll zu entfernen.

Was muss sich noch verbessern?

Viehof Ich mahne immer an, dass wir mehr Abfallbehälter installieren könnten und müssten, in der Hoffnung, dass die Menschen sie dann auch benutzen. Nicht nur auf der Hindenburg - oder auf der Bismarckstraße fehlen stellenweise noch Behälter. Ich wünsche mir noch viele im Stadtgebiet. Das ist aber eine Kostenfrage. Der Bürger muss bereit sein, dafür mehr auszugeben. Wenn ich mehr Leistung fordere, muss ich auch mehr bezahlen.

Eine andere Möglichkeit ist, die Bußgelder zu erhöhen – zum Beispiel für Kippenschnippen oder Kaugummi-Ausspucken. Ganz extrem ist Singapur, wo dafür gleich ein paar Hundert Dollar fällig werden. Vielleicht nicht so viel, aber deutlich mehr als bisher in Mönchengladbach?

Viehof Die Bußgelder sind meiner Ansicht nach ausreichend. Wir haben aber nicht genügend Kontrolleure. Auch hier gilt: Kontrolleure kosten Geld.

Der Mags-Vorstand will die Altpapier-Container in der Stadt abschaffen. Im Verwaltungsrat konnte sich die Idee bisher nicht durchsetzen. Was halten Sie davon?

Viehof So gut ich die Altpapiercontainer finde, sie ziehen die Vermüllung an. Andere Städte haben sie deshalb bereits abgebaut, mit großem Erfolg. Die Mags wird neben den Wertstoffhöfen und der Blauen Tonne Alternativen anbieten, die gerade politisch diskutiert werden. Bürger können gebührenfrei die Blaue Tonne bekommen. Die Diskussion um Großverpackungen halte ich für vorgeschoben. Man muss diese halt zerkleinern. Ich kann die ganze Diskussion nicht verstehen, bin ganz klar ein Befürworter des Abbaus.

Aber manche klagen, dass mit der Rolltonne und der Gelben Tonne der Platz im oder vor dem Haus langsam eng wird.

Viehof Das mag teils stimmen, wird meines Erachtens aber überbewertet. Auch vor der Gelben Tonne gab es deshalb Auf- und Widerstand. Schließlich wurde sie aber ohne Probleme eingeführt. So ist es auch mit der Blauen Tonne gewesen. Bei großen Haus- oder Wohnanlagen muss man eben gemeinsam mit den Hausverwaltungen die richtige Lösung erarbeiten.

Aber auch nach dem Abbau der Container für Altpapier bleiben jene für Altglas stehen. Fürchten Sie nicht, dass auch die zugemüllt werden?

Viehof Das wird die Praxis zeigen. Ich habe die Sorge aber nicht, dass dort jemand mit Altpapier hinfährt, um es zu entsorgen.

Mit der Einführung der Rolltonne, die die kleinen Tonnen ablöste, und dem 14-tägigen Abfuhrrhythmus war ja auch der Gedanke der Kostensenkung verbunden. Nun steigen sie aber seit einigen Jahren ...

Viehof Nein, nicht seit einigen Jahren. Ja, jetzt gibt es eine Kostensteigerung, die nicht aufgefangen werden kann. Die Steigerung beim Müll ist jedoch moderat im Vergleich zu Kostensteigerungen in anderen Lebensbereichen.

20 Jahre „Clean up MG“, was sind die Pläne für die nächsten zwei Jahrzehnte?

Viehof Ich werde sicherlich nicht die nächsten 20 Jahre auch noch der Vorsitzende sein (lacht). Aber ich bin dankbar und hoffe, es bleibt so, dass die vielen Paten und Sponsoren zu uns halten und uns noch länger unterstützen.

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