Der erste in Nordrhein-Westfalen Digitaler Orgel-Simulator ist eine Offenbarung

Mönchengladbach · Zum Eröffnungskonzert der neuen Hauptwerk-Orgel der Musikschule spielte Wolfgang Seifen, Organist an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin.

 Die neue digitale Orgel der Musikschule wurde in einem Eröffnungskonzert von Wolfgang Seifen gespielt.

Die neue digitale Orgel der Musikschule wurde in einem Eröffnungskonzert von Wolfgang Seifen gespielt.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

„Als ich den ersten Ton hörte, war das für mich…“, Gert Fischer macht eine Pause und sucht nach Worten, „eine Offenbarung.“ Der sonst leicht spröde Kulturdezernent ist nach dem Eröffnungskonzert der neuen digitalen Hauptwerk-Orgel der Musikschule begeistert. Und viele im Publikum des proppenvollen Carl-Orff-Saals reagieren ähnlich enthusiastisch auf Alexandre Guilmants 1. Symphonie für Orgel und Orchester, gespielt von dem Organisten Wolfgang Seifen und dem Jugendsinfonieorchester.

Man ist überrascht von dem authentischen und kraftvollen Klang der neuen Orgel, die in Wahrheit gar keine Orgel ist, sondern ein volldigitaler Simulator, der Töne berühmter Orgeln samt Raumklang abspielt. Mit Seifen, Orgelprofessor aus Berlin und Organist an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, hat die Musikschule einen international renommierten Gastsolisten gewonnen. Er führt das akustische Spektrum mit einer Virtuosität vor, die an Zauber reicht – von weichen Flötenklängen über schnarrende, näselnde Zungenstimmen bis zu monumentalen Akkorden, die bis in die letzten Ritzen des Carl-Orff-Saals dringen. Seifen hat die Orgel aber vor dem Konzert so behutsam intoniert, dass der Klang den Saal nicht sprengt.

Die Musikschule Mönchengladbach ist die erste Musikschule in Deutschland, die eine digitale Hauptwerk-Orgel, benannt nach dem Software-Erfinder, angeschafft hat. „Diese Erfolgsgeschichte können wir nur erzählen, weil mehrere Enthusiasten ein gemeinsames Ziel hatten“, sagt Musikschulleiter Christian Malescov.

Wolfgang Seifen hat ihn und Klaus Paulsen, Fachleiter für Gesang und Münsterkantor, vor zwei Jahren bei einem Besuch in der Musikschule auf die Idee gebracht. Die Stiftung eines Gladbacher Ehepaares hat die Kosten übernommen. Der Organist und Hauptwerk-Spezialist Willi Hütz hat den Prozess ebenso unermüdlich begleitet wie der Digitalisierungs-Experte Andreas Jütten.

Auch die Stadt hat mitgezogen und den Carl-Orff-Saal komplett technisch saniert. Er verfügt nun über eine volldigitale Raumklang-Anlage mit 18 Lautsprechern und zwei Subwoofern. Über das Resultat freut sich Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners, ebenfalls Gast beim Eröffnungskonzert. „Ich finde die Orgel einfach toll“, sagt er. „Und ich bin stolz, was für engagierte Macher wir in unserer Stadt haben.“

Bisher hat die Musikschule die Programme von fünf Kirchenorgeln. Drei von ihnen stellt Willi Hütz sehr kundig vor und Seifen improvisiert dazu Tonbeispiele. Das ist ein hochspannender Anschauungs-Unterricht, denn für den Vergleich zwischen den Orgeln in Zwolle, Maximin und Caen musste man bisher quer durch Europa reisen.

Bei der 1. Symphonie von Guilmant, einem imposanten Vorzeigestück, spielt Seifen werkgetreu mit dem Klang der romantischen Orgel von Caen. Schon beim kraftvollen Auftakt mit scharfen Punktierungen zeigt das Jugendsinfonieorchester, dirigiert von Christian Malescov, was es kann. Die Orchestereinsätze kommen wie Schwertschläge. Im musikalisch anspruchsvollsten zweiten Satz begleiten die Streicher die Orgel souverän mit idyllischen, wiegenden Pastoralklängen. Triumphal ist der Schluss-Choral mit satten Orgel-Akkorden, Trompeten, Posaunen, Hörnern, Trommeln und Pauken.

Auch bei großem Tempo vereinen die Musiker den langen Hall der Kirchenorgel mit dem trockenen, kurzen Raumhall im Konzertsaal. Das Orchester lässt Töne weich nachklingen, Seifen reagiert extrem fein und lässt alles zu einem Gesamtklang verschmelzen.

Für eine Pfeifen-Orgel wäre im Carl-Orff-Saal kein Platz gewesen. Es gibt in der Stadt dennoch Kritiker, die eine Hauptwerk-Orgel nicht für ein ernst zu nehmendes Instrument halten oder den Untergang der Orgelkultur fürchten.

„Es geht nicht um ein Entweder-Oder, sondern die Hauptwerk-Orgel ist eine wunderbare Ergänzung für den Unterricht und Konzerte“, sagt Malescov. Er hofft, dass das digitale Instrument wieder mehr auf die Orgeln in der Kirche aufmerksam macht. Seifen formuliert es so: „Nun können junge Menschen hautnah spüren, was für ein bombastisches Instrument die Orgel ist.“

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