Mönchengladbacher Landtagsabgeordneter Jochen Klenner Entscheidungen in Krisen müssen umkehrbar sein

Mönchengladbach · Der Mönchengladbacher CDU-Landtagsabgeordnete Jochen Klenner lud zu einer virtuellen Diskussion über ethische Entscheidungen in der Politik ein. „Wir wollen hinterfragen, warum wir als Politiker etwas entscheiden“, lautete Klenners Ansatz.

 Auch der Umgang mit Älteren in Seniorenheimen war Thema der Diskussion.

Auch der Umgang mit Älteren in Seniorenheimen war Thema der Diskussion.

Foto: Sozial-Holding

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Die Äußerung des Oberbürgermeisters von Tübingen, Boris Palmer, ob das Leben derjenigen Corona-Infizierten gerettet werden sollte, die ohnehin in einem halben Jahr sterben könnten, steht nicht im Einklang mit diesem fundamentalen Satz. Darin waren sich alle Teilnehmer einer virtuellen Diskussion einig, zu der der CDU-Landtagsabgeordnete Jochen Klenner aus Mönchengladbach eingeladen hatte. Das Thema lautete: „Corona-Zwickmühle: Gesundheit gegen Grundrechte. Ethische Lösungsansätze?“

Den ehemaligen Präsidenten des Deutschen Ethikrates, Ulf Posé aus Wickrath, hatte Klenner eingeladen, damit er in einem Impulsvortrag die ethischen Aspekte bei der Bewältigung der Corona-Krise hervorhebt. „Wir wollen hinterfragen, warum wir als Politiker etwas entscheiden“, lautete Klenners Ansatz. „Die Bürger bekommen unsere Entscheidungen mit, deren ethische Grundlage bleibt aber unerwähnt und unerklärt“, sagte der Landtagsabgeordnete.

Was darf, was muss, was kann geschehen, um das Virus in den Griff zu bekommen? Ein Patentrezept gebe es nicht, betonte Posé. Es gehe darum, die Krise auch als Chance zu nutzen und mittels einer Risikoabwägung Entscheidungen zu treffen, die möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt auch wieder verändert werden müssen. Im Krisenmanagement müsse vermieden werden, unumkehrbare Entscheidungen zu treffen. Ein Vertreter dieses fatalen, nicht umkehrbaren Weges sei US-Präsident Donald Trump, der mit seiner Politik die Krise nicht in den Griff bekomme. Im Kontrast dazu lobte Posé den deutschen Weg, den die Politiker vorgegeben hätten und den die Bürger umsetzten. „Ich bin begeistert, wie sie mitziehen.“ Entscheidend sei nämlich nicht, was die Politik bestimmt, sondern die freie Entscheidung jedes Einzelnen, den Weg durch die Krise mitzugehen.

Einen Beleg aus der Praxis steuerte Jan Kaiser vom Handelsverband bei: Haben im Handel in der ersten Woche 2,3 Prozent aller Kunden gegen die Auflagen verstoßen, seien es in der zweiten Woche 0,2 Prozent gewesen. „Die meisten Bürger halten sich an die Regeln und übernehmen Verantwortung für andere“, betont Posé. „Jeder sei zu 100 Prozent verantwortlich für sein Ergebnis.“

Bezüglich der unumkehrbaren Entscheidung widersprach Christian Dern, Direktor des Gymnasiums am Geroweiher. Die Schulschließung hätte fatale Folgen. Die Bemühungen der vergangenen Jahre seien vernichtet worden, „Wir minimieren die Bildungschancen unserer Schüler.“ Eine andere Ansicht zur Situation im Schulsektor vertrat Christiane Zangs, Schulderzernentin in Neuss. „Lehrer und Schüler haben digital und analog Unglaubliches geleistet.“ Es sei allerdings eindrücklich klar geworden, dass es ohne normalen Schulunterricht in einer Klasse nicht funktioniere. Das gelte auch, wenn es endlich eine bessere digitale Ausstattung der Schulen geben werde.

„Der Mensch verliert seinen Wert im Alter nicht“, betonte Helmut Wallrafen von der Sozial-Holding der Stadt Mönchengladbach. „Er hat ein Recht auf Würde.“ Sicherlich sei das Leben risikobehaftet. Dabei müssten aber immer Nutzen und Schaden abgewogen und die Frage gestellt werden, wie sich eine Entscheidung auf andere Risiken auswirke. Nur wenn der Geschädigte den Schaden akzeptiere, sei er ethisch vertretbar, erklärt Posé. Eine Schädigung gegen seinen Willen tangiere seine Menschenwürde – und die sei eben unantastbar.

„Ob wir die Krise überstehen, liegt also in der Verantwortung jedes Einzelnen“, bilanziert Klenner. Die Politik setze lediglich den Rahmen.

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