Kolumne Denkanstoß Es gibt auch in schweren Zeiten den Himmel auf Erden

Meinung | Mönchengladbach · In der Ukraine herrscht Krieg, die Energiepreise steigen und die Konsequenzen des Klimawandels werden spürbar. Trotzdem ist es möglich, in kleinen Augenblicken Ruhe zu finden, schreibt unser Autor.

Im Alltag gibt es immer wieder kleine Momente der Glückseeligkeit. Zum Beispiel, wenn gute Musik gespielt wird. (Symbolbild)

Im Alltag gibt es immer wieder kleine Momente der Glückseeligkeit. Zum Beispiel, wenn gute Musik gespielt wird. (Symbolbild)

Foto: Stefan (fing)/Finger, Stefan (fing)

Doch, es gibt ihn wirklich: den Himmel auf Erden. Ich habe mich selbst von seiner Existenz überzeugen können. Es gibt diesen Ort des Friedens und der Geborgenheit. Er ist erfahrbar, greifbar, fühlbar.

Es gibt ihn konkret in unserer Zeit. In der Zeit des Krieges, den ein Despot führt, weil er meint, Geschichte schreiben zu müssen, indem er sich nimmt, was ihm nicht zusteht und Menschen zur Verfügungsmasse seiner Wahnvorstellungen macht.

Es gibt ihn konkret in unserer Zeit; in der die katholischen Bischöfe, die sich Hirten nennen, die ihnen Anvertrauten buchstäblich im Stich lassen und eine wissenschaftlich heute nicht mehr haltbare Lehre als Argument nutzen, Mitgefühl in gleicher Weise wie die Achtung der Menschenrechte aus ihren Überlegungen auszublenden.

Es gibt ihn konkret in unserer Zeit; in der die Ressourcen knapp werden, Zukunft für viele Menschen ungewiss wird und Zuversicht schwindet.

Es gibt ihn, auch in der Erfahrung dessen, dass mir scheint. Viele Menschen fühlten sich zurückgesetzt, haben das Gefühl ihre vertraute Heimat würde ihnen fremd. Dahinter verbergen sich oft Erfahrungen von Kränkungen, seelischen Verletzungen, Missachtungen. Einander wahrnehmen, einander ernst nehmen, Lernbereitschaft zeigen, erweisen sich als Eigenschaften, die alles andere als selbstverständlich sind. Wem könnte ich verdenken, den Traum vom Himmel aufgegeben zu haben? Und wie könnte ich vermitteln, ich hätte ihn gefunden, den Himmel auf Erden?

Mir schien, als sei ich im Himmel gewesen, als ich in einer kleinen verwinkelten Gasse meines Urlaubsortes saß und einem Straßenmusiker zuhörte. In diesem Augenblick konnte ich vergessen: Putin, Bischöfe, Unrecht und Gewalt. Für eine Weile konnte ich nur im Hier und Jetzt sein. Und ich fühlte mich getragen, gehalten. War es die Musik, war es dieser stille, geheimnisvolle Ort, war es Gott. Ich habe nicht hinterfragt, nicht reflektiert. Jetzt, im Nachhinein, da wird mir dieser Glücksmoment wirklich gewahr.

Es braucht Augenblicke des Glücks. „Sekundenglück“ nennt es Herbert Grönemeyer. Nicht, um zu vergessen; auch nicht, um sich zu berauschen; sondern um Kraft zu schöpfen, sich nicht abzufinden mit dem Ist-Zustand dieser Welt, die nicht der Himmel ist.

Christoph Simonsen ist katholischer Pfarrer der Citykirche

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