Kolumne Denkanstoß Sorglos auf Gott vertrauen
Mönchengladbach · Unser Autor schlägt vor, es zu machen wie die Vögel: sich zu kümmern, ohne bekümmert zu sein. Demnach sollte der Mensch nicht seinen Plagen ein Nest bauen.
Sorgen über Sorgen. Nicht selten werden die Sorgen so groß, dass sie uns den Schlaf rauben: Die Sorge um Frieden und Sicherheit, um Hab und Gut, die Gesundheit oder um die Kinder…
Beim Blättern in meiner Bibel fiel mir in dieser Woche ein Wort Jesu ins Auge: „Sorgt euch nicht (…) sehet die Vögel unter dem Himmel an, sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in Scheunen; und Gott ernährt sie doch.“ Inmitten meiner Sorgen werde ich aufgefordert, mir keine Sorgen zu machen? Da möchte ich erst einmal widersprechen. Und ja, ich schau mir gern mal die Vögel an: Den Eichelhäher zum Beispiel, wenn er von August bis Oktober bis zu 10.000 Eicheln sammelt und verbuddelt. Er bekommt den Hals erst voll, wenn er bis zu zehn Stück in der Kehle trägt. Und rund 6000 seiner Verstecke behält er im Gedächtnis. Wie fleißig und sorgsam ein Vogel sein kann.
Oder unsere Singvögel: Sie sammeln im Frühjahr Zweige, sie bauen ein Nest, sie suchen einen Partner, sie legen Eier und brüten sie aus. Sie hegen und pflegen ihren Nachwuchs. Schleppen Futter an. Und dann – ja dann lassen sie, ohne ihnen Ketten anzulegen, mutig ihre Jungen fliegen und ihr eigenes Leben finden. Alles in einem Sommer!
So haben auch die Vögel viel zu besorgen und müssen sich um vieles kümmern. Allerdings – und da trifft der Hinweis auf die Vögel ins Schwarze: Sie kümmern sich, sind aber nicht bekümmert. Sie zerbrechen sich nicht den Kopf über ungelegte oder faule Eier. Sie tun einfach, was gerade heute nötig ist, ohne darüber nachzudenken.
Klar! Wir sind klüger als die Vögel und wir sollen planerisch und vorausschauend handeln. Nur: Solange wir sorgenvoll über die Zukunft nachdenken und Pläne schmieden, die dann doch nicht aufgehen, suchen wir nicht selten vergeblich nach der Freude am Leben, die sich am Ende doch nicht planen lässt. Schlimmer noch ist: Der Blick für das, was wirklich gerade jetzt nötig ist, geht uns über allem Sorgen auch verloren.
Könnten wir vertrauen, dass da einer ist, der sich um uns sorgt, könnten wir gelassener planen und zuversichtlicher handeln. Wir hätten vermutlich einen achtsameren Blick auf den Menschen neben uns, der gerade Hilfe braucht, denn wir wären weniger mit der Sorge um uns selbst beschäftigt. Wir würden weniger durch die Tage hetzen und könnten auch mit den vielen Veränderungsprozessen unserer Zeit gelassener umgehen. „Wer auf Gott vertraut, braucht sich nicht zu fürchten vor den Träumen der Nacht und der Einsamkeit“, singt Hella Heizmann.
Auch wenn ich auf Gott vertraue, hat immer noch jeder Tag seine eigene Plage, gewiss. Aber ich verbringe meine Tage nicht vor allem damit, meinen Sorgen und Ängsten ein Nest zu bauen. Ich kann tun, was für diesen Tag heute nötig ist. Sich kümmern um das, was wichtig ist, ohne bekümmert zu sein, das zeigen mir der Eichelhäher und das Singvogelpärchen.
Schön, dass ich diese Woche daran erinnert wurde, beim Blättern in meiner Bibel. Vielleicht haben Sie beim Lesen Lust bekommen, auch ein wenig in einer Ihrer alten Bibeln herumzublättern oder Sie besorgen sich eine neue.
Dietrich Denker ist Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Gladbach-Neuss.