Mönchengladbach Bei Straßennamen sind Frauen die Minderheit

Mönchengladbach · Der Weltfrauentag ist eine gute Gelegenheit, um Bilanz zu ziehen: Obwohl 50,8 Prozent der Mönchengladbacher weiblich sind, tauchen Frauen im Stadtplan nur selten auf. Nur rund 50 haben es auf Straßenschilder geschafft.

 Frauenrechtlerin und Nationalökonomin Marie Bernays.

Frauenrechtlerin und Nationalökonomin Marie Bernays.

Foto: Klartext-Verlag

Die Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren glich einer Revolution. Und der Internationale Frauentag jährt sich am heutigen 8. März sogar zum 108. Mal. Und dennoch sind Frauen in vielen Bereichen unterrepräsentiert, auch in Mönchengladbach. Im Stadtrat, in Führungspositionen – und bei Straßennamen.

Etwa 1800 Straßen und Plätze stehen im Stadtplan, nur 55 sind nach Frauen benannt. Immerhin ist die Tendenz steigend: Als die Gleichstellungsstelle der Stadt und das Stadtarchiv, unterstützt vom Frauen-Serviceclub Zonta, 2010 die Broschüre „Mönchengladbacher Frauenstraßennamen und ihre Geschichte“ herausgegeben hatten, lag die Zahl noch bei 51. Die der nach Männern benannten Straßen betrug 350. Das Verhältnis dürfte sich seitdem nicht zugunsten der Frauenquote verschoben haben. Allein im vergangenen Jahr wurden drei Männer auf Straßenschildern geehrt, alle drei in einem Neubaugebiet und der Einheitlichkeit wegen alle Pfarrer (Harald Kamp, Emil Hütter und Pfarrer Walter). Für den Nordpark stehen jetzt Benennungen nach verdienten Borussia-Größen an – versteht sich von selbst, dass auch das ausschließlich Männer sind. Doch das ginge in anderen Gebieten der Stadt auch anders.

Die Vorschläge für Straßennamen erarbeiten der Fachbereich für Geoinformation der Stadt Mönchengladbach und das Stadtarchiv. „Oft sind es Namen ehrbarer Bürger und Bürgerinnen. Und es geht bis hin zu berühmten Personen aus der Öffentlichkeit – wie beispielsweise ehemaligen Borussia-Trainern“, sagt Theo Vincentz, Abteilungsleiter im Bereich Straßenverzeichnis. Über die Vorschläge beraten anschließend die zuständige Bezirksvertretung, der Planungs- und Bauausschuss, der Hauptausschuss und zuletzt der Rat. Obwohl bei dieser Auswahl außer einem besonderen Verdienst der Namensgeber auch Wert darauf gelegt werde, weibliche Personen als Namensgeberinnen für neue Straßen zu finden, berichtet Vincentz, sei in den vergangenen drei Jahren keine einzige Straße nach einer Frau benannt worden.

 Johanna Hölters, Gründerin des Blindenvereins.

Johanna Hölters, Gründerin des Blindenvereins.

Foto: Stadtarchiv

Hans Schürings, der sich in der Mönchengladbacher Geschichtswerkstatt engagiert, beklagt bereits seit Jahren, dass zu wenige Straßen nach Frauen benannt werden. Dabei biete Mönchengladbach eine Fülle an weiblichen Persönlichkeiten. Auch Manuela Luhnen, CDU-Ratsfrau und Ehrenvorsitzende der Mönchengladbacher Frauen-Union, sieht das so. Sie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten dafür eingesetzt, dass mehr Frauen Namensgeber für Straßen werden. Die Liste verdienstvoller Bürgerinnen sei sehr lang, betont sie und fügt an: „Doch die Bretter, die für eine Ehrung dieser Frauen gebohrt werden müssen, sind eben auch dick.“

Oft können sich Frauen-Namen nur schwer durchsetzen. Und nicht nur das: Die Maria-Klothen-Straße in Giesenkirchen wäre beispielsweise beinahe wieder aus dem Stadtgebiet verschwunden. Laut Ratsbeschluss sollte die Straße 1990 in Josef-Jentgens-Straße umbenannt werden. Wie Susan Hiep im Buch „Mönchengladbacher Frauennamen und ihre Geschichte“ schreibt, bedurfte es drei Widersprüche, bis der Rat sich anders entschied und es bei dem Namen beließ. Und so erinnert die kleine Straße auch heute noch an Maria Klothen (1866 - 1929), die in Giesenkirchen das Gelände stiftete, auf dem die Kirche St. Mariä Himmelfahrt, der Kindergarten und das Jugendheim errichtet wurden. Sie gilt auch als Stifterin der Notkirche Meerkamp, hinter der sich ihr Grabstein befindet.

 Louise Gueury, Stifterin der Hardterwald-Klinik.

Louise Gueury, Stifterin der Hardterwald-Klinik.

Foto: Stadtarchiv

Bereits 1930 wurde die Straße zur Hardterwald-Klinik nach einer Frau benannt: Louise Gueury. Die reiche Kaufmannstochter hatte nach ihrem Tod im Jahr 1900 der Stadt  ihr gesamtes Vermögen vermacht mit der Auflage, es solle damit eine Heilanstalt für an Tuberkulose erkrankte Menschen errichtet werden. Sie selbst hatte diese Lungenkrankheit und starb bereits mit 46 Jahren.

Aber nicht nur Stifterinnen sind heute auf Mönchengladbachs Straßen verewigt; es sind auch sozial engagierte, kritische und mutige Frauen. Marie Bernays, die Nationalökonomin und Frauenrechtlerin, die sich à la Günther Wallraff unerkannt als Spulerin in einer Gladbacher Weberei und Spinnerei einstellen ließ, oder Marie Juchacz, die Reichtagsabgeordnete und Gründerin der Arbeiterwohlfahrt, oder Maria Kasper, die Gründerin der Genossenschaft der Armen Dienstmägde Jesu Christi in Rheydt, oder Johanna Hölters, die Gründerin des Blindenvereins in Mönchengladbach.

 Marie Juchacz, Gründerin der Arbeiterwohlfahrt.

Marie Juchacz, Gründerin der Arbeiterwohlfahrt.

Foto: dpa/--
 Schwester Maria Katharina Kasper wurde heilig gesprochen.

Schwester Maria Katharina Kasper wurde heilig gesprochen.

Foto: dpa/--
 Der Grete-Schmitter-Weg erinnert an eine in Venn geborene Wohltäterin. Sie hat sich für soziale Belange und Menschen in den Entwicklungsländern eingesetzt.

Der Grete-Schmitter-Weg erinnert an eine in Venn geborene Wohltäterin. Sie hat sich für soziale Belange und Menschen in den Entwicklungsländern eingesetzt.

Foto: Ilgner, Detlef (ilg)/Ilgner,Detlef (ilg)

Es gibt auch Straßennamen, die nur Geschichtskundige als Frauennamen erkennen. Ein Beispiel: Die Hittastraße. Hitta ist die Gattin des sagenhaften Stadtgründers Graf Balderich, über die allerdings nur wenig bekannt ist. Auch die Straßen, die nach Äbtissinnen oder Ordensschwestern benannt sind wie die Wüllenweberstraße, die Bönninghausenstraße und die Bronsfeldstraße, sind nicht sofort als Ehrung für verdiente Frauen erkennbar. Aber die Straßen sind eindeutig Frauen gewidmet, auch wenn es insgesamt nur 55 sind. Christa Dresen, Mitgründerin des Vereins, zu den Benennungen von Straßen nach Frauen: „Es entspricht nicht den Vorstellungen, die wir haben. Da ist noch deutlich Luft nach oben.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort