Reittherapie in Mönchengladbach Ein Pferd für Jans Lebensglück

Mönchengladbach · Durch einen Hirntumor ist der vierjährige Jan Scheidemann halbseitig leicht gelähmt. Die Therapie mit Tieren wie die bei Kristina Kunze hilft ihm bei der Beweglichkeit.

 Jan Scheidemann mit Reittherapeutin Kristina Kunze und Pferd Monsum während der Therapiestunde.   Fotos: Jana Bauch

Jan Scheidemann mit Reittherapeutin Kristina Kunze und Pferd Monsum während der Therapiestunde. Fotos: Jana Bauch

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Jan strahlt über beide Ohren. Er weiß, was jetzt kommt. Mit seinen wachen Augen schaut er sich auf dem Reiterhof in Mönchengladbach-Mongshof um. Er hält Ausschau nach Monsum, seinem Lieblingspferd. Als er ihn entdeckt, will er loslaufen. Seine Mutter Ina Scheidemann stützt ihn am Arm. Erst dann fällt Jans leichtes Humpeln auf.

Vor zwei Jahren wurde in Jans Kopf ein Tumor entdeckt – da war Jan gerade einmal zwei Jahre alt. Mit Reittherapie versucht der Vierjährige nun mit der Hilfe von Therapeutin Kristina Kunze und ihren Mitarbeiterinnen, sich wieder so bewegen zu können, wie er es vor der Krankheit konnte.

Ende Oktober 2017 habe Jan beim Abendessen auf einmal geschrien, erzählt Ina Scheidemann. „Für Eltern ist das ja erst mal nichts Ungewöhnliches. Aber irgendwann haben wir gedacht: Da stimmt etwas nicht.“ Dann habe Jan angefangen zu krampfen. Sofort ging es ins Neusser Lukaskrankenhaus, dort wurde ein CT gemacht. „Dem behandelnden Arzt gefiel es nicht, dass Jan mit rechts krampfte, aber mit links überhaupt nichts gemacht hat“, sagt Ina Scheidemann. Die Computertomographie zeigte: Jan hat eine Hirnblutung. „Und da war etwas, was da so nicht hingehörte“, erinnert sich Ina Scheidemann.

Monsum steht seelenruhig da, den kleinen Menschen auf seinem Rücken scheint er nicht einmal zu bemerken. Auch nicht den Hula-Hoop-Reifen, den Jan in seinen Händen hält. Er versucht damit ein Baustellenhütchen auf dem Boden unter ihm zu treffen. Reittherapeutin Kristina Kunze achtet darauf, dass Jan den Reifen auch mit seiner linken Hand fest umgreift. Diese Seite seines Körpers soll ihm durch die Therapie bewusster gemacht werden. „Es geht darum, seine Spastik zu lösen“, sagt Reittherapeutin Kunze. Drei mal versucht Jan es – dann schließlich gelingt es ihm. „Jaaa!“ Kunze und ihre Helferinnen jubeln. Es gibt Beifall, Jan strahlt. Monsum scheint von alldem nichts mitbekommen zu haben.

 Für Jans Therapiestunde mit Pferd Monsum hilft das gesamte Team um Leiterin Kristina Kunze (2.v.l.) mit: Sandra Gedrat (v.l.), Aranka Gaden, Lea Paulußen.

Für Jans Therapiestunde mit Pferd Monsum hilft das gesamte Team um Leiterin Kristina Kunze (2.v.l.) mit: Sandra Gedrat (v.l.), Aranka Gaden, Lea Paulußen.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

„Jan war die ganze Zeit nicht ansprechbar. Er war wie im Schlaf, er war nicht wach“, sagt Ina Scheidemann. Scheidemann und ihr Mann waren an die Kinderklinik der Uni Düsseldorf verwiesen worden. Dort berieten sich ganze Teams an Ärzten, wie Jan behandelt werden sollte. „Er brauchte eine Not-OP“, sagt Scheidemann. Ein Schock für die jungen Eltern. Noch in der Nacht begannen die Ärzte mit dem vierstündigen Eingriff. Und damit hatte die lange Reise zu Jans Genesung erst begonnen: Der Tumor hatte so viel Druck auf Jans Gehirn ausgeübt, dass er nun unter einer leichten Lähmung der linken Körperhälfte, einer Hemiparese, leidet.

Für den damals Zweijährigen war die plötzliche Veränderung schwer zu ertragen. „Man muss sich vorstellen: Jan konnte vorher laufen und alles ganz normal machen, und auf einmal ist er wieder wie ein Baby“, sagt seine Mutter. Bereits kurz nach dem Krankenhaus-Aufenthalt begann die erste Chemotherapie. Elf weitere sollten noch folgen. Jan sei in dieser Zeit in eine Art Depression gefallen, erinnert sich seine Mutter. Herausholen konnte ihn damals nur eine Therapie mit Tieren: Durch Spenden finanziert reiste die junge Familie nach Curacao, wo Jan an einer Delphintherapie teilnehmen durfte. „Er ist dadurch wieder so geworden, wie er jetzt ist. Das Lockere, das Fröhliche kam zurück“, sagt Scheidemann.

Fröhlich ist Jan auch, als er seinem Liebling Monsum ein paar herzliche Klapser auf den Hintern gibt. Monsum merkt davon wie immer nichts. Fast hat Jan die Reittherapiestunde – eine von sechs verschiedenen Therapien, die der Vierjährige machen muss – geschafft. „Er hat schon wirklich gute Erfolge hier gemacht“, sagt Mutter Ina und schaut mit einem Lächeln zu ihrem Sohn und Monsum: „Ich würde mal behaupten, er sitzt gut im Sattel.“ Auch Kristina Kunze ist zufrieden mit Jans Fortschritten. Seit ziemlich genau einem Jahr ist er bei ihr in der Therapie – finanziell ermöglicht wurde das durch die Elterninitiative der Kinderkrebsklinik in Düsseldorf.

Kunze gründete den Voltigier- und Therapie-Verein Mongshof im vergangenen Jahr. Eigentlich ist sie Ergotherapeutin in einer Praxis in Mönchengladbach. Diesen Beruf habe sie extra gewählt, um einmal Reittherapeutin werden zu können, erzählt Kunze. „Ich wollte das schon immer machen.“ Schon als Kind habe sie beim Reitverein Jüchen, in dem ihr Vater lange Zeit Vorsitzender war, aktiv voltigiert. „Der Verein hat damals auch Reittherapie angeboten, da habe ich als Jugendliche mitgeholfen.“ An vier Tagen der Woche arbeitet sie nun in der Ergotherapie, der fünfte Tag ist für die 25 Menschen reserviert, die die Voltigierpädagogin und Traumafachberaterin auf dem Pferd behandelt. Es sind Kinder, Erwachsene und Senioren. Abends unterrichtet Kunze dann noch die Voltigiergruppen des Vereins. 95 Mitglieder gibt es mittlerweile. Von der Reittherapie ist Kunze restlos überzeugt. Pferde könnten unheimlich viel helfen: „Sie spiegeln unwahrscheinlich gut das Verhalten vom Klienten wieder, reagieren aber auch unvoreingenommen. Damit ist das Verständnis beim Klienten noch mal viel größer.“ Deshalb sei auch die Nachfrage sehr hoch.

Auch Ina Scheidemann bemerkt, wie gut es Jan tut, Zeit mit den Pferden zu verbringen. „Es ist einfach eine andere Art von Therapie als das, was man im Raum machen kann. Es ergänzt alles sehr gut“, sagt sie. Sie hofft, dass Jan auch im nächsten Jahr mit der Reittherapie weitermachen kann. „Wir hoffen auf die Hilfe durch die Elterninitiative“, sagt Ina Scheidemann. „Aber auch wenn nicht: Dann machen wir das selbst möglich. Dafür ist kein Geld zu schade. Es hilft den Kindern einfach so viel.“

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