Interview zum Weltfrauentag „Feminismus hat mich weiblicher gemacht“

Mönchengladbach · Die 26-Jährige spricht zum Weltfrauentag über alltäglichen Sexismus, über Rollenklischees und verrät, was sie von Rosa und Glitzer hält.

 Inga Rosen engagiert sich im Feminismus.

Inga Rosen engagiert sich im Feminismus.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Es ist spannend, dass eine junge Frau wie Sie bekennende Feministin ist. Der Begriff wird ja teilweise durchaus mit negativem Unterton verwendet. Was hat Sie dazu gebracht?

Rosen Es war ein Prozess, der mit dem Erwachsenwerden einherging. In der Pubertät war ich mit vielen anderen Dingen beschäftigt, aber in der Phase des Erwachsenwerdens lernte ich mich selbst besser kennen. Ich reflektiere mein Verhalten stärker, kann klar sehen, wie ich behandelt werde und entscheiden, ob ich mich dagegen wehren muss. Ich erkenne nun die Ungerechtigkeiten, die nicht nur mir widerfahren. Wie wahrscheinlich jede Frau werde ich im Alltag häufig  mit Sexismus konfrontiert. Auch LGBTQI (eine Abkürzung aus dem Englischen, die für für Menschen mit unterschiedlichen Identitäten oder sexuellen Orientierungen steht/Anm. d. Red.) und Männer sind vom Alltagssexismus betroffen. Der Feminismus ist meine Antwort darauf.

Welche Formen von Sexismus stören Sie denn am meisten?

Rosen Ach, das fängt früh an. Wenn ein Mädchen in die Pubertät kommt, starren ihr selbst bei Familienfeiern alte Onkel auf die Brüste. Als Mädchen wusste ich damals gar nicht, wie ich reagieren sollte und konnte es auch nicht wirklich benennen. Aber das unangenehme Gefühl ist geblieben. Wenn eine Frau auf der Straße angebaggert wird oder Männer ihr hinterherpfeifen, ist das  kein Spaß.  Nachts zum Beispiel kann sich eine Frau oft schwer dagegen wehren, weil die Männer in einer Machtposition sind. Mädchen wird beigebracht, aufzupassen und nicht zu einladend zu sein, aber Männer dürfen anscheinend ihren Trieben nachgeben, ohne nachzudenken. Das stört mich sehr. Auch, dass es bei unerwünschten Annäherungsversuchen für eine Frau besser ist zu sagen, sie habe einen Freund, als zu signalisieren, kein Interesse zu haben. Anscheinend muss eine Frau jemandem gehören, damit andere Männer das akzeptieren können.

Was halten Sie von Galanterie? Darf Ihnen ein Mann die Tür aufhalten oder in den Mantel helfen?

Rosen Natürlich dürfen Männer mir die Türe aufhalten, ich tue das ja auch für sie. Das ist für mich eine Sache der Aufmerksamkeit und des Umgangs miteinander. Ich bin aber deshalb keinem Mann etwas schuldig, wenn er einfach aufmerksam mir gegenüber ist. Wenn zum Beispiel ein Mann mir einen Drink ausgibt, heißt das nicht, dass ich mit ihm nach Hause gehen muss.

Wie haben Sie die Geschlechterrollen in Ihrer Familie erlebt? Ist Ihre Mutter ein Vorbild für Sie?

Rosen Meine Mutter findet meine feministische Haltung richtig gut, und auch meine drei älteren Brüder reagieren positiv. Manchmal gibt´s ein bisschen Gestichel, aber eigentlich unterstützen sie mich sehr. Und meiner kleinen Schwester habe ich zu ihrem 16. Geburtstag das Buch Stand up von Julia Korbik  zum Einstieg in den Feminismus geschenkt. Es hat ihr sehr gefallen und sie hat es auch Freundinnen ausgeliehen. Ich rede offen mit ihr über Sexualität, Menstruation, Verhütung, Rechte, um sie stark zu machen.

Wofür brauchen wir denn heute noch Feminismus?

Rosen  Frauen verdienen immer noch weniger als Männer. Der Gender Pay Gap ist Realität. Wer sich mit Feminismus beschäftigt, beschäftigt sich gleichzeitig auch mit Diskriminierung. Für mich ist Feminismus immer auch antifaschistisch und antikapitalistisch. Es geht mir darum, Menschen zu respektieren und akzeptieren, auch wenn sie nicht der Norm entsprechen. Männer können weich sein oder sich die Nägel lackieren, Frauen können Haare an den Beinen haben, auf Kosmetik verzichten oder eben auch nicht. Menschen mit Behinderung dürfen auch lieben und Sexualität erfahren.

Sie haben bei der sehr erfolgreichen Aktion #notheidisgirl von den Vulvarines, mittlerweile F*akt aus MG, mitgemacht. Warum?

Rosen Als Jugendliche habe ich auch „Germany´s next Topmodel“ geguckt. Ich verstehe, dass die Vorstellung, mit dem eigenen Aussehen Geld zu verdienen, sehr reizvoll ist. Aber irgendwann ist mir bewusst geworden, wie die jungen Mädchen gegeneinander aufgestachelt und Konkurrenzkämpfe provoziert werden, um die Zuschauer zu befriedigen. Und wie dann  die Zuschauer dazu verleitet werden, über die jungen Frauen zu urteilen. Das stört mich, deswegen habe ich bei #notheidisgirl mitgemacht. Manche Männer aus meinem Freundeskreis haben sich auch beteiligt. Die Resonanz war gigantisch, die Reichweite größer als die von „Germany´s next Topmodel“.

Verfolgen Sie auch die metoo-Bewegung?

Rosen Ja, ich habe auch ein Bild gepostet. Welche Frau erlebt denn so etwas nicht? Es wurde nur lange nicht ernst genommen. Auch diese Bewegung wird gern ins Lächerliche gezogen, auch von Frauen. Ebenso wie der Feminismus für etliche negativ behaftet ist.

Woran liegt das? Warum reagieren einige so aggressiv auf Feminismus?

Rosen Dazu muss ich ein Erlebnis erzählen: Am Wochenende fand ein Festival von „F*akt“, der Feministische Aktion MG, statt. Ich habe eine Einladung gepostet, aus der auch hervorging, dass die Veranstaltung nur an FINT* gerichtet war, das heißt, an Frauen, Inter-, Non-Binary und Trans-Personen, und darauf eine teilweise heftige Reaktion erlebt. Einer schrieb: „Feministen sind die Nazis der Geschlechter“. Das war nun wirklich ziemlich daneben, die Nazis haben schließlich Millionen von Menschen umgebracht. Ich habe trotzdem darauf nur mit Humor reagiert, da eine Whatsapp-Gruppe nicht die Plattform für solche Diskussionen  ist. Später auf einer Party bin ich darauf angesprochen worden. Ich konnte dann nach dem Nazi-Vergleich fragen und es stellte sich heraus, dass im Grunde nichts dahinter steckte. Es war richtig schön, wir haben alle miteinander geredet und es gab überhaupt keinen Konflikt. Ich bin durch Humor und Geduld auf Verständnis getroffen und habe vielleicht dazu angestoßen, nicht leichtfertig Aussagen zu posten. Oft steckt hinter solchen Sprüchen Unwissenheit.

Was kann Frauen stark machen?

Rosen Bildet Banden! Es ist wichtig, dass Frauen sich gegenseitig unterstützen und zusammen tun. Es tut richtig gut, wenn man sich erzählen kann, was man erlebt hat und Unterstützung erfährt. Das macht stark. Lernt euren Körper kennen und tauscht euch darüber aus.

Sie machen gerade Ihre Ausbildung zur Erzieherin in einem Waldorf-Kindergarten. Wie gehen Sie mit den Rollenklischees bei Ihrer Arbeit um?

Rosen Wir reden in der Ausbildung viel über Sexismus und über Rollenbilder. Das ist wichtig, denn schließlich leben wir den Kindern Verhaltensweisen vor.

Wie gehen Sie damit um, wenn sich Mädchen und Jungen sehr an den Rollenklischees orientieren?

Rosen Ich lasse es geschehen, aber ich bestätige die Kinder nicht durch übermäßiges Lob. Eher verteidige ich den Jungen, der sich auch hübsch machen will oder mit Puppen spielt. Und die Mädchen, die Dinos mögen wie ich auch.

Und wenn die Mädchen unbedingt pink wollen?

Rosen Dann bekommen sie es. Mich hat der Feminismus weiblicher gemacht. Ich kann jetzt auch rosa und Glitzer genießen. Es macht mir Spaß.

Wie ist es Frau in Mönchengladbach, in Deutschland zu sein?

Rosen Frauen müssen stark sein, denn sie werden oft mit Sexismus konfrontiert, aber sie können in Deutschland schon gut leben. Die feministische Community wächst. Das ist ein gutes Zeichen.

Was für Veränderungen würden Sie sich wünschen?

Rosen Ich beschäftige mich viel mit alternativen Verhütungsformen und Hygiene und würde mir mehr Aufklärung über diese Möglichkeiten wünschen. Es sollte weniger tabu sein, darüber zu sprechen.

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