Kolumne Denkanstoß Lost in Advent?

Mönchengladbach · Viele junge Leute fühlen sich in diesem Jahr und auch mit dem Ausblick auf die kommende Zeit so: Wir sind unsicher, ob und wann wir wieder unsere Beziehungen pflegen können. Aber es gibt ein Licht der Zuversicht, schreibt unsere Autorin.

Weihnachtsmarkt in Mönchengladbach – das gab’s 2019 noch.

Weihnachtsmarkt in Mönchengladbach – das gab’s 2019 noch.

Foto: Christian Albustin

Nun ist es wieder soweit: Übermorgen ist der erste Adventssonntag; darauf werden wir  schon länger vorbereitet, durch Vorschläge für die Weihnachtsdekorationen in den Trendfarben weiß, grün oder doch bunt? Marzipankartoffeln, Lebkuchen und Stollen gibt es  schon seit September in den Geschäften. Beleuchtung aller Art strahlt deutlich sichtbar in den Straßen. Wie immer kommt es einem so vor, als fange alles zum Thema Weihnachten jedes Jahr früher an.

Das gibt  Zeit, sich ohne Hektik und Stress darauf einzustellen. Hektik und Stress wegen der traditionellen Beschäftigungen im Advent fallen dieses Jahr sowieso aus: Es gibt keine Weihnachtsmärkte, auf denen  man im „after work“-Treff beim  Glühwein mit Kollegen und Kolleginnen zusammensteht. Betriebliche Weihnachtsfeiern, Adventskaffeenachmittag mit Freundinnen – Fehlanzeige in 2020. Bliebe also genug Zeit für unsere schöne deutsche Gemütlichkeit in den eigenen vier Wänden. Gemütlichkeit: ein Begriff, der so auch im Englischen und Französischen verwendet wird. Aber was man umsonst und reichlich haben kann, das wollen wir eigentlich auch nicht. Das wollen wir nicht unbedingt in einem Jahr, in dem wir schon so viele Monate auf uns selber oder ganz kleine Kontaktkreise geworfen sind.

Jugendliche haben in einer Umfrage das Wort „lost“ als ihr Jugendwort des Jahres 2020 ausgewählt. Lost, das impliziert  ahnungslos, unsicher, unentschlossen. Viele junge Leute fühlen sich in diesem Jahr und auch mit dem Ausblick auf die kommende Zeit so: Wir sind unsicher, ob und wann wir wieder  unsere Beziehungen pflegen können, wie wir es vor der Pandemie gewohnt waren; werden wir uns je wieder unbeschwert in den Armen liegen, wenn große Freude uns überwältigt? Werden wir vorbehaltlos jemanden in den Arm nehmen, wenn wir mit ihm oder ihr traurig sind? Theater, Kultur, Konzerte, Borussia alles ohne Beschränkungen – ein Traum. Wann geht das wieder? Da sind wir mit vielen anderen wirklich ahnungslos, verloren, eben „lost“. Diese Gefühl können auch ältere Menschen gut nachvollziehen.

Lost in Advent – das sollte nicht das durchgängige Gefühl bis zum 24. Dezember sein. Kirchengemeinden werden abends läuten, noch einmal das sogenannte Coronaläuten vom Frühjahr aufgreifen, das an die vielen Einsamen, Traurigen, Hoffnungslosen, aber auch an die unermüdlichen Helfer und Helferinnen erinnern soll. Als ein weiteres Zeichen der Solidarität und der Verbundenheit stellen Menschen in der Stadt abends eine Kerze ins Fenster. Dieses Licht wird in der Dunkelheit der Dezemberabende hell leuchten und kann Zuversicht schenken, so wie man es in den ersten Versen des Johannesevangeliums liest: das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht auslöschen können.

Ulrike Wellens ist Pastoralreferentin im Regionalteam der katholischen Region Mönchengladbach.

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