Gewerkschaften kritisieren Immer mehr Rentner brauchen Minijobs

Mönchengladbach · Gewerkschaften schlagen Alarm: Bei einer wachsenden Zahl von Senioren in der Stadt reicht die Rente nicht zum Lebensunterhalt. Sie brauchen einen Minijob oder Sozialhilfe.

Foto: dpa/Jan Woitas

 Die Deutsche Bundesbank hat soeben eine Anhebung des Rentenalters auf 69 Jahre vorgeschlagen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat da ganz andere Sorgen. Für immer mehr Rentner reiche die ihnen zustehende Rente nicht aus, eine wachsende Zahl Rentenempfänger müssten deshalb arbeiten und sich mit Mini-Jobs einen Zuverdienst verschaffen, sagt der DGB. Die Gewerkschaft Nahrung Genussmittel und Gaststätten (NGG) weist unterdessen darauf hin, dass in Mönchengladbach auch die Zahl der Senioren steigt, die auf Sozialhilfe angewiesen sind. Für die Mönchengladbacher Bundestagsabgeordnete Gülistan Yüksel (SPD) ist das ein Anlass, für  eine Grundrente zu plädieren.

Wir erklären: Was kritisieren die Gewerkschaften? Was besagen die Statistiken des Landes? Wo bekommen Mönchengladbacher Rat und Hilfe, die rechtzeitig für eine auskömmliche Rente sorgen wollen?

Arbeitende Rentner: Der Trend Einer Untersuchung des Gewerkschaftsbundes zufolge waren Ende März 3.658 Mönchengladbacher über 65 Jahren in Minijobs beschäftigt – knapp 600 mehr als ein Jahr zuvor. Das bedeutet eine Steigerung von 19,2 Prozent. Von den 3.658 Minijobbern waren laut DGB 1.953 Männer und 1.705 Frauen.

Über die Beweggründe der Rentner, sich einen Minijob zu suchen, sagen diese Zahlen alleine nichts. Das gilt auch für eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Der zufolge arbeiten nicht nur in Minijobs immer mehr Menschen im Rentenalter, sondern auch in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen: Laut Agentur waren im September 2018 in Nordrhein-Westfalen 74.603 Menschen der Altersgruppe 65plus sozialversicherungspflichtig beschäftigt – im September 1999 waren es gerade mal 19.432 gewesen. Gab es in den ersten Jahren des dazwischen liegenden Zeitraums noch einige Schwankungen, ist dieser Wert seit 2006 kontinuierlich gestiegen. Allein zwischen Dezember 2012 und September 2018 hat er sich von 37.344 auf 74.604 nahezu verdoppelt.

Das kritisiert der DGB Nach Ansicht des DGB-Stadtverbandsvorsitzenden Emrah Bektas ist für den Anstieg der Minijobs bei Ruheständlern die Rentengesetzgebung verantwortlich. Habe das Rentenniveau im Jahr 2000 noch bei 53 Prozent des Durchschnittslohns gelegen, betrage es heute nur noch rund 48 Prozent. Bis 2030 könne es auf 45 Prozent absinken. „Eine Rente, die im Jahr 2000 beispielsweise 1.000 Euro betrug, ist im Jahr 2030 nur noch 800 Euro wert! Diese Politik erzeugt Altersarmut und muss geändert werden“, fordert Bektas.

Diese Analyse wird durch das aktuelle Rentenniveau in der Stadt untermauert: Die durchschnittliche Rente von Männern in der Stadt liegt laut DGB bei 1.094 Euro, die von Frauen bei 633 Euro. Dies entspricht dem Niveau, den Stadtverwaltung im Juni dem Sozialausschuss des Rates einem Bericht zur Pflegeplanung genannt hat: 2016 bezogen in NRW Männer eine Durchschnittsrente von 1095 Euro, Frauen von 636 Euro.

Altersarmut: Der Trend In dem Bericht der Stadt steht auch „Laut neuesten Untersuchungen gelten deutlich mehr Rentnerhaushalte als bisher angenommen als armutsgefährdet.“ 19,5 Prozent der Rentnerhaushalte seien es demnach, aber nur 0,9 Prozent der Haushalte von Pensions-Empfängern. Konkrete Zahlen für Mönchengladbach liefert der statistische Landesdienst IT.NRW. Nach dessen Analyse ist die Zahl der Menschen im Rentenalter, die Sozialhilfe – die Grundsicherung – beziehen, in Mönchengladbach von 3066 im Jahr 2014 auf 3392 im Jahr 2018 gestiegen.
Das kritisiert die NGG „Die amtlichen Zahlen zeigen nur die Spitze des Eisbergs. Denn sehr viele Menschen, die wegen Mini-Renten eigentlich einen Anspruch auf die Grundsicherung haben, schrecken aus Scham vor einem Antrag zurück“, sagt Karim Peters, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten in der Region Krefeld-Neuss.

Und: „Eine entscheidende Ursache für dürftige Renten sind niedrige Einkommen. Auch wer Jahrzehnte in einer Bäckerei oder einem Restaurant gearbeitet hat, landet im Alter oft unter der Armutsschwelle. Das liegt auch an der Praxis vieler Unternehmen, aus Tarifverträgen auszusteigen und so die Löhne zu drücken. Hinzu kommt der Trend zu Teilzeit und Minijobs.“ Peters fordert eine „rentenpolitische Kurskorrektur“. Insbesondere die von der Bundesregierung angekündigte Grundrente – und zwar ohne Bedürftigkeitsprüfung – müsse rasch angepackt werden, um ein Ausufern der Altersarmut in der Stadt zu verhindern.

Das fordert die SPD Die aktuellen Zahlen aus Mönchengladbach seien „erschreckend“, sagt Gülistan Yüksel (SPD), Bundestagsabgeordnete der Vitusstadt. Wer ein Leben lang gearbeitet habe, müsse im Alter mehr zur Verfügung haben als die Grundsicherung. Daher setze sich die SPD für die Einführung der Grundrente ein. Mit dieser sollten die Bezüge von Menschen erhöht werden, die mindestens 35 Jahre lang gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben und trotzdem nur eine geringe Rente erhalten. Beispielsweise bekomme derzeit eine Person, die 40 Jahre auf dem Niveau des Mindestlohns gearbeitet hat, eine monatliche Rente von 512,48 Euro. Mit der Grundrente würde diese monatlich 960,90 Euro betragen, rechnet Yüksel vor.

Vorbeugen: Hier gibt es Hilfe Rentenansprüche bauen sich über ein langes Erwerbsleben auf. Das bedeutet: Je früher man damit beginnt, Beiträge an die Rentenversicherung zu zahlen, desto höher ist die Rente im Alter, wenn man kontinuierlich und ausreichend Beiträge gezahlt hat. Wer erst mit 60 eine erhebliche Rentenlücke bemerkt, wird sie mit normaler Erwerbsarbeit kaum stopfen können. Darum sollten sich junge Menschen und selbst ältere Schüler schon früh über ihre Rentenversicherung und auch andere Möglichkeiten der Altersvorsorge Gedanken machen. Der Finanzanlage-Möglichkeiten gibt es viele, von A wie Aktien bis Z wie Zinssparen. Bei der Rentenversicherung ist es etwas weniger unübersichtlich – und es ist nicht schwer, sich Informationen zu beschaffen. Zum Beispiel hier:

Im Internet sind unter der Adresse www.deutsche-rentenversicherung.de jede Menge verständliche Broschüren zur Rente im Allgemeinen und auch zu speziellen Fragen kostenfrei herunterzuladen. Außerdem gibt es ein Online-Werkzeug, das hilft, die Höhe der eigenen Rente einzuschätzen.

In der Rubrik Beratung und Kontakt werden unter anderem Rufnummern und Kontaktformulare für den Austausch mit Beratern zur Verfügung gestellt.

Persönliche Beratung Wer das persönliche Gespräch bevorzugt, hat mehrere Möglichkeiten. Zum einen Beratungsgespräch im Mönchengladbacher Servicecenter der Rentenversicherung Rheinland an der Lürriper Straße 55. Einen Termin kann man nicht nur telefonisch vereinbaren (02161 4971961), sondern auch online über die Webseite www.eservice-drv.de/eTermin/dsire/step0.jsp. Dabei sollte man allerdings etwas Vorlauf einplanen: Die Termine bis Mitte Januar 2020 waren bei einem Test der Seite schon alle besetzt.

Auf der Internetseite der Rentenversicherung sind auch Kontaktdaten von ehrenamtlich tätigen Versichertenältesten und Versichertenberatern zu finden. Diese erhalten von der Rentenversicherung lediglich eine Aufwandsentschädigung für ihre Arbeit, sagt Jochen Müller, Pressesprecher der Rentenversicherung Rheinland.

Daneben gibt es auch noch auf eigene Rechnung tätige Rentenberater, die von der Rentenversicherung unabhängig arbeiten und sich ihre Dienste vergüten lassen.

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